SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1790 18. Wahlperiode 2014-04-22 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen 1. Welche den Kirchen gehörenden Ländereien und Güter im jetzigen Staatsgebiet von Schleswig-Holstein wurden bis 1919 enteignet? Wie beziffert die Landesregierung den Wert dieser Ländereien und Güter im einzelnen? Die in dieser Allgemeinheit gestellte Frage ist nicht fristgemäß zu beantworten . Zum Hintergrund: Die Christianisierung im Gebiet des heutigen Schleswig -Holsteins begann um 810 mit der Gründung eines fränkischen Brückenkopfes an der Elbe, der die Keimzelle der heutigen Freien und Hansestadt Hamburg bildete. Wenig später wurde im Gebiet nördlich der Burg eine Kirche in Meldorf errichtet, kurz danach ein Kirchort in der Nähe von Itzehoe. Mit der Gründung von Kirchorten verbunden ist die Aneignung von Ländereien, die sowohl als Grundstücke für den Kirchenbau und naheliegender Gebäude, als auch zur Versorgung genutzt wurden. Im Zeitraum von 810 bis 1919 hat es wiederholt die Aneignung und Enteignung von Ländereien und Gütern gegeben , die häufig durch obrigkeitliche Maßnahmen legitimiert waren oder aber durch gesellschaftliche und politische Entwicklungen, wie sie beispielsweise die Reformation oder die napoleonische Besetzung darstellte. Eine Übersicht über Ländereien und Güter der Kirchen (der Plural gilt erst seit der Reformation ) wäre sicher lohnenswert, erfordert jedoch eine langjährige historische Forschungstätigkeit und ist in kurzer Frist nicht leistbar. Darüber hinaus kann Drucksache 18/1790 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne schriftliche Nachweise über Anbzw . Enteignungen über die Jahrhunderte verloren gegangen sind. 2. Zu welchen Zeitpunkten und in welcher Form fanden die Enteignungen statt? Siehe Antwort auf Frage 1. 3. Welche Rechtsansprüche im Sinne von Artikel 138 Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung haben in welcher Höhe bei Inkrafttreten der Verfassung am 14.08.1919 bestanden (bezogen auf Schleswig-Holstein)? Die am 14. August 1919 bestehenden Rechtsansprüche im Sinne von Artikel 138, Absatz 1 genau zu beziffern und zudem in die nun aktuell gültige Währung umzurechnen, ist eine umfangreiche Aufgabe, die mit historischen Archivstudien einhergeht und in der Kürze der Zeit von einer Verwaltung nicht umzusetzen ist. Hier wäre eine historische Forschungsarbeit angebracht, die die genaue Höhe und den Umfang der Rechtsansprüche am 14. August 1919 ermittelt, zusammenstellt und für die heutige Situation analysiert. 4. Wie hoch sind die Staatsleistungen (gestaffelt nach Jahren und Empfänger), die das Land Schleswig-Holstein seit Gründung der Bundesrepublik an Religionsgemeinschaften geleistet hat? Auf welcher Rechtsgrundlage beruhen die Zahlungen? Ist das Land verpflichtet, die Zahlungen zu leisten? Die Rechtsgrundlage der Zahlungen stellen der Vertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den evangelischen Landeskirchen in SchleswigHolstein vom 23. April 1957 und der Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Schleswig-Holstein vom 12. Januar 2009 dar. In Vertragstreue ist das Land dazu verpflichtet, diese Zahlungen zu leisten. Eine Aufstellung der Staatsleistungen gestaffelt nach Jahren und Empfängern erfordert ein umfangreiches Archivstudium im Landesarchiv, dass weder personell noch zeitlich zu leisten ist. 5. Welcher Teil der Staatsleistungen wurde jeweils in Erfüllung von 1919 beste- henden Rechtsansprüchen gezahlt? Sämtliche Staatsleistungen werden in Erfüllung von 1919 bestehenden Rechtsansprüchen gezahlt. Grundlage hierfür ist das Gesetz zu dem Vertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den evangelischen Landeskirchen in Schleswig-Holstein vom 23. Mai 1957, i.d.F.d.B.v. 31.12.1971 des