SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2285 18. Wahlperiode 01.10.2014 Kleine Anfrage des Abgeordneten Torge Schmidt (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Aufhebung des Vergabeverfahrens UKSH 1. Geht die Landesregierung davon aus, dass die beteiligten Bieter Schadenser- satzansprüche gegen das Land bzw. das UKSH geltend machen können, wenn das Vergabeverfahren aufgehoben wird? Antwort: Ja, Schadensersatzansprüche können - jeweils in Abhängigkeit vom Grund der Aufhebung - nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. 2. Geht die Landesregierung davon aus, dass eine Aufhebung des Vergabeverfah- rens derzeit rechtlich zulässig ist? Antwort: Eine Aufhebung wäre in dem Sinne rechtlich zulässig, dass der Auftraggeber vergaberechtlich nicht zur Erteilung des Zuschlags gezwungen werden kann. Rechtmäßig in dem Sinne, dass ein Aufhebungsgrund gemäß § 17 VOB/A 2009 (auf dieses Verfahren noch anwendbar) vorläge und in der Konsequenz auch keine Schadensersatzansprüche bestehen könnten, wäre die Aufhebung zum jetzigen Zeitpunkt nach gegenwärtigem Kenntnisstand der Landesregierung nicht. 3. Stellt sich insb. eine geänderte politische Ausrichtung, z.B. durch geänderte poli- tische Machtverhältnisse nach Wahlen, des Landtages oder der Landesregierung Drucksache 18/2285 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode nach Auffassung der Landesregierung grds. als „anderer schwerwiegender Grund“ i.S.d. § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A dar? Antwort: Nein, nicht in dem in der Antwort zur Frage Nr. 2 im letzten Satz genannten Sinne . 4. Wie bewertet die Landesregierung die Einschränkung der Bau- und Planungsho- heit des Landes, wenn bereits durch die Einleitung des Vergabeverfahrens aufgrund der möglichen Schadensersatzansprüche faktische Bindungswirkung auch für kommende Legislaturperioden entsteht? Antwort: Der Einleitung des Vergabeverfahrens ist eine umfassende politische Willensbildung vorausgegangen. Die damalige Landesregierung stellte am 26.05.2010 im Rahmen ihrer Beschlussfassung zur Haushaltsaufstellung fest, dass eine relevante Beteiligung des Landes an der Umsetzung des baulichen Masterplans angesichts der Haushaltslage nicht realisierbar sei und bat das zuständige Ministerium , zur Zukunftssicherung des UKSH ein Modell zu finden, welches es ermöglichen sollte, mit Hilfe privaten Kapitals den baulichen Sanierungsstau zu beseitigen . Nach der Durchführung eines Markterkundungsverfahrens und auf der Grundlage der daraus gewonnenen Erkenntnisse hat die damalige Landesregierung am 13.09.2011 beschlossen, für ein Vergabeverfahren zur baulichen Sanierung des UKSH das ÖPP-Modell zugrunde zu legen. Der Landtag hat in seiner Sitzung am 16.09.2011 diese Entscheidung der damaligen Landesregierung mehrheitlich begrüßt. Die Einleitung des Vergabeverfahrens beruhte - als Ausdruck der „Bauhoheit“ des Landes - unmittelbar auf einem Kabinettsbeschluss der damaligen Landesregierung vom 28.02.2012, der durch eine interministerielle Arbeitsgruppe vorbereitet worden war. Auf dieser Grundlage wurde das UKSH mit der Durchführung des Verfahrens betraut, wobei damit inhaltliche und verfahrensmäßige Maßgaben verbunden wurden. Das Verfahren wurde von der Landesregierung überwacht. Mit jeder Ausschreibung geht in dem Sinne eine „faktische Bindung“ einher, dass der Auftraggeber sich unter normalen Umständen nicht ganz sanktionslos (Schadensersatzansprüche ) von ihr lösen kann. Um dem Landesinteresse Rechnung zu tragen, wurden in der Ausschreibung Aufhebungsvorbehalte für den Fall mangelnder Maßnahmenwirtschaftlichkeit und mangelnder Wirtschaftlichkeit im Verhältnis zur konventionellen Realisierung verankert. 5. Liegt ein „anderer schwerwiegender Grund“ oder ein anderer Grund zur Aufhe- bung des Vergabeverfahrens dann vor, wenn dem UKSH die gem. § 1 Nr. 1 der Bauaufgabenübertragungsverordnung UKSH übertragene Zuständigkeit für das „Immobilien-ÖPP für das UKSH“ durch (1) den Landtag oder (2) die Landesregierung entzogen wird? Antwort: Da die Landesregierung eine Änderung der Verordnung nicht beabsichtigt und ein 2 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2285 Gesetzgebungsverfahren mit einem entsprechenden Inhalt nicht eingeleitet ist, ist diese Frage hypothetisch; eine Beurteilung hinge von den konkreten Umständen ab. 6. War das UKSH zu Beginn des Vergabeverfahrens abweichend von § 9 Abs. 1 S. 1 Hochschulgesetz SH für diese Bauaufgabe zuständig? