SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2187 18. Wahlperiode 2014-08-27 Kleine Anfrage des Abgeordneten Hauke Göttsch (CDU) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Entwicklung der Bienenweiden in Schleswig-Holstein 1. Welche Faktoren, die den Bienenbestand in Schleswig-Holstein beeinflussen, sind der Landesregierung bekannt? Konkrete Informationen zu den Faktoren, die den Bestand an Bienenvölkern posi- tiv oder negativ beeinflussen, liegen bezogen auf Schleswig-Holstein nicht vor. Es handelt sich dabei um ein multifaktorielles Geschehen. Es können jedoch andere verfügbare Quellen herangezogen werden, die sich mit Einflussfaktoren auf den Bienenbestand befassen. Dazu wird auf den Bericht der Landesregierung vom 21. Februar 2014 auf den Antrag des Landtages „Bienen nachhaltig schützen!“ Ziffer Nr. 3 Mögliche Einflussfaktoren auf den Bestand an Bienenvölkern verwie- sen (Umdruck 18/2451). 2. Trifft es zu, dass in den letzten Jahren Blühflächen als Bienenweiden verloren gegangen sind? Wenn ja, in welchem Umfang (bitte konkrete Flächenangabe), wie haben sich diese Flächen in den letzten 20 Jahren entwickelt und mit welchen konkreten Zahlen kann dies für welche Jahre belegt werden? Ja. Bienenweiden sind in den beiden letzten Jahrzehnten auf vielfältige Weise verlo- ren gegangen. Die Ursachen dafür stehen vor allem im Zusammenhang mit Än- derungen der EU-Agrarförderung und den zeitgleich stattfindenden Intensivierun- Drucksache 18/2187 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 gen in der Landbewirtschaftung. In diesem Zeitraum sind folgende Verlustursa- chen festzustellen: Verlust an Flächenstilllegungen Zwischen 1993 und 2007 gab es die Verpflichtung zur Stilllegung von Ackerflä- chen als agrarpolitisches Instrument zur Produktionssenkung. Um die flächenge- bundenen Ausgleichszahlungen zu erhalten, mussten die landwirtschaftlichen Be- triebe nach einem jährlich festzulegenden Umfang zwischen 5 und 20 Prozent ih- rer Ackerfläche stilllegen. Darüber hinaus konnten Betriebe freiwillig insgesamt bis zu 30 Prozent ihrer Ackerfläche stilllegen. Für Schleswig-Holstein folgte dar- aus ein Flächenumfang von 40.000 bis 90.000 Hektar, der alljährlich aus der Pro- duktion genommen wurde. Auch wenn zeitweise bis zu einem Drittel der stillge- legten Flächen mit nachwachsenden Rohstoffen eingesät und andere mit einer einheitlichen Gräsermischung begrünt wurden, gab es in einem erheblichen, al- lerdings nicht quantifizierbaren Umfang Rotationsbrachen, die mit ein- oder meh- reren Blütenpflanzen wie Phacelie, Ölrettich, Senf, Serradella, Blauer Bitterlupine, Perser und Inkarnatklee bestellt wurden. Sie alle kommen als Trachtpflanzen für die Honigbiene in Frage. Bis 1996 bestand zudem die Möglichkeit, Flächen bis zu einem Zeitraum von fünf Jahren dauerhaft stillzulegen. Auf vielen dieser Flächen wurde aus Kostengründen auch die Möglichkeit zur Selbstbegrünung der Flächen genutzt. Hier konnten sich in der Folge in Abhängigkeit vom Standort und der Vornutzung oftmals sehr blütenreiche Vegetationsbestände entwickeln. Verlust an Weidelgras-Weißkleeweiden Mit dem Übergang von der Weide zur Stallhaltung und im Zuge der Nachfrage nach landwirtschaftlichen Nutzflächen nahmen in den letzten 20 Jahren auch die beweideten Weidelgras-Weißkleeweiden in einem erheblichen Umfang ab. Sie wurden entweder in Grassilage- oder in Ackerflächen umgewandelt. Gerade Weißklee, der sich im Grünland nur unter dem Einfluss der Beweidung dauerhaft halten kann, zählt zu den von Honigbienen bevorzugten Trachtpflanzen. Die Ver- luste lassen sich auch hier nicht genau beziffern, da aus den agrarstatistischen Daten nur der Dauergrünlandanteil, aber nicht die Nutzungsform als Weide oder Mähfläche hervorgeht beziehungsweise unter dem Begriff der „Mähweide“ sub- summiert wird. Allerdings weist die Zunahme der Flächen für Futterpflanzen von 126.580 Hektar im Jahr 1993 auf 240.700 Hektar im Jahr 2013 auf einen großflä- chigen Wechsel von der Weide zur Stallhaltung und dem damit verbundenen Ver- lust von Weidelgras-Weißkleeweiden hin. In diesem Zeitraum stieg auch der An- bau von Silomais von 60.100 Hektar (1993) auf 180.700 Hektar (2013), wobei cir- ca die Hälfte der Anbaufläche der Agrargasproduktion zuzurechnen ist. Im glei- chen Zeitraum nahm andererseits das Dauergrünland von 474.300 (1993) auf 317.400 Hektar (2013) ab. Neben diesem quantitativen Verlust von 156.900 Hek- tar Dauergrünland ist mit der bereits genannten Änderung der Viehhaltung auch ein qualitativer Verlust zu verzeichnen, nämlich die schon erwähnte Umwandlung von Weidelgras-Weißkleeweiden in Grassilageflächen. Allerdings lässt sich der Umfang dieser Umwandlung quantitativ nicht beziffern. Darüber hinaus ist aber festzustellen, dass insgesamt das besonders arten- und blütenreiche Dauergrün- land (Wertgrünland) in Schleswig-Holstein nur noch einen geringen Flächenum- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2187 3 fang von schätzungsweise 1,5 bis 2 Prozent des gesamten Dauergrünlandes ein- nimmt. Veränderung der Rapsanbaufläche In dem Zeitraum von 1993 bis 2013 schwankte der Anbau von Raps jährlich in ei- nem erheblichen Umfang von 120.400 Hektar im Jahr 2007 und 60.500 Hektar im Jahr 2012. Im Jahr 2013 erreichte die Anbaufläche wiederum einem Umfang von 113.300 Hektar. Raps ist als Trachtpflanze für die Honigproduktion von großer Bedeutung, kann aber wegen der kurzen Blühphase keine ganzjährige Ernährung der Bienenvölker sicherstellen. 3. Welche kennzeichnenden Pflanzenarten wuchsen auf den verschwundenen Blühflächen als Bienenweide? Die einjährigen Rotationsbrachen im Rahmen der konjunkturellen Flächenstillle- gungen wurden im Zuge der Frühjahrsbegrünung vornehmlich mit Blütenpflanzen wie Phacelie, Ölrettich, Senf, Serradella, Blauer Bitterlupine, Perser und Inkarnat- klee oder Mischungen derselben bestellt. Auf den selbstbegrünten mehrjährigen Ackerbrachen entwickelten sich in Abhängigkeit vom Standort und der Vornut- zung zunächst recht unterschiedliche Ruderalbrachen, die sich überwiegend aus verschiedenen einjährigen Ackerbegleitarten zusammensetzten. Neben zahlrei- chen anderen Blütenpflanzen bildeten insbesondere verschiedene Kamille-Arten vorherrschende Blütenhorizonte, die von Honigbienen intensiv besucht wurden. Im Verlauf der Sukzession gelangten auf den älteren Brachen vor allem Acker- kratzdisteln zur Dominanz, die für Bienen besonders wertvolle Trachtpflanzen darstellen. Auf Weiden ist es insbesondere der Weißklee, der von Honigbienen intensiv be- sucht wird. Im Gegensatz zu Mahdflächen, auf denen der Weißklee durch die Konkurrenz der Gräser ausgedunkelt wird, garantiert die Beweidung über den ge- samten Sommer ein kontinuierliches Blütenangebot an Weißklee. Weidelgras- Weißkleeweiden sind insofern besonders wertvolle Bienenweiden. Auch andere Krautarten, wie Ferkelkraut, Margerite, verschiedene Habichtskräuter, Pippau und Herbstlöwenzahn, die auf Weidelgras-Weißkleeweiden bei einer verhaltenen Düngung vorkommen, sind für Honigbienen wichtige Pollenspender. 