SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/1932 18. Wahlperiode 2014-06-04 Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Innenminister Datenschutz beim Ausländerzentralregister Im Ausländerzentralregister (AZR) sind etwa 20 Millionen personenbezogene Datensätze zu Ausländern gespeichert, darunter auch Daten von knapp 5 Millionen EUBürgern . Datenschützer kritisieren das AZR seit langem als behördliche Ausländerdiskriminierung . Auch der Europäische Gerichtshof beschloss im Dezember 2008 (Rechtssache C-524/06), eine Nutzung der Daten zur Kriminalitätsbekämpfung sowie zu statistischen Zwecken sei unzulässig. Vorbemerkung der Landesregierung: Mit seinem Urteil vom 16.12.2008 (Az. 524/06) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften auf ein Ersuchen um Vorabentscheidung durch das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen entschieden, das Daten von Unionsbürgern nur dann in einem Ausländerzentralregister gespeichert werden dürfen, wenn  sie für die Anwendung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften durch die genannten Behörden erforderlich sind und  der zentralisierte Charakter des Registers eine effizientere Anwendung von Vorschriften in Bezug auf das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern erlaubt. Andere Verwendungen der Daten von Angehörigen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind nicht zulässig Auf Ausländerinnen und Ausländer, die nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind, ist das Urteil nicht anwendbar. Drucksache 18/1932 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 1. Welche öffentlichen Stellen des Landes haben seit 2010 Datensätze in das AZR eingepflegt? Um wie viele Datensätze handelte es sich dabei (bitte nach Stelle und Jahr aufschlüsseln)? Antwort: Zu Teil 1 der Frage: Öffentliche Stellen des Landes, die seit 2010 Datensätze in das Ausländerzentralregister eingepflegt haben, sind: a) Landesamt für Ausländerangelegenheiten Schleswig-Holstein b) Staatsanwaltschaften und Gerichte in Schleswig-Holstein gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 AZRG in den Fällen von Ausländerinnen und Ausländern, die zur Festnahme oder Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben sind. c) Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht zusätzlich zu b) in den Fällen von Ausländerinnen und Ausländern, die ausgeliefert oder durch den Geltungsbereich des AZRG durchgeliefert worden sind. Zu Teil 2 der Frage: Über die Anzahl der Eingaben in das Ausländerzentralregister liegen keine Angaben vor. Die für die Nutzung des Ausländerzentralregisters zugelassenen Stellen sind nicht verpflichtet, Aufzeichnungen über Dateneingaben zu führen und vorzuhalten. Die nach § 13 Abs. 1 AZRG für die Registerbehörde bestehende Verpflichtung zur Protokollierung gilt nur für Datenabrufe aus dem Ausländerzentralregister, nicht für Datenübermittlungen an das Register (siehe hierzu auch Antwort zu Frage 2 Teil 2). 2. Welche öffentlichen Stellen des Landes haben seit 2010 Daten aus dem AZR abgerufen? Welcher Aufgabe der jeweiligen öffentlichen Stelle nach §8 AZRG diente das Ersuchen und welche Rechtsgrundlagen regelten dabei das Vorgehen der Behörden (bitte aufschlüsseln)? Antwort: Zu Teil 1 der Frage: Siehe Antwort zu Frage 1, Teil 1 Zusätzlich hat das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein bis zum 31. August 2013 als zentrale Stelle für alle Polizeidienststellen des Landes Datenabrufe beim Ausländerzentralregister vorgenommen. Seit dem 1. September 2013 haben alle Dienststellen der Landespolizei die Möglichkeit zum Datenabruf beim Ausländerzentralregister. Zu Teil 2 der Frage: Die Übermittlung von Daten aus dem Ausländerzentralregister an eine öffentliche Stelle richtet sich nach den §§ 10 und 11 AZRG; in den Fällen einer Gruppenauskunft nach § 12 AZRG. Den Abruf im automatisierten Verfahren regelt § 22 AZRG. Gemäß der §§ 10 Abs. 1 und 22 Abs. 4 AZRG ist die Datenübermittlung auch im automatisierten Verfahren nur zulässig, wenn die Kenntnis der Daten zur Aufgabenerfüllung durch die abrufende Stelle erforderlich ist. Aus diesem Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1932 Grunde ist bei einem Übermittlungsersuchen, wenn es über die Grunddaten nach § 14 AZRG hinausgeht, ein Zweck anzugeben. Die Registerbehörde (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) ist in diesem Zusammenhang nach § 13 Abs. 1 AZRG verpflichtet, über die von ihr auf Grund der Übermittlungsersuchen vorgenommenen Abrufe, die Abrufe anderer Stellen und über die Mitteilungen nach § 11 AZRG Aufzeichnungen zu führen . Allerdings dürfen die Aufzeichnungen nach § 13 Abs. 2 AZRG nur für die dort bezeichneten Auskünfte an Betroffene oder zur datenschutzrechtlichen Kontrolle der Zulässigkeit der Abrufe verwendet werden. Eine Aufschlüsselung nach den Zwecken von Datenabrufen ist aus diesen Gründen nicht möglich. Darüber hinaus sind nach § 16 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Ausländerzentralregister (AZRG-DV) unter anderem die Aufzeichnungen nach § 13 AZRG sechs Monate nach ihrer Entstehung zu löschen . 