SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2300 18. Wahlperiode 2014-10-02 Kleine Anfrage der Abgeordneten Astrid Damerow (CDU) und Antwort der Landesregierung - Ministerin für Schule und Berufsbildung Behandlung des Themas „Flucht und Vertreibung“ im Schulunterricht Vorbemerkung der Fragestellerin: Viele Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner sind Heimatvertriebene oder stammen direkt von ihnen ab. Noch immer gibt es Überlebende des Zweiten Weltkrieges, die als Zeitzeugen ihre persönlichen Erfahrungen von Umsiedlung, Flucht und Vertreibung an die nachfolgenden Generationen weitergeben. Immer wieder stelle ich jedoch fest, wie wenig die Schülerinnen und Schüler über das Thema „Flucht und Vertreibung“ wissen und informiert sind. Vorbemerkung der Landesregierung: Im Schuljahr 2013/14 und 2014/15 werden im Fach Geschichte neue Fachanforde- rungen für die Sekundarstufen I und II entwickelt. Sie werden im Schuljahr 2015/16 in Kraft treten. Seitens der Landesregierung besteht die Auffassung, dass das Thema „Flucht und Vertreibung“ nicht verengt auf die Vergangenheit mit ihren Folgen aus dem Zweiten Weltkrieg gesehen werden kann, sondern auch einen Aktualitätsbezug aufweist. Drucksache 18/2300 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 1. In welcher Form und in welchem Umfang wird in den Schulen das Thema „Flucht und Vertreibung“ unterrichtet (bitte für jede Schulart angeben)? Antwort: Grundschule: Keine Bezüge Sekundarstufe I: Das Thema wird an zwei Stellen im Lehrplan für Geschichte be- rührt: 1. Das Längsschnittthema „Begegnung mit dem anderen“ ist vorgesehen in der 7. Klassenstufe, Inhalt ist hier u.a. „Flucht und Wanderungsbewegungen“. Das Thema ist legitimiert durch die gegenwärtige Situation in Deutschland und Europa, die durch internationale Ströme von Flüchtlingen, Asyl- und Arbeitssuchenden und einen wachsenden Migrationsdruck gekennzeichnet ist. Im Unterricht werden Begegnun- gen von Menschen über Grenzen, Kulturen, soziale Gruppen hinweg als Regelfall gesetzt: „Indem die Ambivalenz von Ausgrenzung und Integration, von kultureller Ab- schottung und kulturellem Austausch Gegenstand des Unterrichts ist, bietet das Thema einen Erfahrungsrahmen für die wichtige Aufgabe des friedlichen Zusammen- lebens in der „Einen Welt“ mit unterschiedlichen Kulturen, Gesellschaftsformen, Völ- kern und Nationen.“ In den fachspezifischen Hinweisen zum Unterricht wird ein Zugang zum Thema über eine Ursachensuche für gegenwärtige Konflikte sowie eine Suche nach der Kultur von Minderheiten empfohlen. In den Anregungen für fächerübergreifendes Arbeiten wird das Thema Flucht und Vertreibung als Gegenstand für eine künstlerische Aus- einandersetzung vorgeschlagen. 2. Im jeweils letzten Schuljahr der Sek. I liegt der geschichtliche Schwerpunkt von „Flucht und Vertreibung“ im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. Dort ist das Thema zwar nicht explizit vorgegeben, es gehört aber zum festen Inhaltskanon des Geschichtsunterrichts. Für den Geschichtsunterricht ist didaktisch wichtig, dass die Flucht und Vertreibung (von Deutschen) im Zusammenhang mit vorherigen Verbre- chen von deutschen Akteuren vor allem gegenüber Juden, Russen, Polen usw. be- trachtet wird. Inwieweit Gegenwartsbezüge zur heutigen Problematik von Flucht und Vertreibungen hergestellt werden, obliegt der Verantwortung der einzelnen Lehrkraft. Sekundarstufe II: In der Sekundarstufe II ist die Diskussion über die künftigen The- men in den neuen Fachanforderungen noch nicht abgeschlossen; geplant ist ein Themenbereich „Anderssein“ im Zusammenhang mit Migration. 3 2. Sieht die Landesregierung Handlungsbedarf, um dieses Thema - gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse - mehr in den Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen? a) Wenn ja, in welcher Form? b) Wenn nein, warum nicht? Antwort: Im Hinblick auf die thematische Behandlung aktueller Flucht- und Wanderungsbewe- gungen kann der Geschichtsunterricht schnell überfordert sein. In der Entwicklung von Fachanforderungen wird derzeit überlegt, inwieweit die mehr der Gegenwart verpflichteten Fächer Wirtschaft/Politik und Geographie sich dieses Themas anneh- men könnten.