SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2275 18. Wahlperiode 29.09.2014 Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Rathje-Hoffmann (CDU) und Antwort der Landesregierung - Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Prostitution und Menschenhandel in Schleswig-Holstein Vorbemerkung der Fragestellerin: Prostitution ist auch in Schleswig-Holstein nach wie vor ein Tabuthema. Der letzte Bericht der Landesregierung zu diesem Thema stammt aus dem Jahr 2012, in dem Zahlen bis zum Jahr 2010 genannt sind. Die Lebenssituation von Frauen und Mädchen, aber auch von Männern in der Prostitution ist auch weiterhin häufig von großer Not gekennzeichnet. Sie erleiden Gewalt durch Zuhälter und Freier, werden vielfach ausgebeutet, entwürdigt und gesellschaftlich ausgegrenzt. Das Prostitutionsgesetz hatte zum Ziel, die Rechte der Prostituierten zu stärken. Vorbemerkung der Landesregierung: Zur Anzahl der Prostituierten in Schleswig-Holstein gibt es keine zuverlässigen Angaben aus einer Statistik oder auf wissenschaftlicher Grundlage. Die Angaben werden auch dadurch erschwert, dass viele Frauen dieser Tätigkeit nur nebenbei, gelegentlich oder für einen kurzen Lebensabschnitt nachgehen. Die im Folgenden getroffenen Aussagen beruhen überwiegend auf den Angaben der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Fachstelle für Betroffene von Frauenhandel – contra. Darüber hinaus weist die Landesregierung darauf hin, dass Bundesfamilienministerin Schwesig derzeit an einer gesetzlichen Grundlage arbeitet, um Menschenhandel und Drucksache 18/2275 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Ausbeutung in der Prostitution zu bekämpfen. Es soll noch in diesem Jahr ein Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Situation von Prostituierten vorgelegt werden. In Zukunft soll es für die Prostitution eine Anmeldepflicht geben, für die Betreiber von Prostitutionsstätten sollen eine Erlaubnispflicht und eine Zuverlässigkeitsprüfung eingeführt werden. Zudem sind konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Zwangsprostitution geplant 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung seit dem letzten Bericht über die Anzahl und Lage von Prostitution in Schleswig-Holstein vor? Wie hat sich diese Zahl in den letzten fünf Jahren verändert? Bitte nach Geschlecht getrennt auflisten . Antwort: Nach den Erkenntnissen der Landesregierung sind schätzungsweise mindestens 2.500 Personen als Prostituierte tätig. Zu beachten ist dabei, dass regional, aber auch überregional eine hohe Fluktuation besteht und Prostituierte sowohl in Bordellbetrieben als auch in Modellwohnungen ihrer Tätigkeit nachgehen. Mindestens 90 % der in der Prostitution Tätigen sind Frauen. 2. Wie viele von ihnen sind in der gesetzlichen Sozialversicherung und als Arbeit- nehmerinnen oder Arbeitnehmer gemeldet? Wie hat sich diese Zahl in den letzten fünf Jahren verändert? Antwort: Der Landesregierung liegen hierüber keine Erkenntnisse vor. Bei den Sozialversicherungsträgern (Kranken- und Rentenversicherung) werden keine Daten nach Berufsgruppen aufgeschlüsselt. 3. Wie viele Prostituierte arbeiten nach Schätzung der Landesregierung im Bereich der Straßenprostitution? Wie hat sich diese Zahl seit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes verändert? Antwort: Der Landesregierung liegen keine Zahlen über die in der Straßenprostitution tätigen Prostituierten vor. 4. Wie viele Ermittlungs- und Strafverfahren wegen Menschenhandel und Zwangs- prostitution wurden im Land Schleswig-Holstein seit 2008 eingeleitet? Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2275 3 Mit welchem Ergebnis wurden diese Verfahren jeweils abgeschlossen? Bitte nach Kalenderjahren und Delikten aufschlüsseln. Antwort: Den Begriff der „Zwangsprostitution“ verwendet das Strafgesetzbuch als solchen nicht (siehe aber §§ 232 Absatz 1 und 233 Absatz 1 StGB: „... Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit...“). Als Straftatbestände im Zusammenhang mit Prostitution und Menschenhandel sind von Bedeutung: • § 180 a StGB (Ausbeutung von Prostituierten), • § 181 a StGB (Zuhälterei), • § 232 StGB (Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung), • § 233 StGB (Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft), • § 233a StGB (Förderung des Menschenhandels). Die verfügbaren Daten der beim Generalstaatsanwalt geführten Geschäftsstatistik der Staatsanwaltschaften zu den genannten Delikten sind in der Anlage aufbereitet . 5. Für wie viele Bordelle gibt es in den Kreisen und kreisfreien Städten in Schleswig- Holstein Genehmigungen? Wie haben sich die Zahlen seit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes verändert? Sind darüber hinaus Bordelle bekannt? Antwort: Der Landesregierung liegen hierzu keine Angaben vor, da ein spezielles Genehmigungsverfahren für Bordelle bisher nicht besteht. 6. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über die Anzahl der Personen vor, die in Bordellen der Prostitution nachgehen? Bitte nach Geschlecht trennen. Antwort: Nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen befinden sich in Schleswig-Holstein neben vier großen Bordellen in Kiel, ca. 70 bis 90 weitere Bordellbetriebe und ca. 270 bis 300 Modellwohnungen. Wie viele der schätzungsweise 2.500 Prostituierten in Bordellen arbeiten ist unbekannt. 7. Wie hoch schätzt die Landesregierung den Anteil der ausländischen Prostituier- ten in Schleswig-Holstein ein? Aus welchen Herkunftsländern stammen sie? Drucksache 18/2275 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Antwort: Die Landesregierung schätzt den Anteil der ausländischen Prostituierten auf 70- 80%, das heißt auf mindestens 2000 Personen. Die Prostituierten stammen überwiegend aus osteuropäischen Ländern, insbesondere Polen, Rumänien, Bulgarien , Ungarn, der Ukraine und Russland, aber auch aus Thailand und Brasilien. 8. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse über minderjährige Prostituierte in Schleswig-Holstein vor? Wenn ja, wie bewertet sie die Situation der Betroffenen? Antwort: Minderjährige Prostituierte sind in der Regel dem Dunkelfeld zuzuordnen. Aus den gemeldeten Verfahren der Polizei ergaben sich im Zeitraum 2008 bis 2013 insgesamt neun minderjährige Opfer, davon acht Opfer von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und ein Opfer von Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft. Die meisten Opfer waren zum Tatzeitpunkt 17 Jahre alt. 9. Wie viele Prostituierte sind nach Einschätzung der Landesregierung an Zuhälter gebunden und woher stammen diese? Antwort: Schätzungsweise dürfte ca. ein Drittel der Prostituierten an Zuhälter gebunden sein. Dabei handelt es sich überwiegend um Prostituierte, die osteuropäischer Herkunft sind und deren Zuhälter der gleichen Ethnie entstammen. Bei Frauen, die sich an contra, die Fachberatungsstelle für Betroffene von Frauenhandel , gewandt haben, waren immer Zuhälter oder ausbeutende Dritte ein Teil des Problems. 10. Wie sieht die Landesregierung die medizinische und psychologische Betreuung und Beratung der Prostituierten in Schleswig-Holstein gesichert und welche Schwierigkeiten sind hier in den letzten Jahren zutage getreten? Antwort: Die Beratungsstellen für sexuelle Gesundheit der Ämter für Gesundheit decken das Angebot nach § 19 Infektionsschutzgesetz – auch in aufsuchender Arbeit - ab und bieten in diesem Zusammenhang auch psychosoziale Unterstützung an. Opfer von Frauenhandel werden durch die vom Land geförderte Fachberatungsstelle contra unterstützt. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2275 5 Schwierigkeiten in der Annahme dieser Hilfen beruhen auf sprachlichen und herkunftsbedingten Problemen und auf dem Misstrauen gegenüber und der Unkenntnis von deutschen Lebensrealitäten. 