SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2528 18. Wahlperiode 14-12- Kleine Anfrage des Abgeordneten Johannes Callsen (CDU) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie Abwassersondergebiet Ostsee Vorbemerkung des Fragestellers: Mit dem Inkrafttreten der Entschließung MEPC.200(62) ist die Ostsee ab dem 01.01.2013 das erste Sondergebiet nach der Anlage IV des MARPOLÜbereinkommens für die Einleitung von Schiffsabwässern. Die strengeren Einleitgrenzwerte für Abwässer werden zunächst nur für neue Passagierschiffe ab 2016 und für vorhandene Passagierschiffe ab 2018 gelten. Hinzu kommt ab Januar 2015 gemäß MARPOL-Anlage VI Regelungen hinsichtlich der gültigen Schwefelgrenzwerte in den SECAs (Sulphur Emission Control Areas). 1. Wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung des MARPOL-Übereinkommens in den Ostseehäfen Schleswig-Holsteins? Antwort: Anlage IV des MARPOL-Übereinkommens (MARPOL IV) sieht vor, dass das Einleiten von Abwasser innerhalb eines Sondergebiets von einem neuen Fahrgastschiff ab dem 1. Januar 2016 und von einem vorhandenen Fahrgastschiff ab dem 1. Januar 2018 grundsätzlich verboten ist. Diese Regelung gilt vorbehaltlich der Einreichung von genügend Notifikationen bei der Weltschifffahrtorganisation IMO. Für das Abwassersondergebiet Ostsee ist die Notifikation der Vertragsstaaten noch nicht erfolgt, da Deutschland, Polen und Russland nicht über adäquate Abwasserauffanganlagen verfügen. Die vorgenannten Daten können damit für die Ostsee nicht mehr erreicht werden. Betroffen sind in Schleswig-Holstein vor allem die Häfen Kiel, Lübeck und Puttgarden. Zurzeit finden unter Beteiligung der Bundesregierung, der Lan- Drucksache 18/2528 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 desregierungen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, der Häfen und der Verbände intensive Gespräche bezüglich des weiteren Vorgehens statt. Ziel der Bundesregierung ist, sich in Absprache mit den Häfen kurzfristig auf ein Inkrafttretensdatum der Regelung zu einigen. Im Anschluss soll über die HELCOM (Helsinki-Kommission) das Notifizierungsverfahren eingeleitet werden. In Bezug auf die Umsetzung des neuen Schwefelgrenzwerts von 0,1 Massenhundertteilen zum 1. Januar 2015 in den SECAs Nord- und Ostsee ist in erster Linie die Schifffahrt gefordert sowie die Häfen, soweit zur Abgasentschwefelung spezielle Abgasreinigungsanlagen (Scrubber) eingesetzt werden und dabei im Hafen zu entsorgende Reststoffe anfallen. In den Häfen selbst gilt bereits seit dem 1. Januar 2010 dieser Grenzwert. 2. Wie stehen die schleswig-holsteinischen Ostseehäfen im Vergleich mit den Ostseehäfen aller anderen Ostsee-Anrainerstaaten sowie MecklenburgVorpommerns dar? Antwort: In Bezug auf das Abwassersondergebiet Ostsee stellt sich die Lage in den schleswig-holsteinischen Häfen vergleichbar mit der in MecklenburgVorpommern dar. Die Häfen haben keine adäquaten Abwasserauffanganlagen und müssten Investitionen tätigen. Die anderen Ostseeanrainerstaaten haben mit Ausnahme von Polen und Russland gegenüber der HELCOM adäquate Auffanganlagen gemeldet. 