SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2070 18. Wahlperiode 2014-07-09 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Innenminister Atomtransporte durch Schleswig-Holstein (Nachfrage) Vorbemerkung: Gegenstand der Fragen sind Transporte von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen ab 2010 über das Gebiet von Schleswig-Holstein (Wasser, Land, Luft). 1. Welche Sicherheitsmaßnahmen werden getroffen, um bei Wartezeiten, Rangiertätigkeiten oder Umladetätigkeiten Unfälle, die Entwendung oder die mögliche Freisetzung der radioaktiven Stoffe zu verhindern? Antwort: Die Sicherheitsmaßnahmen orientieren sich insbesondere an den Sicherheitsvorgaben des ADR 2013 (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße). Weitere Sicherheitsmaßnahmen und Verhaltensvorschriften ergeben sich aus den nationalen Vorschriften zum Gefahrgutrecht (z.B. Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter, Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt , Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter mit Seeschiffen) und den Nebenbestimmungen des Bundesamtes für Strahlenschutz in den Transportgenehmigungen. 2. Wie werden die jeweiligen Auftraggeber der Transporte an den Kosten der Si- cherung und Durchführung der Transporte beteiligt? Antwort: Da die Transporte, sofern sie nicht unter das Atomgesetz (AtG) oder die Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) fallen, gemäß GGBefG bzw. der Ge- Drucksache 18/2070 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode fahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB) nicht genehmigungspflichtig sind, sind die Transporte durch die am Transportvorgang Beteiligten (Verpacker, Verlader, Beförderer, Empfänger) unter Berücksichtigung der jeweiligen international geltenden Gefahrguttransportvorschriften in eigener Verantwortung durchzuführen. Die Kosten für den Transport unterfallen daher unmittelbar den Auftraggebern beziehungsweise deren Beauftragten . 3. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dem Brand der Atlantic Cartier im Hamburger Hafen am 1.Mai 2013? Antwort: Bei dem Brand ist keine Freisetzung von Kernbrennstoffen oder sonstigen radioaktiven Stoffen erfolgt. In diesem Zusammenhang ist aus Sicht der Landesregierung keine Sicherheitslücke bei den Gefahrguttransport- und Meldevorschriften erkennbar. Auch von den schleswig-holsteinischen Hafenbetreibern wird bisher kein Handlungsbedarf gesehen. 4. Gibt es in Schleswig-Holstein ein Gefahrgutinformationssystem? Welche Transporte werden darin gespeichert? Falls nein, wie erhalten Rettungskräfte die benötigten Informationen? Antwort: Die Zentrale Gefahrgutauskunftsstelle (ZGA) der Polizei ist bei dem Hafensicherheitsdienst des Wasserschutzpolizeireviers Lübeck-Travemünde eingerichtet . Sie steht allen Polizeidienststellen rund um die Uhr zur Verfügung. Ihre Einrichtung dient insbesondere dazu,  Maßnahmen des Ersten Angriffs bei Gefahrgutunfällen zu verbessern,  aktuelle Hinweise für die Eigensicherung der eingesetzten Beamten und weiterer Einsatzkräfte zu erlangen,  erste Maßnahmen für eine rechtzeitige und fachgerechte Beseitigung unfallbedingt freigesetzter Gefahrstoffe zu initiieren,  Unterstützung für Kontrollkräfte im Rahmen von Gefahrgutkontrollen zu gewähren. Es werden keine Transportdaten bei der ZGA gespeichert. Die Regionalleitstellen/Einsatzleitstellen bedienen sich der ZGA bei Zwischenfällen oder Unfällen mit gefährlichen Gütern und vermitteln benötigte Informationen an die eingesetzten Polizeikräfte weiter. Die Löschzüge Gefahrgut der Feuerwehren in den Kreisen und kreisfreien Städten halten das Informationssystem TUIS bei der Bewältigung von Gefahrgut -Einsatzlagen vor. Im Zentralen Meldesystem für Gefahrgut und Schiffsverkehre der Bundesrepublik Deutschland (ZMGS) sind nach Anlaufbedingungsverordnung gefährliche und/oder umweltschädliche Güter nach den international vorgeschrie- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2070 benen Codes anzumelden. Das Modul „Gefahrgut“ stellt eine Recherchemöglichkeit für die Suche nach national angemeldeten Gefahrgutreisen und eine Verknüpfung des jeweiligen Gefahrstoffes zur Datenbank RESY „Rufbereitschafts - und Ersteinsatzinformationssystem“ zur Verfügung. 5. Wer wird vor Durchführung der Transporte informiert? Antwort: Eine Informationspflicht nach GGBefG oder GGVSEB besteht nicht. Sofern es genehmigungspflichtige Transporte nach dem AtG sind, informiert die Genehmigungsbehörde (Bundesamt für Strahlenschutz) die betroffenen Lagezentren der Länderpolizeien. 