SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2288 18. Wahlperiode 01.10.2014 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Dudda (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Kapazitäten im Krankenhausbedarfsplan für stationäre Betten für chronische Schmerzpatienten in Schleswig-Holstein Vorbemerkung der Landesregierung: Ein chronisches Schmerzsyndrom bzw. eine chronische Schmerzkrankheit entsteht, wenn Schmerz seine eigentliche Funktion als Warn- und Leithinweis verliert und einen selbstständigen Krankheitswert enthält. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird dabei verkürzt von chronischen Schmerzen gesprochen. Unter Berücksichtigung des zeitlichen Verlaufs ist davon auszugehen, dass ein chronisches Schmerzsyndrom entsteht, wenn Schmerzen länger als sechs Monate bestehen . Chronische Schmerzen führen in der Regel zu einer Erniedrigung der Schmerzschwelle sowie zwangsläufig zu psychopathologischen Veränderungen und einer Belastung des persönlichen sozialen Umfelds. In Deutschland wurde 1996 die qualifizierte Behandlung einer chronischen Schmerzkrankheit nach Verhandlungen zwischen der kassenärztlichen Bundesvereinigung und Spitzenverbänden der Ersatzkassen erstmals verrechenbar. Erst 2009 wurde in der deutschen Ausgabe des ICD-10 die Diagnose F 45,41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren eingeführt, mit der wissenschaftliche Erkenntnisse über die vielfältigen Ursachen chronischer Schmerzen nicht nur auf körperlicher, sondern auch auf psychischer Ebene abgebildet werden können. Drucksache 18/2288 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Chronische Schmerzpatienten rekrutieren sich aus den verschiedensten Fachgebieten : • Tumorpatienten (Therapie im jeweiligen Fachgebiet oder Anästhesie oder Palliativmedizin ) • Schmerzen im Bereich der Muskulatur, Gelenke, Knochen und Sehnen (z. B. degenerative Veränderungen (Arthrosen), Fibromyalgien, Sudeckatrophie) (FG: Orthopädie, Innere Medizin, Neurochirurgie, Traumatologie) • Nervenläsionen oder – irritationen (z. B. nach Unfall, Amputation (PhantomSZ ), Trigeminusneuralgien) (FG: Neurologie, Neurochirurgie, Anästhesie, Traumatologie • Schmerzen als Leitsymptom einer psychischen Erkrankung (Depression, Angst- und Panikstörungen) (FG: Psychiatrie, Psychosomatik, Innere Medizin) • Migräne, Spannungskopfschmerz (tritt der Spannungskopfschmerz an mindestens 15 Tagen pro Monat auf, so spricht man von einem chronischen Spannungskopfschmerz). Es sind vereinfacht drei Kategorien von Schmerzen zu unterscheiden: • Schmerz als Begleitsymptom einer körperlichen Störung mit den Untergruppen „Übliche Schmerzen“ als Begleitsymptom einer körperlich fassbaren Erkrankung bzw. einer Nervenschädigung, • „Außergewöhnliche Schmerzen“ wie z. B. bei Stumpf- und Phantomschmerzen oder im Rahmen einer „komplexen regionalen Schmerzsyndroms“ (CRPS). • Körperlich zum Teil erklärbare Schmerzen mit psychischer Komorbidität als zahlenmäßig größte zur Begutachtung kommende Gruppe (Rückenschmerz, Spannungskopfschmerz), Schmerz als Ausdruck einer primären psychischen Erkrankung insbesondere im Rahmen depressiver Störungen. Bei chronischen Schmerzen, vor allem bei chronischen Rückenschmerzen, ist die sogenannte multimodale Schmerztherapie heute ein zunehmend von den privaten und gesetzlichen Krankenkassen anerkanntes Behandlungsverfahren. Dabei werden unter anderem die Bausteine medizinische Therapie, umfassende Information und Schulung des Patienten, körperliche Aktivierung, Psycho- und Verhaltens- und Ergotherapie miteinander kombiniert. Neben ärztlichen Schmerzspezialisten arbeiten bei der Behandlung auch psychologische Schmerztherapeuten, speziell geschulte Physiotherapeuten , das Pflegepersonal, Sozialarbeiter, Kunst- oder Musiktherapeuten fachübergreifend zusammen, um chronische Schmerzen zu lindern bzw. die Lebensqualität der chronischen Schmerzpatienten zu steigern. 1. Besitzt die Landesregierung Kenntnisse darüber, wie viele Menschen in Schles- wig-Holstein eine Schmerztherapie benötigen? Wenn ja, wie sehen diese Erkenntnisse aus? Antwort: Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, gibt es keine exakte Definition von chronischen Schmerzen. Hinzu kommen unterschiedliche diagnostische Erhebungsmethoden und keine verbindlich abgestimmten Kriterien für eine Bestimmung der Schwere der Erkrankungen. Im Weißbuch Schmerzmedizin wird die Zahl der behandlungsbedürftigen Schmerzpatienten auf 5 bis 8 Millionen geschätzt. Die 2 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2288 Deutsche Schmerzliga schätzt, dass in Deutschland 12 bis 15 Millionen Menschen an länger andauernden oder wiederkehrenden Schmerzen leiden und davon 4 bis 5 Millionen stark beeinträchtigt sind. Die Bundesregierung schätzt die Zahl der Schmerzpatienten auf 6,7 bis 13 Millionen Menschen (Deutscher Bundestag Drs. 17/14631). Bezieht man diese Zahlen auf den Bevölkerungsanteil, den Schleswig-Holstein an der Gesamtbevölkerung hat, so kommt man auf eine Zahl von 220.000 bis 500.000 Menschen, die in Schleswig-Holstein an chronischen Schmerzen leiden könnten. 