4. Wie hat sich der Feldfruchtanbau im gleichen Zeitraum entwickelt und welche Feldfrüchte kommen als Bienenweide in Frage? Die Entwicklung des Feldfruchtanbaus in den vergangenen 20 Jahren ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle. Drucksache 18/2187 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Nutzung des landwirtschaftlichen Bodens Schleswig-Holstein (Flächen in ha) Nutzung 2004 2014 (vorläufig) Landwirtschaftlich genutzte Fläche 1.010.192 988.500 Dauergrünland 367.325 316.600 Ackerland 634.777 664.800 Getreide insgesamt 319.002 298.900 Winterweizen 205.080 190.000 Sommerweizen 2.525 3.900 Roggen 17.059 27.800 Wintergerste 54.794 54.700 Sommergerste 14.028 4.700 Hafer 8.872 7.200 Tricitale 15.094 8.200 Hackfrüchte insgesamt 19.337 14.600 Kartoffeln 6.335 5.700 Zuckerrüben 12.409 8.300 Ölfrüchte zur Körnergewinnung 114.391 99.700 Ackerfutterpflanzen insgesamt *) 133.819 233.200 Grünmais 96.954 176.000 Hülsenfrüchte 2.944 1.900 Flächenstilllegung 35.461 7.600 Quelle: StaNord Pflanzen, die als Trachtpflanzen und Bienenweide dienen sind vor allem Raps (Kategorie Ölfrüchte zur Körnergewinnung), Ackerfutterpflanzen wie z.B. die Le- guminosen Klee oder Lupinen, bestimmte Hülsenfrüchte wie z.B. die Ackerbohne oder Zwischenfrüchte wie z.B. Phacelia oder Senf. 5. Wie haben sich die Flächen der Acker- und Gewässerrandstreifen quantitativ und qualitativ in den letzten 20 Jahren entwickelt und in wieweit sind sie als Blüh- flächen für Bienenweiden geeignet? In den vergangenen 20 Jahren gab es verschiedene Ackerrand- und Uferrand- streifenprogramme, die im Rahmen der Agrarumweltprogramme angeboten wur- den. Bis zum Ende der Agrarförderperiode 1998 wurden für Uferrandstreifen Ver- träge in einem Umfang von maximal 55 Hektar abgeschlossen, für Ackerbrachen in diesem Zeitraum bis knapp 1.000 Hektar. Ab 2010 wurden Ackerbrachen im Zuge der Modulation erneut als Agrarumweltmaßnahmen (Programm „Ackerle- bensräume“) angeboten. 2013 waren knapp 2.100 Hektar unter Vertrag. Im Zu- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2187 5 sammenhang mit den Richtlinien für die Förderung einer markt- und standortan- gepassten Landbewirtschaftung (MSL) wird derzeit das Programm „Schonstreifen“ angeboten, das aber aufgrund der Vorgabe, eine vorgegebene Grasmischung oh- ne Leguminosen einzusäen, als Bienenweide keine Relevanz besitzt. Alle diese Programme haben eine begrenzte Laufzeit von fünf Jahren. Das derzeitige Programm „Ackerlebensräume“ gibt es in den Varianten „Selbstbe- grünung“ und in Form eingesäter Blühflächen. Bei der Auswahl der Blütenpflanzen für die Blühmischung wurde auf ein breites Spektrum unterschiedlicher Blütenfor- men und Blühzeiträume geachtet, um möglichst vielen verschiedenen Insektenar- ten ein adäquates Nahrungsspektrum zu liefern. Mit Sonnenblumen und Buchwei- zen wurden insbesondere auch für Honigbienen attraktive Trachtpflanzen ausge- wählt. Auf den Sukzessionsflächen kommen je nach Standort und vorausgegan- gener Bewirtschaftung verschiedene Blütenpflanzen der Ackerbegleitflora vor und gelangen zeitweise zu Dominanz. Insbesondere verschiedene Kamille-Arten bil- den dominante und für Honigbienen attraktive Blühhorizonte. In der Sukzessions- abfolge werden die einjährigen Ackerbegleitarten von mehrjährigen Ruderalarten abgelöst. Vor allem die Ackerkratzdistel gelangt auf älteren Ackerbrachen und eingesäten Ackerlebensraumflächen zur Dominanz. Sie bildet eine für Honigbiene und Wildbienen /Hummeln gleichermaßen wichtige und ergiebige Blütenpflanze, die sowohl Nektar als auch Pollen liefert und somit zur Ernährung der Bienenvöl- ker beiträgt. Leider besteht seitens der Landwirtschaft gerade gegenüber der Ackerkratzdistel eine geringe Toleranz, die dazu führt, dass diese Flächen wäh- rend der Blüte der Ackerkratzdistel gemulcht werden. Seit 2013 fördert die Landesregierung ein Projekt zu Erprobung von eingesäten Blütenflächen („Greening für Bienen“). Dabei werden kleine, bis zu 0,5 Hektar große Ackerflächen mit einer speziell auf Honigbienen abgestimmten Saatgutmi- schung verschiedener Blütenpflanzen bestellt. Pollenanalysen sollen die Bedeu- tung dieser Blühflächen für die Ernährung der Bienenvölker klären. Konkrete Er- gebnisse werden allerdings erst nach Abschluss der diesjährigen Flugzeit der Bie- nen erwartet.