SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1884 18. Wahlperiode 23. Mai 2014 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Finanzministerin Steuervollzugsdefizite 1. Ist seit 2008 mit temporären Nichtaufgriffsgrenzen („Grüne Wochen“ oder „Durchwinktage“ genannt) oder einer vorübergehend nur grob überschlägigen Prüfung gearbeitet worden, um den Arbeitsanfall zu bewältigen? Wenn ja, bei welchen Finanzämtern war dies in welchem Umfang (Zahl der Tage, Zahl der betroffenen Steuererklärungen, Höhe der darin erklärten Steuern) wann der Fall? Erhebungen zu von den Finanzämtern im Rahmen ihrer Organisationskompetenz getroffenen Maßnahmen liegen nicht vor. 2. In welchen Bereichen werden in Schleswig-Holstein Bagatell- oder Nichtauf- griffsgrenzen angewandt, die von denjenigen anderer Länder abweichen? Erkenntnisse über die in anderen Ländern getroffenen Regelungen liegen nicht vor. 3. Was entgegnet die Landesregierung dem Vorwurf des Bundesrechnungshofs, eine Prüfung ausschließlich automatisiert als risikoreich eingestufter Angaben verletze den Untersuchungsgrundsatz nach § 88 Abgabenordnung, wonach die Angaben in den Steuererklärungen zumindest daraufhin zu prüfen seien, ob sie unklar, widersprüchlich oder unvollständig sind? Wie steht die Landesregierung zu der Forderung des Bundesrechnungshofs, das Risikomanage- ment müsse um eine persönliche Sichtung der Sachverhalte, bei denen eine maschinelle Schlüssigkeitsprüfung nicht möglich sei, ergänzt werden? Der Einsatz eines programmgesteuerten Risikofilters im Rahmen eines maschinellen Risikomanagements führt nur dann zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und gegen den Untersuchungsgrundsatz , wenn der Risikofilter grundsätzlich und damit unabhängig vom steuerlichen Erfolg nicht in der Lage wäre, auch in offenkundigen Zweifelsfragen unrichtige Steuerfestsetzungen zu verhindern. Diese Folge tritt jedoch auch nach Auffassung des Bundesrechnungshofs nicht ein. Eine ausreichende Prüfungsdichte wird aufgrund generalpräventiver Aussteuerungsprinzipien (u.a. Zufallsauswahl, Turnusprüfung und personelle Fallauswahl) erreicht . Dem Bearbeiter im Finanzamt ist durch das Risikomanagementsystem die Möglichkeit gegeben, Steuerfälle personell als risikorelevant zu kennzeichnen. Zudem erfolgt eine personelle Prüfung bei wesentlichen Sachverhalten, die erstmalig auftreten bzw. Sachverhalten, die nicht oder nicht ausreichend verkennziffert sind. Eine laufende und intensive Qualitätskontrolle hinsichtlich der Risikofilter ist erforderlich und wird auch im Rahmen der verschiedenen Bund-LänderArbeitsgruppen durchgeführt. 4. Wird die automatisierte Zufallsauswahl von Fällen, die ungeachtet ihres steu- erlichen Risikos ausgesteuert werden (Zufallsauswahl), nur auf ihre Schlüssigkeit oder intensiv geprüft? In Schleswig-Holstein sind Fälle der Zufallsauswahl intensiv zu prüfen. Dabei entscheidet der Bearbeiter nach eigenem Ermessen unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalles und im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen über den Umfang der Prüfung. 5. Auf welchen Wert beläuft sich die Prüfungsquote bei der Umsatzsteuer- Sonderprüfung? Von den 188.690 auf den Stichtag 01.01.2013 mit einem Umsatzsteuersignal geführten Steuerfällen wurden im Jahr 2013 insgesamt 2.571 Fälle geprüft. Dies entspricht einer Prüfungsquote von 1,36 %. 