2. Besitzt die Landesregierung Kenntnisse darüber, wie lange gesetzlich versicherte Schmerzpatienten im Durchschnitt auf einen Behandlungsplatz in SchleswigHolstein warten müssen? Es wird gebeten, die Frage aufgeschlüsselt nach a) ambulanter Behandlung und b) stationärer Behandlung differenziert zu beantworten. Antwort: Schmerzpatienten werden nicht nur von spezialisierten Schmerztherapeuten behandelt , sondern sowohl von Hausärzten als auch von Fachärzten aus den unterschiedlichsten Fachgebieten. Die Mehrzahl der Behandlungen dürfte ambulant erfolgen . Eine stationäre Behandlung erfolgt ebenfalls in unterschiedlichen Fachabteilungen . Bei dieser Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten ist es der Landesregierung nicht möglich, Wartezeiten zu ermitteln. Hinzu kommt, dass man davon ausgehen muss, dass für spezialisierte Therapien auch Angebote in anderen Bundesländern wahrgenommen werden. Einzig die auf Schmerzpatienten spezialisierte Schmerzklinik Kiel hat wiederholt mitgeteilt, dass es bei ihr Wartelisten gibt. Allerdings kommt die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten nicht aus Schleswig-Holstein. 3. Sind im Krankenhausbedarfsplan stationäre Betten für chronisch erkrankte Schmerzpatienten vorgesehen? Wenn ja, wie viele? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Der Krankenhausplan in Schleswig-Holstein nimmt auf der Basis zentraler Fachbereiche eine Rahmenplanung vor. Spezialisierte Angebote für Schmerzpatienten finden sich insbesondere in den Fachgebieten Innere Medizin (Onkologie, Palliativmedizin ), Geriatrie, Neurologie, Orthopädie, Anästhesie. Diese werden im Krankenhausplan nicht gesondert ausgewiesen. Die Schmerzklinik Kiel ist mit 14 Betten ohne Fachbereich im Krankenhausplan aufgenommen worden und ihr Versorgungsauftrag wurde durch eine Bemerkung im Planungsblatt eingegrenzt auf die Erbringung der multimodalen Schmerztherapie . Wurde die Einrichtung von Betten für die Schmerztherapie in den Gesprächen der Krankenhausplanbeteiligten erörtert? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? 3 Drucksache 18/2288 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Antwort: Der Krankenhausplan 2010 mit seiner Festlegung auf die Rahmenplanung wurde mehrfach in der Beteiligtenrunde zur Krankenhausplanung erörtert, hinzu kam eine schriftliche Anhörung. Die Festlegung auf eine Rahmenplanung war einvernehmlich . Der Antrag der Schmerzklinik Kiel wurde zweimal in der Beteiligtenrunde erörtert. Nachdem dort kein einvernehmliches Ergebnis erzielt werden konnte, stellte das Ministerium gemäß § 20 des Ausführungsgesetzes zum Krankenhausfinanzierungsgesetzes die Aufnahme von 14 Planbetten der Schmerzklinik in den Krankenhausplan fest. 4. Sieht die Landesregierung Bedarf für eine Ausweitung der Kapazitäten für chronische Schmerzpatienten? a) Wenn ja, in welchem Umfang und wo? Und was wird die Landesregierung dafür tun? b) Wenn nein, wie begründet sie das? Antwort: In der stationären Versorgung können Krankenhäuser bei Bedarf eine Erweiterung eines spezifischen Angebotes realisieren. Wenn dafür krankenhausplanerische Entscheidungen notwendig sind, wie z. B. bei der Schmerzklinik Kiel, erfolgen die notwendigen Prüfungen und Entscheidungen durch die Landesregierung nach Erörterung und Beschlussfassung in der Beteiligtenrunde zur Krankenhausplanung . Der Regelfall ist allerdings, dass das Krankenhaus Behandlungsangebote in der Schmerztherapie ohne krankenhausplanerische Entscheidungen realisieren kann. Inwieweit für die Ausweitung der Behandlungskapazitäten für chronische Schmerzpatienten im ambulanten Bereich ein Bedarf gesehen wird, ist der Landesregierung nicht bekannt. Der Sicherstellungsauftrag für die ambulante Versorgung obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung. Der derzeit gültige Bedarfsplan auf der Basis der Bedarfsplanungsrichtlinie des G-BA (http://www.kvsh.de/index.php?StoryID=814) gibt an dieser Stelle keinen Hinweis auf einen höheren bzw. nicht abgedeckten Behandlungsbedarf. 4