SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2200 18. Wahlperiode 2014-09-02 Kleine Anfrage der Abgeordneten Astrid Damerow (CDU) und Antwort der Landesregierung - Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Kohärenzausgleich beim Deichbau an der Westküste 1. Wie viele und welche konkreten Deichbaumaßnahmen an der Westküste mit Si- cherung der Kohärenz stehen in den nächsten fünf Jahren an? Bis 2019 sollen für die folgenden acht Deichbaumaßnahmen die Antragsunterlagen für die Zulassungsverfahren zur Durchführung von Baumaßnahmen erstellt werden:  Deichverstärkung Dagebüller Koog (Nord, 2. Bauabschnitt)  Deichverstärkung Hauke-Haien-Koog  Deichverstärkung Hattstedter Marsch (Geestanschluss)  Deichverstärkung Simonsberger Koog  Deichverstärkung Adolfskoog  Deichverstärkung Uelvesbueller Koog  Deichverstärkung Norderheverkoog  Deichverstärkung Utersum Deich. Im Zuge des bereits laufenden Planfeststellungsverfahrens zum Umbau des Sperrwerks Friedrichskoog ist die Festsetzung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen gleichfalls zu erwarten. Nach dem jetzigem Planungs- und Kenntnisstand werden voraussichtlich bei allen vorgenannten Deichverstärkungen Maßnahmen zur Sicherung der Kohärenz erforderlich. 2. Gibt es eine Prioritätenliste und wie sieht diese ggf. aus? Die an der Nordseeküste und der Elbe zur Verstärkung anstehenden Landesschutzdeiche ergeben sich aus der nachfolgend abgedruckten Anlage 5 des Generalplans Küstenschutz des Landes Schleswig-Holstein - Fortschreibung 2012. 3. In welcher Form ist der Ausgleich erforderlich und aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage? Die Verpflichtung zur Festsetzung von Maßnahmen zur Sicherung der Kohärenz ergibt sich aus dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in Verbindung mit dem Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG). In diesen Gesetzen sind die sich aus der europäischen Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) sowie der FloraFauna -Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG) ergebenden Anforderungen in innerstaatliches Recht umgesetzt worden. Nach § 33 BNatSchG sind alle mit erheblichen Beeinträchtigungen verbundene Veränderungen und Störungen eines Natura 2000-Gebietes unzulässig. Projekte, die einzeln oder im Zusammenwirken mit weiteren Projekten zu erheblichen Beeinträchtigungen führen können, sind nach § 34 Abs. 1 BNatSchG auf ihre Verträglichkeit zu prüfen. Können im Ergebnis der Prüfung erhebliche Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden, darf es nach § 34 Abs. 3 BNatSchG nur zugelassen oder durchgeführt werden, wenn es aufgrund des zwingenden über- wiegenden öffentlichen Interesses notwendig ist. Dies ist bei Vorhaben des Küstenschutzes , die dem Schutz von Leib und Leben von Menschen dienen, gegeben. Wird ein mit erheblichen Beeinträchtigungen verbundenes Projekt unter den vorstehenden Voraussetzungen zugelassen, so sind nach § 34 Abs. 5 BNatSchG die zur Sicherung des Zusammenhalts des europäischen Schutzgebietsnetzes notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zur Sicherung der Kohärenz vorzusehenden Maßnahmen sind gem. § 25 Abs. 4 LNatSchG dem Projektträger aufzuerlegen . Sie müssen in der Regel zu dem Zeitpunkt wirksam sein, an dem die Beeinträchtigung des Gebietes durch das Küstenschutzvorhaben eintritt. Art und Umfang der vorzusehenden Kohärenzsicherungsmaßnahmen richten sich nach den mit der jeweiligen Küstenschutzmaßnahme einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen des Natura 2000-Gebietes. Die Kohärenzsicherungsmaßnahmen müssen geeignet sein, die erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in den für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen wiederherzustellen und auszugleichen. Dies ist im jeweiligen Einzelfall mit Hilfe einer FFH-Verträglichkeitsprüfung maßnahmenbezogen festzustellen. 4. Gibt es ggf. Möglichkeiten der Abweichung vom naturschutzrechtlichen Ausgleich? Wenn ja, aus welchen Gründen? Nein, im Falle erheblicher Beeinträchtigungen eines Natura 2000-Gebietes sind Kohärenzsicherungsmaßnahmen aufgrund der bundesrechtlichen Vorgaben zwingend vorzusehen. 5. Gibt es Unterschiede in der Bewertung zwischen den Inseln und Halligen und dem Festland? Nein, Art und Umfang der erforderlichen Kohärenzsicherungsmaßnahmen sind unabhängig vom Ort der Küstenschutzmaßnahme und an den durch die jeweilige Küstenschutzmaßnahme verursachten erheblichen Beeinträchtigungen auszurichten . 6. Sind die Anforderungen an den Ausgleich beim Deichbau und der dazu notwendigen Materialgewinnung (Sand, Klei) gleich? Ja, es ist unerheblich, ob die erheblichen Beeinträchtigungen, die die Verpflich- tung zur Umsetzung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen nach sich zieht, durch den Deichbau selbst oder durch die dazu notwendige Materialgewinnung verursacht sind. 7. Gibt es Absprachen/ Zusagen bezgl. der Wahrung der bestehenden Landnutzungen auf den Inseln und Halligen und inwieweit haben diese weiterhin Bestand ? Bei Küstenschutzvorhaben sind im Wesentlichen Wattflächen und Salzwiesen, also salzwassergeprägte Lebensräume, betroffen. Die vorzusehenden Kohärenzsi- cherungsmaßnahmen müssen dementsprechend vorrangig auf die Schaffung bzw. Aufwertung von Watt- und Salzwiesenlebensräumen abzielen. Ziel der Landesregierung ist es, die für Vorhaben des Küstenschutzes in Anspruch zu nehmenden Flächen sowohl für die Deiche selbst wie auch für Materialgewinnung oder die Durchführung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen in öffentliches Eigentum zu überführen bzw. im möglichen Umfang auf öffentlichem Eigentum durchzuführen. In diesem Rahmen kann auch eine Änderung bestehender Landnutzungen erforderlich werden. Nach Auffassung der Landesregierung sind auch derartige Änderungen durch die Bedeutung einer dem Generalplan Küstenschutz entsprechenden Sturmflutsicherheit für die Bewohnerinnen und Bewohner der Küstengebiete des Landes gerechtfertigt.