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage? Antwort: Das UKSH wurde vor Beginn des Vergabeverfahrens von der Landesregierung mit der Durchführung des Verfahrens betraut. Eine Zuständigkeit für die Bauaufgabe selbst war zu diesem Zeitpunkt nicht erforderlich. 7. Welche Auswirkungen hat es für (Schadens)Ersatzansprüche aus einem Verga- beverfahren, wenn für die Bieter ersichtlich war, dass die ausschreibende Stelle rechtlich keine Zuständigkeit für den ausgeschriebenen Bereich hat? Besteht in diesem Fall ein schützenswertes Vertrauen der Bieter in den Abschluss des Verfahrens ? Antwort: Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH (vgl. grundlegend Urteil vom 09.06.2011 - X ZR 143/10 -, BGHZ 190, 89) kommt es für Schadensersatzansprüche nicht mehr darauf an, ob der Bieter auf ein regelhaftes Vergabeverfahren vertrauen durfte. 8. Wer ist nach dem bisher erarbeiteten Vertrag über die Baumaßnahmen „Immobi- lien-ÖPP für das UKSH“ der Träger des Risikos, dass sich die Effizienzrendite nicht in der prognostizierten Höhe erwirtschaften lässt? Antwort: Dieses Risiko trägt das UKSH, da der private Partner keine Verantwortung für den medizinischen Betrieb des UKSH übernehmen soll. 9. Welchen Anteil in der Finanzierung des „Immobilien-ÖPP für das UKSH“ nimmt die Effizienzrendite nach der aktuellen Planung ein? Antwort: Es war die Vorgabe des Projektes, dass der mit der Effizienzrendite erwirtschaftete , ergebniswirksame Zahlungsstrom die gesamten aus der Investitionskostenfinanzierung des Immobilien-Projekts resultierenden Kapitaldienste deckt. 10. Wie hoch schätzt die Landesregierung das Risiko ein, dass die sich aus den Pro- zessoptimierungen ergebenden Einsparungen (Effizienzrendite) nicht im Umfang der Antwort auf Frage 6) als Finanzierungsquelle der Bauinvestitionen ausreichen ? 3 Drucksache 18/2285 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Antwort: Zur Festlegung der Höhe der zu erwartenden Effizienzrendite wurden konzeptspezifische Prognoserechnungen aufgestellt, denen die demographische Entwicklung (basierend auf der altersgruppierten Bevölkerungsstatistik und auf der altersgruppierten Fallzahlstatistik (DRG-Statistik)) und die erwarteten Schubwirkungen aus der Umsetzung des Bauvorhabens zugrunde liegen. Alle der Effizienzrendite zugrunde liegenden Annahmen wurden von einer externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft. Die angenommenen Effekte wurden nach Art und Umfang grundsätzlich als realistisch und die Planungen der Expansionspotenziale als realistisch und sachgerecht eingeschätzt. Zur Validierung und Sensibilisierung der Ergebnisse wurde darüber hinaus eine Szenario-Berechnung durchgeführt. Diese kam zu dem Ergebnis, dass bei den untersuchten negativen Abweichungen der zentralen Annahmen der Effizienzrendite das Projekt noch maßnahmenwirtschaftlich wäre. Es muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass die Realisierung der prognostizierten Effizienzrendite eine Managementaufgabe des UKSH ist. Für die Realisierung der prognostizierten Effizienzrendite ist eine konsequente Umsetzung der durch die optimierten Prozessabläufe ermöglichten Personaleinsparungen und anderer organisatorischer Maßnahmen auf allen Managementebenen des UKSH erforderlich. 11. Ist die Verschiebung des Zuschlagstermins rechtlich zulässig und wenn ja, bis wann kann dieser verschoben werden? Welche Kosten entstehen ggf. hierdurch? Antwort: Wie ausgeführt, kann das UKSH nicht zur Zuschlagserteilung gezwungen werden , auch nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt. Eine Verschiebung würde die Notwendigkeit mit sich bringen, dass das UKSH die Bieter um Verlängerung der Bindung an ihre Angebote ersucht. Da der Vertrag anteilig auf einer Projektfinanzierung durch den privaten Partner beruht, die nur bis zum 30.09.2014 verbindlich anzubieten war, würde eine Verschiebung ggf. eine Anpassung der Finanzierung erforderlich machen. Ob und, wenn ja, in welcher Höhe dies zu Mehrkosten führen würde, lässt sich nicht mit Sicherheit vorhersagen. Wenn eine Verschiebung ohne sachlichen Grund erfolgen würde, könnte mit Schadensersatzansprüchen bezüglich der Finanzierungsinstrumente zu rechnen sein. 4