11. Welche Ausstiegshilfen wurden und werden Prostituierten in Schleswig-Holstein angeboten, wie wurden diese bisher in Anspruch genommen? Wie vielen gelang in den letzten Jahren konkret mit welchen Hilfen der Ausstieg? Antwort: In Schleswig-Holstein gibt es bisher kein Angebot für Prostituierte zur Ausstiegsberatung . Drucksache 18/2275 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 6 Anlage: Ermittlungsverfahren, nach Delikt und Jahr des Eingangs bei der StA: Delikt 2008 2009 2010 2011 2012 2013 § 180a StGB 4 0 2 3 2 3 § 181a StGB 5 7 15 12 14 14 § 232 StGB 18 22 15 40 21 22 § 233 StGB 1 6 2 3 0 3 § 233a StGB 0 0 0 0 0 1 Hinzuweisen ist darauf, dass das (Geschäfts-) Jahr des Eingangs des Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft weder zwangsläufig identisch ist mit dem Zeitpunkt der Einleitung des Ermittlungsverfahrens noch mit dem (Geschäfts-) Jahr der Erledigung. Zu bedenken ist außerdem, dass die Zählung verfahrensbezogen und nur nach dem „führenden“ Delikt erfolgt. Umfasst die prozessuale Tat zugleich ein schwereres Delikt (z. B. eine Sexualstraftat), so wird die Tat nur bei dem konkret schwereren Delikt gezählt. Erledigungen (Verfahrenszählung) durch die Staatsanwaltschaften 2008 bis 2013, nach Delikt sowie nach Art und Jahr der Erledigung aufgeschlüsselt: § 180a StGB 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Anklageerhebung Strafbefehlsantrag 1 1 Einst. § 170 Abs. 2 StPO 1 Einst. § 153 Abs. 1 StPO Einst. § 153a Abs. 1 StPO Einst. § 154 Abs. 1 StPO Sonstige (z.B. Verbindung) 9 Summe 0 9 0 0 1 1 § 181a StGB 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Anklageerhebung 1 3 Strafbefehlsantrag Einst. § 170 Abs. 2 StPO 1 2 3 6 Einst. § 153 Abs. 1 StPO 3 1 Einst. § 153a Abs. 1 StPO 1 Einst. § 154 Abs. 1 StPO 2 1 Sonstige (z.B. Verbindung) 2 2 2 Summe 4 2 6 2 6 10 § 232 StGB 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Anklageerhebung 1 2 5 1 1 Strafbefehlsantrag 3 3 Einst. § 170 Abs. 2 StPO 4 6 3 2 5 1 Einst. § 153 Abs. 1 StPO 3 4 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2275 7 Einst. § 153a Abs. 1 StPO 2 Einst. § 154 Abs. 1 StPO 1 3 Sonstige (z.B. Verbindung) 1 6 2 1 1 2 Summe 6 22 10 8 7 10 § 233 StGB 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Anklageerhebung 1 2 5 1 1 Strafbefehlsantrag 3 3 Einst. § 170 Abs. 2 StPO 4 6 3 2 5 1 Einst. § 153 Abs. 1 StPO 3 4 Einst. § 153a Abs. 1 StPO 2 Einst. § 154 Abs. 1 StPO 1 3 Sonstige (z.B. Verbindung) 1 6 2 1 1 2 Summe 6 22 10 8 7 10 § 233a StGB 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Anklageerhebung Strafbefehlsantrag Einst. § 170 Abs. 2 StPO Einst. § 153 Abs. 1 StPO Einst. § 153a Abs. 1 StPO Einst. § 154 Abs. 1 StPO Sonstige (z.B. Verbindung) Summe 0 0 0 0 0 0 Abgeurteilte und Verurteilte in SH nach Delikt, 2008 bis 2013: 2008 2009 2010 Abgeurteilte Verurteilte Abgeurteilte Verurteilte Abgeurteilte Verurteilte StGB § 180 a 0 0 0 0 0 0 StGB § 181 a 5 2 0 0 1 1 StGB § 232 3 3 4 4 8 4 StGB § 233 2 2 4 4 4 3 StGB § 233a 0 0 0 0 0 0 2011 2012 2013 Abgeurteilte Verurteilte Abgeurteilte Verurteilte Abgeurteilte Verurteilte StGB § 180 a 0 0 0 0 0 0 StGB § 181 a 0 0 0 0 0 0 StGB § 232 4 1 6 2 0 0 Drucksache 18/2275 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 8 StGB § 233 0 0 2 1 1 1 StGB § 233a 0 0 0 0 0 0 Die Erledigungspraxis der Gerichte wird durch die Strafverfolgungsstatistik abgebildet . Diese zählt die Abgeurteilten (diese setzen sich zusammen aus den Verurteilten und aus Angeklagten, gegen die andere Entscheidungen getroffen wurden, z. B. Einstellung , Freispruch) und die Verurteilten (= Angeklagte, gegen die nach allgemeinem Strafrecht Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Geldstrafe - auch durch Strafbefehl - verhängt worden ist, oder deren Straftat nach Jugendstrafrecht mit Jugendstrafe, Zuchtmitteln oder Erziehungsmaßregeln geahndet wurde). Die Zählung erfolgt verfahrensbezogen . Werden mehrere Straftaten derselben Person in einem Verfahren zusammen abgeurteilt, so wird diese Person nur einmal als Verurteilter gezählt. Bei der Aburteilung von Angeklagten, die in Tateinheit (§ 52 StGB) oder Tatmehrheit (§ 53 StGB) mehrere Strafvorschriften verletzt haben, wird nur der Straftatbestand statistisch erfasst, der nach dem Gesetz mit der schwersten Strafe bedroht ist; es gilt also insoweit das zur Staatsanwaltsstatistik ausgeführte entsprechend.