6. Zu welchen Mehreinnahmen führt eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Durchschnitt? Im Jahr 2013 führten die Umsatzsteuer-Sonderprüfungen zu einem durchschnittlichen Mehrergebnis je Prüfung i. H. v. 12.912 €. 7. Wie viele Einkunftsmillionäre werden im Land veranlagt und welcher Anteil der insgesamt veranlagten Einkommenssteuer entfällt auf sie? Vorbemerkung zu den Fragen 7. bis 9.: Im Rahmen der Einordnung der Betriebe in Größenklassen wird regelmäßig (im Abstand von drei Jahren) auch die Anzahl der Fälle mit bedeutenden Einkünften (so genannte bE-Fälle) ermittelt. Ein bE-Fall liegt vor, wenn die Sum- me der positiven Einkünfte gem. § 2 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 Einkommensteuergesetz 500.000 € übersteigt. Vor Einführung des Euro wurden diese Fälle als „Einkunftsmillionäre“ bezeichnet. Nach dem Ergebnis des auf den Stichtag 1.1.2013 durchgeführten Einordnungslaufs werden in Schleswig-Holstein 226 bE-Fälle steuerlich geführt. Ihr Anteil an der veranlagten Einkommensteuer für 2013 kann nicht ermittelt werden, weil die Veranlagungsarbeiten noch nicht abgeschlossen sind. 8. Wie häufig müssen Einkunftsmillionäre statistisch betrachtet mit einer Außenprüfung rechnen (bitte für die Jahre 2008-2013 einzeln mitteilen)? Die Prüfungsdichte in diesem Bereich hat sich wie folgt entwickelt: Stichtag der Einord- nung der Betriebe in Größenklassen Kalenderjahr Anzahl der bE- Fälle Anzahl der Prüfungen Prüfungsturnus in Jahren 01.01.2007 2008 193 32 6,03 01.01.2007 2009 193 23 8,39 01.01.2010 2010 320 27 11,85 01.01.2010 2011 320 23 13,91 01.01.2010 2012 320 21 15,24 01.01.2013 2013 226 24 9,42 9. Zu welchen Mehreinnahmen führt die Außenprüfung eines Einkunftsmillionärs im Durchschnitt? Im Jahr 2013 führte die Prüfung der in der Antwort zur Frage 8. genannten Fälle mit bedeutenden Einkünften zu einem Mehrergebnis von durchschnittlich 165.816 €. 10. Gibt es unbesetzte Stellen im Bereich der Steuerfahndung? Wenn ja, um wie viele Stellen handelt es sich und welchen Teil der Gesamtstellen in diesem Bereich machen sie aus? Im Bereich der Steuerfahndung sind am Stichtag 1.1.2014 von dem zugewiesenen Personalsoll in Höhe von 126,60 Stellenanteilen insgesamt 12,75 Stellenanteile nicht besetzt gewesen. Dies entspricht einem Anteil von 10,07 %. 11. In welchem Umfang wurden seit 2008 interne Organisationsuntersuchungen in den Finanzämtern in Schleswig-Holstein durchgeführt? a) Welcher "Standard" (durchschnittlicher Zeitaufwand) bei der Bearbeitung von Fällen wurde hierbei ermittelt? b) In welcher Höhe wurde eine Personaldefizit / -überschuss festgestellt? c) Wie unterscheiden sich diese Feststellungen von jenen in anderen Bun- desländern? In den Finanzämtern des Landes Schleswig-Holstein sind seit 2008 keine internen Organisationsuntersuchungen durchgeführt worden. Eine Beantwortung zu a) bis c) ist deshalb nicht möglich. Das Finanzministerium hat aber zwischen 2010 und 2012 das Projekt „Zukunft Steuerverwaltung 2020“ durchgeführt. Der Finanzausschuss ist über das Modul 1 (Inhalt: Optimierung der Arbeitsbereiche in den Finanzämtern; Umdruck 17/1977) unterrichtet worden.