SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/229 18. Wahlperiode 2012-10-15 Kleine Anfrage der Abgeordneten Anita Klahn (FDP) und Antwort der Landesregierung - Ministerin für Bildung und Wissenschaft Schulentlassungen an Dänischen Schulen - Nachfrage Vorbemerkung der Fragestellerin: Ein Schüler einer Ersatzschule der dänischen Minderheit musste gemäß der Satzung des Dänischen Schulvereins die Schule verlassen, weil sein Bruder auf eine allge- mein bildende Schule gewechselt ist. Nach Art. 5 Abs. 1 Landesverfassung ist das Bekenntnis zu den nationalen Minder- heiten frei. Die Landesregierung hat in der Antwort auf Frage 2 der Kleinen Anfrage (Drs. 18/166) keine Antwort auf die Vereinbarkeit dieses Vorgehens mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und der Landesverfassung gegeben. Ebenso ist die Antwort auf Frage 3 der gleichen Kleine Anfrage nicht ausreichend, da der Verweis auf die Wahrung des Steuergeheimnisses nicht einschlägig ist, da nicht nach einem Einzelfall gefragt war und zudem ein öffentliches Interesse über die Anwendung der Grundsätze der Gemeinnützigkeit besteht. Drucksache 18/229 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 1. Ist das in der Vorbemerkung beschriebene Vorgehen mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vereinbar? Wenn nein, welche Konsequenzen zieht die Landesregierung hieraus? Antwort: Ja, Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Im vorliegenden Fall könnte eine Diskriminierung sich lediglich auf die Weltanschau- ung beziehen. Das kann jedoch dahingestellt bleiben, da das Allgemeine Gleichbe- handlungsgesetz (AGG) nur vor Benachteiligungen wegen der Weltanschauung im Arbeitsrecht schützt. 2. Ist das in der Vorbemerkung beschriebene Vorgehen mit der Landesverfassung vereinbar, insbesondere mit Art. 8 Abs. 4? Wenn nein, welche Konsequenzen zieht die Landesregierung hieraus? Antwort: Die Satzung des Dänischen Schulvereins erhält keine derartige Regelung zu Ge- schwisterkindern. Art. 8 Abs. 4 der Landesverfassung wird in der verfassungsrechtli- chen Literatur vorrangig dahingehend interpretiert, dass damit ein eigenständiges Schulwesen der Minderheit garantiert wird. Der Wortlaut der Vorschrift legt allerdings nahe, dass darüber hinaus die Entscheidung der Erziehungsberechtigten über den Schulbesuch rechtlichen Schutz genießt. Die Landesregierung ist auch zu dieser Frage regelmäßig mit dem Dänischen Schulverein im Austausch. Der Dänische Schulverein hat bereits erklärt, dass unter Berücksichtigung des Kindeswohls verfah- ren wird, wenn Eltern nicht für sämtliche Kinder einen dänischen Kindergarten bzw. eine dänische Schule wählen. 3. Können Schulvereine in privater Trägerschaft generell die Gemeinnützigkeit nach § 52 der Abgabenordnung für sich beanspruchen oder sie gegebenenfalls verlieren, wenn sie Schülerinnen und Schüler, in der Art und Weise wie in der Vorbemerkung beschrieben, von ihren Schulen verweisen? Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/229 3 Antwort: Da sich auch die Nachfrage - vgl. Vorbemerkung - auf den konkreten Einzelfall des Dänischen Schulvereins bezieht, ist es wegen des Steuergeheimnisses (§ 30 Abga- benordnung - AO) nur möglich, allgemein auf die gemeinnützigkeitsrechtlichen Grundsätze hinzuweisen: Eine Körperschaft im Sinne des § 51 AO (z.B. ein Verein) verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Eine Förderung der Allgemein- heit ist nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zu Gute kommt, fest abgeschlossen ist, zum