Artikels 18, Absatz (1). Dort werden die Staatsleistungen festgelegt als Zuschüsse für Zwecke der Pfarrbesoldung und -versorgung sowie zum Ausgleich der in Artikel 19 und 20 genannten Verpflichtungen. Zu diesen Verpflichtungen gehört die Eigentumsübertragung am Dom zu Schleswig. Der Bezug der Staatsleistungen des Landes Schleswig-Holstein an die katholische Kirche, genauer das Erzbistum Hamburg, ist der Vertrag des Freistaates Preußen mit dem Heiligen Stuhl vom 14. Juni 1929 und hier der Artikel 4, die Absätze 1 und 3. Dort werden die Dotation der Diözesen und Diözesananstalten mit jährlich zwei Millionen achthunderttausend Reichsmark festgelegt. 6. Welche Gegenleistung erhält das Land für die gezahlten Staatsleistungen? Die Kirchen stellen das Land von allen Verpflichtungen zu Geld und Sachleistungen an die Kirchengemeinden, die Pfarr- und Küsterstellen, insbesondere von denen zur baulichen Unterhaltung von Gebäuden frei. 7. Wie hat sich die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung in Schleswig-Holstein, wie haben sich die Mitgliederzahlen der Kirchen seit Gründung der Bundesrepublik entwickelt? Zu den Entwicklungszahlen in Schleswig-Holstein ist zu sagen, dass das Statistikamt Nord Daten zu Religionsgemeinschaften nur zu Volkszählungen erhebt , deshalb könnten nur aktuelle Daten aus dem Zensus 2011 für Schleswig -Holstein übermittelt werden. Darüber hinaus verweist das Amt auf die Kirchen . Das Landeskirchenamt der Nordkirche hat in seinem Bestand nur Daten beginnend mit dem Jahr 1977 und verweist darüber hinaus auf das Statistikamt Nord. Die Katholische Kirche hat Daten ihrer Diözesen vorrätig, die in der Kürze der Zeit nicht beschafft werden können, da die Diözesen nicht deckungsgleich sind mit den Bundesländern. Im Internet findet sich eine Übersicht über die konfessionelle Entwicklung in Deutschland auf der Homepage der kirchkritischen Forschungsgruppe Weltanschauung (fowid) unter: http://fowid.de/fileadmin/datenarchiv/Religionszugehoerigkeit_Bevoelkerung__ 1950-2008.pdf Diese konnte in der Kürze der Zeit nicht verifiziert werden. 8. Welche Bedeutung für die Kirchenfinanzierung haben die Staatsleistungen gegenwärtig im Vergleich zu den anderen Finanzierungsquellen der Kirchen, namentlich der Kirchensteuer? Es wird angenommen, dass sich die Frage auf die Bedeutung der Staatsleistungen im Lande Schleswig-Holstein am Gesamthaushalt der dort vertretenden großen Kirchen bezieht. Dann wären das für die Nordkirche 2,44 % und für das Erzbistum Hamburg 0,2% bezogen auf den jährlichen Haushalt. 9. Welche Aktivitäten hat die Landesregierung bisher unternommen, um die in der Weimarer Reichsverfassung und im Grundgesetz geforderte Ablösung der Staatsleistungen umzusetzen? Die derzeitige Landesregierung hat bisher noch keine Aktivitäten unternommen , um die in der Weimarer Reichsverfassung und im Grundgesetz aufgeführte Ablösung der Staatsleistungen umzusetzen. Eine mögliche Ablösung kann derzeit nur im Einvernehmen mit der Kirche erfolgen. 10. Welche Aktivitäten hat die Landesregierung bisher unternommen, um den Landtagsbeschluss „Verhältnis zwischen Kirche und Staat evaluieren" vom 12.12.2013 (Drs. 18/1411) umzusetzen? Drucksache 18/1790 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Die Landesregierung hat abgesehen von formlosen Gesprächen mit möglichen Beteiligten im Vorwege im ersten Quartal 2014 keine weiteren Aktivitäten unternommen, um den Landtagsbeschluss "Verhältnis zwischen Kirche und Staat evaluieren" vom 12.12.2013 (Drs. 18/1411) umzusetzen. Die Rechtsgrundlage der Zahlungen stellen der Vertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den evangelischen Landeskirchen in Schleswig-Holstein vom 23. April 1957 und der Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Schleswig-Holstein vom 12....