3. Welche öffentlichen Stellen des Landes sind zum Abruf von Daten aus dem AZR im automatisierten Verfahren gem. §10 AZRG zugelassen? a) Mit welcher Begründung wurde die Angemessenheit des automatisierten Verfahrens jeweils beantragt (bitte jeweils für jede der betreffenden Stellen darlegen)? b) Wie viele Maßnahmen wurden auf Grundlage der entsprechenden Zulassung jeweils getroffen und an welchen Standorten erfolgten bzw. erfolgen diese (bitte aufschlüsseln)? Antwort: Zu Teil 1 der Frage: Siehe Antworten zu den Fragen 1 Teil 1 und 2 Teil 1. Zusätzlich wurde die Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums mit Schreiben vom 12. Mai 2014 zum Abruf von Daten im automatisierten Verfahren zugelassen. Bisher wurden hier die technischen Voraussetzungen noch nicht umgesetzt, sodass ein direkter Zugriff aktuell noch nicht möglich ist. Zu Frage 3a: Nach § 22 Abs. 2 AZRG darf das automatisierte Verfahren nur eingerichtet werden, soweit es wegen der Vielzahl der Übermittlungsersuchen oder der besonderen Eilbedürftigkeit unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen angemessen ist und Maßnahmen zur Datensicherung getroffen wurden. Da individuelle Begründungen insoweit nicht vorgesehen sind, dürften in allen Fällen ausschließlich quantitative Gründe und/oder die Eilbedürftigkeit der Datenprüfung ausschlaggebend gewesen sein. Zu Frage 3b: Siehe Antworten zu Frage 1 Teil 2 und Frage 2 Teil 2. Die Verfassungsschutzabteilung hat bisher von der Möglichkeit des Datenabrufes im automatisierten Verfahren noch keinen Gebrauch gemacht. Drucksache 18/1932 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4. In welchen Fällen wurden Gruppenauskünfte gem. §11 AZRG beantragt, wie wurde dies jeweils begründet und welchen der Anträge wurde stattgegeben (bitte aufschlüsseln)? Antwort: In welchen Fällen um Gruppenauskünfte nach § 12 AZRG ersucht wurde, lässt sich aus den in der Antwort zu Frage 2 Teil 2 genannten Gründen nicht ermitteln. 5. Welche öffentlichen Stellen der Kreise/kreisfreien Städte als Untere Landesbehörden rufen Datensätze aus dem AZR ab? a) Welchen Aufgaben nach §8 AZRG dienen diese Ersuchen (möglichst auf- schlüsseln)? b) Wie viele dieser Behörden sind mit welcher Begründung zum Abruf im au- tomatisierten Verfahren gem. §10 AZRG zugelassen? Antwort: Zu Teil 1: Alle fünfzehn Ausländerbehörden der schleswig-holsteinischen Kreise und kreisfreien Städte rufen zum Zweck der Erfüllung ihrer Aufgaben Daten aus dem Ausländerzentralregister im automatisierten Verfahren ab. Der Verwendungszweck ist beim Abruf anzugeben (§ 22 Abs. 4 AZRG). Daneben haben die Träger der Sozialhilfe, die Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende und die für die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes zuständigen Stellen ebenfalls die Möglichkeit, auf Daten des Ausländerzentralregisters auch im automatisierten Verfahren zuzugreifen, jedoch nur in einem durch § 18a AZRG begrenzten Umfang. Welche dieser Stellen von der Möglichkeit des Zugriffes auf das Ausländerzentralregister Gebrauch machen , war in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu ermitteln. Zu Frage 5a: Die Abrufe dienen der Erfüllung unterschiedlichster Aufgaben in Rechtsbereichen , die Ausländerinnen und Ausländer betreffen. Eine Aufschlüsselung ist aus den in der Antwort zu Frage 2, Teil 2 genannten Gründen nicht möglich. Zu Frage 5b: Alle fünfzehn Ausländerbehörden der schleswig-holsteinischen Kreise und kreisfreien Städte sind aus den in § 22 Abs. 2 AZRG genannten Gründen zum Abruf von Daten aus dem Ausländerzentralregister im automatisierten Verfahren zugelassen (siehe auch Antwort zu Frage 3a). Hinsichtlich der Träger der Sozialhilfe, der Grundsicherung für Arbeitssuchende und der Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes wird auf Teil 1 der Antwort zu dieser Frage verwiesen. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/1932 6. Welchen regelmäßigen Formen der Datenschutzkontrolle unterliegen die öffentlichen Stellen des Landes sowie der Kreise und kreisfreien Städte als Untere Landesbehörden bzgl. der Abrufe aus dem AZR? Antwort: Regelmäßige Formen der spezifischen Datenschutzkontrolle hinsichtlich der Kommunikation öffentlicher Stellen mit dem Ausländerzentralregister sind weder dem AZRG noch anderen aufenthalts- oder asylrechtlichen Regelungen zu entnehmen. Die Verantwortung für die Zulässigkeit einzelner Abrufe trägt nach § 22 Abs. 3 AZRG die abrufende Stelle. Entsprechende Abrufe dürfen nur von Bediensteten vorgenommen werden, die vom Leiter ihrer Behörde hierzu besonders ermächtigt wurden. Technisch ist der Datenaustausch öffentlicher Stellen mit dem Ausländerzentralregister durch Nutzung eines abgeschirmten Behördennetzes gesichert, das nur mit einem entsprechenden Zertifikat verwendet werden kann. 7. In welcher Form hat die Landesregierung auf das Urteil des Europäischen Ge- richtshofs von 12/2008 (Rechtssache C-524/06) [1] reagiert? Welche weiteren Schritte sind geplant? Antwort: Die inhaltliche Umsetzung des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ist nach Auswertung durch das Bundesinnenministerium in Schleswig-Holstein bis zur gesetzlichen Umsetzung mit Erlass des Landesinnenministeriums vom 15. Juni 2009 geregelt worden. Die gesetzliche Umsetzung der genannten Rechtsprechung erfolgte mit dem Gesetz zur Änderung des AZRG vom 20. Dezember 2012, inkraftgetreten am 1. September 2013.