Beispiel Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens, oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann. Von einer Förderung der Allgemeinheit kann nur dann ausgegangen werden, wenn im Grundsatz jedermann freien Zutritt zur Körperschaft hat, die Mitglieder sich dem- entsprechend zumindest als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellen. Satzungsklauseln werden auch unter dem Gesichtspunkt beurteilt, ob sie inhaltlich darauf gerichtet sind, die Allgemeinheit von der satzungsmäßigen Förderung auszu- schließen oder eine Förderung der Allgemeinheit im Rahmen der tatsächlichen Ge- schäftsführung (vgl. § 59 AO) nicht mehr gewährleistet werden kann, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13.8.1997 - I R 19/96. Eine Körperschaft kann nur dann als gemeinnützig anerkannt werden, wenn sie sich bei ihrer Betätigung im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung hält. 4. Wie viele solcher Fälle sind der Landesregierung bekannt? Antwort: Eine Statistik darüber, wie viele Schulvereine es in Schleswig-Holstein gibt, die als gemeinnützig anerkannt sind bzw. waren und aus bestimmten Gründen die Gemein- nützigkeit verloren haben, wird nicht geführt. 5. Gilt die in der Landesverfassung verankerte Freiheit des Bekenntnisses zu ei- ner nationalen Minderheit nach Ansicht der Landesregierung für jedermann? Wenn nein, für wen gilt dies nicht? Drucksache 18/229 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Antwort: Ja. 6. Welche Handhabe hat die Rechtsaufsicht des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft, um etwaige schulrechtliche oder verfassungsrechtliche Verstöße von Schulträgern von Ersatzschulen zu sanktionieren? Antwort: Die Mittel der Rechtsaufsicht sind in § 115 Abs. 5 SchulG geregelt (Aufforderung zur Beseitigung von festgestellten Mängeln, schulaufsichtliche Anordnungen und als Ul- tima Ratio der Widerruf der Ersatzschulgenehmigung). § 115 SchulG gilt auch für den dänischen Schulverein als Träger der Schulen der dänischen Minderheit. Aller- dings ist allgemein zu berücksichtigen, dass durch Art. 8 Abs. 4 der Landesverfas- sung ein eigenständiges Schulwesen der dänischen Minderheit garantiert wird und damit in jedem Fall vorzuhalten ist. Zur Klarstellung wird nochmals darauf verwiesen, dass sich die Rechtsaufsicht des Landes über Ersatzschulen gemäß § 115 Abs. 5 SchulG auf die dauerhafte Einhal- tung der in Art. 7 Abs. 4 + 5 des Grundgesetzes sowie in § 115 des Schulgesetzes enthaltenen Voraussetzungen für die Genehmigung von Schulen in freier Träger- schaft bezieht. Hierzu gehört nicht die konkrete Ausgestaltung des Schulverhältnis- ses, das sich nach Maßgabe der privatrechtlichen Vereinbarung zwischen Ersatz- schulträger und Eltern richtet, die zumeist auch die Möglichkeiten der Beendigung des Schulverhältnisses regelt. Es erfolgt daher im Rahmen der Rechtsaufsicht keine Prüfung, ob die Beendigung eines Schulverhältnisses rechtmäßig war. Insoweit müssten sich die Eltern ggf. zivilrechtlich mit dem Ersatzschulträger auseinanderset- zen. 7. Ist die Landesregierung politisch der Auffassung, dass die in der Vorbemerkung beschriebene Art der Kollektivhaftung zeitgemäß und mit der Werteordnung un- seres Landes vereinbar ist? Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/229 5 Antwort: Im Hinblick auch auf die jüngste Erklärung des Dänischen Schulvereins, wie in Fällen verfahren wird, in denen nicht alle Geschwisterkinder einen dänischen Kindergarten bzw. eine dänische Schule besuchen, vermag die Landesregierung keinen Verstoß gegen die Werteordnung des Landes zu erkennen.