6. Wie viele und welche gültige Genehmigungen für den Transport radioaktiver Stoffe liegen der Umweltbehörde derzeit vor? Bitte auflisten mit Genehmigungsnummer , Beginn und Ende der Genehmigungsdauer, maximale zulässige Transportzahl und Menge (in Kilogramm oder Tonnen), Absender und Empfänger , Transportmittel und Art des Stoffes sowie die Behälterbezeichnung. Antwort: Zu unterscheiden ist zwischen den Genehmigungen für den Transport von Kernbrennstoffen und den Genehmigungen für den Transport der sonstigen radioaktiven Stoffe (vgl. § 2 Abs. 1 AtG). Genehmigungen für den Transport von Kernbrennstoffen werden vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erteilt. Das BfS führt eine Übersicht über die aktuell gültigen Beförderungsgenehmigungen, die im Internet unter http://www.bfs.de/de/transport/transporte/tg.pdf öffentlich und einsehbar ist. Eine gesonderte Statistik über Kernbrennstofftransporte durch SchleswigHolstein wird nicht geführt. In Bezug auf die sonstigen radioaktiven Stoffe liegen folgende von SH erteilte Genehmigungen vor: WT 224.6/20-RS Gültigkeit 22.04.2014 bis 21.04.2017 Werkstoffprüferquellen bis max. 1e9 FG Nur selbst verwendet: kein Absender, kein Empfänger gedeckte Kraftfahrzeuge (Fahrzeuge mit allseitig geschlossenem und verschließbarem Aufbau) Typ–A bzw. Typ–B – Behälter WT 733.6/3-RS 02.12.2011 bis 01.12.2014 Keine Vorgaben zum Beförderungsgut max. 1e9 FG bzw. 1000 TBq Keine Vorgaben zum Absender und Empfänger gedeckte Kraftfahrzeuge (Fahrzeuge mit allseitig geschlossenem und verschließbarem Aufbau) Transportbehälter gemäß GGVSEB und ADR Drucksache 18/2070 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode WT 837.6/0-RS 17.02.2014 bis 16.02.2017 Keine Vorgaben zum Beförderungsgut max. 1e9 FG bzw. 1000 TBq Keine Vorgaben zum Absender und Empfänger gedeckte Kraftfahrzeuge (Fahrzeuge mit allseitig geschlossenem und verschließbarem Aufbau) Transportbehälter gemäß GGVSEB und ADR WT 829.6/1-RS 29.05.2013 bis 28.05.2016 Werkstoffprüferquellen bis max. 3,8e8 FG Nur selbst verwendet: kein Absender, kein Empfänger gedeckte Kraftfahrzeuge (Fahrzeuge mit allseitig geschlossenem und verschließbarem Aufbau) Typ–A bzw. Typ–B – Behälter WT 731.0/3-RS 28.03.2013 bis 27.03.2016 Schulungsquellen bis max. 1e6 FG Nur selbst verwendet: kein Absender, kein Empfänger gedeckte Kraftfahrzeuge (Fahrzeuge mit allseitig geschlossenem und verschließbarem Aufbau) Typ–A – Behälter WT 446.16/6-RS 04.07.2014 bis 03.07.2017 Keine Vorgaben zum Beförderungsgut max. 1e9 FG bzw. 1000 TBq Keine Vorgaben zum Absender und Empfänger gedeckte Kraftfahrzeuge (Fahrzeuge mit allseitig geschlossenem und verschließbarem Aufbau) Transportbehälter gemäß GGVSEB und ADR Eine Angabe von Mengen beim Umgang mit und bei der Beförderung radioaktiver Stoffe ist weder sinnvoll noch möglich, da die radioaktiven Stoffe selbst nur sehr geringe Massen haben. Beschränkungen sind vorgegeben durch Aktivitätsangaben oder in Form von Freigrenzenvielfachen (FG). Maximale Aktivität ist, sofern nicht anders beschränkt, 1000 TBq. Die Transportkennzahl TI ist auf max. 10 beschränkt. Gemäß § 16 Abs. 1 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) kann eine Genehmigung für längstens 3 Jahre ausgestellt werden, wovon bei allen hier erteilten Genehmigungen Gebrauch gemacht wird. 7. Wie viele Kontrollen von Transporten mit radioaktiver Ladung wurden seit 2010 und dem Eingang dieser kleinen Anfrage jeweils durchgeführt? Antwort: In Schleswig-Holstein werden durch die Landespolizei im Rahmen der spezialisierten Verkehrsüberwachung Gefahrgutkontrollen im Schwer- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2070 lastbereich in den Gefahrgutklassen 1 bis 9 durchgeführt. Darunter fallen auch Beförderungseinheiten der Gefahrgutklasse 7 (radioaktive Stoffe). Statistische Erhebungen zur Frage der Kontrollen von Klasse-7-Kontrollen bestehen nicht. 