SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2469 18. Wahlperiode 2014-11-28 Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Patrick Breyer und Wolfgang Dudda (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Strafrechtliche Vorwürfe gegen Polizeiangehörige 1. Zu den seit 2009 gegen Polizeiangehörige erhobenen Vorwürfen von Gewalt- straftaten (z.B. Körperverletzung, Nötigung, Drohung) - unabhängig von der Einordnung als Amtsdelikt oder nicht - wird um Mitteilung folgender Angaben gebeten (bitte nach Jahr und Deliktsart gesondert auflisten): a) Zahl der eingegangenen Strafanzeigen b) Zahl der eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und der darin Beschuldigten c) Zahl der polizeilich aufgeklärten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren d) Zahl der öffentlichen Anklagen und ihnen zugrunde liegende Sachverhalte e) Zahl und Ausgang abgeschlossener Strafverfahren nach Einstellung ohne Auflage , Einstellung gegen Auflage, Verurteilung oder Freispruch; bei Einstellung gegen Auflage unter Nennung des Sachverhalts und der Auflage; bei Verurteilung unter Nennung des Sachverhalts und des Strafmaßes f) Zahl der deswegen eingeleiteten Disziplinarverfahren g) Zahl und Ausgang der deswegen abgeschlossenen Disziplinarverfahren, bei verhängten Disziplinarmaßnahmen unter Nennung der Maßnahme und des zugrunde liegenden Sachverhalts h) Zahl der zivilrechtlichen Klagen deswegen i) Zahl und Ausgang der abgeschlossenen Zivilverfahren, im Fall der Verurteilung unter Nennung des zugrunde liegenden Sachverhalts Drucksache 18/2469 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Soweit die erfragten Angaben bezogen auf Polizeiangehörige nicht vorliegen, wird gebeten, sie bezogen auf sämtliche Gewaltdelikte im Amt (z.B. Körperverletzung, Nötigung, Drohung) zu machen. Antwort zu Fragen 1 a) – c): Die Erfassung einschlägiger Fälle erfolgt in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Angaben zum Beruf des Tatverdächtigen – z.B. Polizeiangehörige – werden nicht gesondert erfasst und sind in der PKS nicht recherchierbar. Als Amtsdelikte im Sinne der Anfrage werden in der PKS lediglich Körperverletzungen im Amt gesondert ausgewiesen. Allerdings wird auch hier nicht nach Amtsträgern unterschieden, d.h. dass es sich in den nachfolgend abgebildeten Fällen nicht ausschließlich um Polizeiangehörige als Tatverdächtige gehandelt haben muss. Körperverletzung im Amt gesamt: Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 Fälle 85 68 53 33 27 Antwort zu Fragen 1 d) – e): Der Generalstaatsanwalt hat in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit folgende Informationen zur Verfügung gestellt: Jahr Delikt Anklage u. Strafbefehl Frage 1d) Zahl und Ausgang der Verfahren Frage 1e) 2009 § 340 StGB – Körperverletzung im Amt 1 Freispruch 2010 § 340 StGB – Körperverletzung im Amt 4 Verfahren mit 5 Beschuldigten 3 x Freispruch, 1 x Einstellung gemäß § 153a Abs. 2 Nr. 2 StPO (Geldbetrag ), 1x Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens 2011 § 340 – Körperverletzung im Amt 2 1 x Einstellung gemäß § 153 Abs. 2 StPO 1 x Einstellung gemäß § 153a Abs. 2 Nr. 2 StPO (Geldbetrag ) 2012 - - - 2013 - - - 2014 § 340 StGB – Körperverletzung im Amt 1 Verurteilung; nicht rechtskräftig § 240 StGB – Nötigung 1 Freispruch Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2469 Eine Mitteilung der den vorgenannten Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalte ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich. Aufgrund der geringen Anzahl an Einzelfällen würde eine Darstellung der Sachverhalte Rückschlüsse auf Betroffene und Beschuldigte ermöglichen. Zwischen den Spalten 3 und 4 besteht nicht notwendigerweise ein Verlaufszusammenhang . Antwort zu Fragen 1 f) – i): Eine statistische Auswertung liegt nicht vor. Eine Beantwortung der Fragen könnte nur durch eine individuelle Aktenauswertung erfolgen. 2. Wie wird den besonderen Anforderungen solcher Ermittlungen durch spezielle Organisationsstrukturen (z.B. besondere Dienststellen, Abteilungen oder Fachbereiche bei der Polizei oder spezialisierte Abteilungen bei den Staatsanwaltschaften ) bei Verfahren gegen Polizeibeamte Rechnung getragen? Antwort: Im LKA wird zum 01.12.2014 eine landesweite Ermittlungszuständigkeit für Fälle der strukturellen Korruption und der entsprechenden Begleitdelikte, begangen durch Polizeimitarbeiter, implementiert. Andere Amtsdelikte – ohne Korruptionsbezug – die sich gegen Polizeibeschäftigte richten, werden auf Ebene der Bezirkskriminalinspektionen, bzw. Kriminalinspektionen bearbeitet. In der Polizeiabteilung des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten - Referat für Personalangelegenheiten - werden zentral Disziplinarermittlungen für die Ämter und Behörden der Landespolizei durchgeführt. Die Staatsanwaltschaften Lübeck und Kiel bearbeiten Verfahren gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte wegen des Verdachts von Straftaten, die im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit stehen, in besonderen Abteilungen . Bei den Staatsanwaltschaften Flensburg und Itzehoe werden diese Verfahren grundsätzlich in den allgemeinen Dezernaten bearbeitet. Sind Delikte aus einem Sonderdezernat gegeben (Kapitaldelikte, OK-Bezug, BtMG), werden bei der Staatsanwaltschaft Flensburg diese Verfahren im Sonderdezernat bearbeitet. Darüber hinaus kann bei der Staatsanwaltschaft Flensburg aus besonderen Gründen (z. B. Presse, Öffentlichkeit, Stellung des Beamten, Umfang der Tatvorwürfe) eine Einzelzuweisung durch die Behördenleitung erfolgen . 3. Wie steht die Landesregierung zu der Praxis anderer EU-Mitgliedsstaaten, die Ermittlung bei Vorwürfen polizeilicher Straftaten im Amt einer unabhängigen Untersuchungskommission zu übertragen? Antwort: Die Landesregierung hat sich zur Praxis anderer EU-Mitgliedsstaaten im Umgang mit Vorwürfen polizeilicher Straftaten im Amt keine Meinung gebildet. Drucksache 18/2469 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4. Unter welchen Voraussetzungen wird der Verdacht einer Straftat gegen einen Polizeiangehörigen als Straftat im Amt erfasst? Um die Beifügung von Richtlinien , Dienst- oder Verfahrensanweisungen hierzu wird gebeten. Antwort: Wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte (§ 152 Absatz 2 StPO) für eine Straftat vorliegen, die im Zusammenhang mit der Dienstausübung der Polizeibeamten stehen, wird das Verfahren in der MESTA-Verfahrensklasse „POZ – Verfahren gegen Polizeibeamte in dienstlicher Tätigkeit“ erfasst und ggf. zusätzlich in einem PEBB§Y – Sachgebietsschlüssel nach den Sachgebietsnummern 51-53 versehen. 5. Welche Berichts- und Mitteilungspflichten existieren bei dem Verdacht von Straftaten im Amt und bei dem Verdacht von Straftaten durch Polizeiangehörige allgemein? Antwort: Mitteilungspflichten begründen:  Erlass IM IV 443 – 12.36 vom 30.08.11 (Übermittlung von Tatsachen aus polizeilichen Vorgängen, die Beschäftigte der Landespolizei betreffen)  Nr. 15 Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) 6. Wie ist die Verfahrensweise bei wechselseitigen Anzeigen, z.B. wenn gegen einen Polizeiangehörigen Strafanzeige erstattet wird und dieser eine Strafanzeige gegen den Anzeigenden stellt? Wird hier nach einem Prioritätsprinzip oder gleichzeitig ermittelt und bearbeitet? Antwort: Bei wechselseitigen Anzeigen wird unter Verfahrensleitung der Staatsanwaltschaften grundsätzlich unabhängig voneinander gleichzeitig ermittelt. Erstattet der Polizeiangehörige Gegenanzeige mit dem Vorwurf, er sei zu Unrecht beschuldigt worden (§ 164 StGB), kann dieses Verfahren bis zum Abschluss des gegen ihn gerichteten Verfahrens vorläufig gemäß § 154e StPO eingestellt werden.