8. Wie oft wurden bei diesen Kontrollen Mängel festgestellt? (Bitte pro Monat auflisten.) Antwort: Siehe Antwort zu Frage 7. Im Rahmen einer bzgl. der Frage 7 erfolgten Nachfrage kann für den gesamten erfragten Zeitraum lediglich eine wesentliche Beanstandung bei einem Seeschiff durch die Wasserschutzpolizei im NOK (März 2014), benannt werden . Im Rahmen der durchgeführten Kontrolle wurde festgestellt, dass das Schiff die atomrechtliche Transportgenehmigung lediglich in Kopie mitführte. Des Weiteren war rechnerisch die Kritikalitätssicherheitskennzahl (CSI) unterschritten , da der geforderte Abstand zwischen den Containern nicht ausreichend eingehalten worden war. Nach Absprache mit der zuständigen Behörde für Schiffssicherheit, wurde eine Weiterfahrt bis zum Zielhafen genehmigt. 9. Wie oft wurden in diesen kontrollierten Fällen sicherheitsrelevante Mängel festgestellt? (Bitte pro Monat auflisten.) Antwort: Siehe Antworten zu Frage 7 und 8. 10. Wie oft wurden in diesen kontrollierten Fällen formale Mängel festgestellt? (Bitte pro Monat auflisten.) Antwort: Siehe Antworten zu Frage 7 und 8. 11. Welche Position hat die Landesregierung zu der Frage, ob Transporte radio- aktiver Stoffe durch den Nord-Ostsee-Kanal verboten werden sollten? Antwort: Die bisher ganz überwiegend beanstandungslosen Transporte radioaktiver Stoffe auf Seeschiffen durch den NOK, geben derzeit aus Sicht der Landesregierung keinen Anlass die genannten Transporte einzuschränken. 12. Im Koalitionsvertrag heißt es (Zeilen 1602-1603): „Wir werden für maximale Transparenz sowohl beim Rückbau der stillgelegten Meiler als auch bei Betrieb , Wartung und Störfällen des AKW Brokdorf sowie Atomtransporten sorgen .“ Was versteht die Landesregierung unter Transparenz bezüglich der Drucksache 18/2070 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Atomtransporte und wie will sie diese in Bezug auf die Atomtransporte umsetzen ? Antwort: Die Landesregierung informiert im Sinne der zitierten Koalitionsvereinbarung die Öffentlichkeit mittels Medien-Informationen laufend über Vorgänge in den kerntechnischen Anlagen, insbesondere über meldepflichtige Ereignisse, aber auch über die Durchführung der Jahresrevision in Brokdorf oder den Stand des Genehmigungsverfahrens zur Stilllegung und dem Abbau des Kernkraftwerks Brunsbüttel. Die Landesregierung beteiligt sich zudem an Initiativen der Betreiber zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung, zuletzt beispielsweise durch Teilnahme an einer Informationsveranstaltung Vattenfalls im Zusammenhang mit der Stilllegung des Kernkraftwerks Brunsbüttel am 03.06.2014 in Brunsbüttel. Die Antragsunterlagen zum Genehmigungsverfahren werden zudem schon vor Beginn der eigentlichen Öffentlichkeitsbeteiligung ins Internet eingestellt, siehe: http://www.schleswig-holstein.de/Energie/DE/Energiewende_ /Atomenergie_Kohle_CCS/Atomausstieg/atomausstieg_node.html 13. Plant die Landesregierung in Zukunft mehr Informationen über Atomtransporte zu erheben? Antwort: Aus der Zuständigkeit der Landesregierung für die Beförderung von Kernbrennstoffen im Luftverkehr und im Schienenverkehr der nicht bundeseigenen Eisenbahnen (siehe § 2 Abs. 1 Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Atomgesetz) ergibt sich – da diese Transportwege in der Praxis nicht genutzt werden – keine Notwendigkeit, zukünftig mehr Informationen zu erheben. Aus der Zuständigkeit der Landesregierung für die Beförderung von Kernbrennstoffen im Straßen- und Schiffsverkehr (siehe § 2 Abs. 3 Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Atomgesetz) ergibt sich, da grundsätzlich durch die Beförderungsgenehmigung des zuständigen Bundesamtes für Strahlenschutz in Verbindung mit der erforderlichen rechtzeitigen Anmeldung solcher Kernbrennstofftransporte nach oder durch SchleswigHolstein ausreichend Informationen zur Aufgabenerfüllung aus Anlass der Transportdurchführung vorliegen, keine darüber hinausgehende Notwendigkeit zur Erhebung weiterer Informationen. 14. Welche Häfen in Schleswig-Holstein haben eine Genehmigung, radioaktive Stoffe umzuschlagen? Bei welchen Häfen ist bekannt, dass sie dies tun? Antwort: In den Häfen Puttgarden und Lübeck-Travemünde findet Umschlag von Gütern der Klasse 7 statt. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2070 15. In welcher Form nimmt die Landesregierung ihre Aufgabe als Atomaufsicht im Bezug auf Atomtransporte wahr? Antwort: Die Landesregierung hat auf Grundlage des § 28 LVwG die Zuständigkeiten für die Atomaufsicht durch die „Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Atomgesetz“ geregelt. Demnach ist die Polizei Aufsichtsbehörde nach § 19 Abs. 1 bis 3 des Atomgesetzes, soweit es sich um die Beförderung von Kernbrennstoffen im Straßen- und Schiffsverkehr handelt.