3. Haben die Ostsee-Häfen Schleswig-Holsteins nach Auffassung der Landesregierung durch dieses Übereinkommen einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Häfen an der Nordsee, dem Atlantik, dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer? Antwort: Grundsätzlich werden Wettbewerbsverzerrungen im Ostseeraum oder zwischen Ostsee und anderen Meeresgebieten dadurch vermieden, dass derartige Entscheidungen bei der global agierenden IMO bzw. deren Umweltgremium MEPC verabschiedet werden. Die Ausweisung der Ostsee als Abwassersondergebiet und die damit verbundenen Regelungen wurden aufgrund der besonderen Rahmenbedingungen der Ostsee als weitgehend abgeschlossenes Meeresgebiet mit hoher Eutrophierungsproblematik getroffen. Sie sind aus Umweltsicht, insbesondere vor dem Hintergrund der nach EG-Wasserrahmenrichtlinie und der EGMeeresstrategie -Rahmenrichtlinie zu erreichenden und derzeit verfehlten Ziele „guter ökologischer Zustand“ und „guter Umweltzustand“, nach wie vor geboten . Auf die Ostseepassagierhäfen kommen durch die Einführung des Abwassersondergebiets voraussichtlich Kosten für die Errichtung beziehungsweise Ertüchtigung von Abwasserauffanganlagen zu, die von Wettbewerbshäfen in den genannten Seegebieten nicht getragen werden müssen. Insofern könnten Wettbewerbsnachteile gegenüber diesen Häfen entstehen. 3 4. Wie geht die Landesregierung ggf. gegen Wettbewerbsnachteile vor und hat sie zu diesem Thema gegenüber der EU und dem Bund Stellungnahmen abgegeben ? Falls ja, mit welchem Inhalt? Falls nein, warum nicht? Antwort: Die Landesregierung befindet sich mit den betroffenen Häfen und der Bundesregierung bezüglich dieses Themas im ständigen Dialog. Als Ergebnis der Besprechungen hat die Bundesregierung als HELCOM-Vertragsstaat zunächst die Meldung abgegeben, dass die deutschen Häfen nicht über adäquate Auffanganlagen verfügen. 5. Welche Klärkapazitäten für Grauwasser müssen die schleswig-holsteinischen Seehäfen an der Ostsee pro Liegeplatz hinsichtlich des Übereinkommens vorhalten? 6. Welche Kosten entstehen nach Auffassung der Landesregierung für die schleswig-holsteinischen Seehäfen an der Ostsee pro Liegeplatz, um die geforderte Kapazitätsvorhaltung in Höhe von 300 Kubikmeter zukünftig sicherzustellen ? 7. Werden bereits vorhandene Wasseraufbereitungsanlagen auf Schiffen berücksichtigt und wie beurteilt die Landesregierung die bereits vorhandene Technologie zur Klärung und Einleitung von Grauwasser auf den Schiffen selbst und reicht diese aus um die geforderten Grenzwerte zur Einleitung von Grauwasser schon heute einzuhalten? Die Fragen 5 bis 7 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. MARPOL IV regelt ausschließlich den Umgang mit Schwarzwasser (Ablauf aus Toiletten, Pissoirs, Sanitätsbereich, Räumen, in denen sich lebende Tiere befinden und sonstiges mit diesen Abläufen vermischtes Schmutzwasser). Grauwasser (fäkalienfreies, gering verschmutztes Abwasser) wird durch das Abkommen nicht erfasst und darf weiterhin in die Ostsee eingeleitet werden. Bezüglich der Kapazitätsanforderungen sind keine genauen Vorgaben getroffen worden. Die Anlagen sollen gemäß MARPOL IV Abwasser aufnehmen, ohne eine unangemessene Verzögerung für die Schiffe zu verursachen und ausreichend sein, um den Erfordernissen der sie in Anspruch nehmenden Schiffe zu genügen. Somit muss die Adäquanz der Anlagen für jeden Hafen gesondert festgelegt werden. Die Kosten können erst nach Festlegung der tatsächlich erforderlichen Baumaßnahmen abgeschätzt werden. Bordseitige Kläranlagen sind in MARPOL IV berücksichtigt. Ein Schiff darf geklärtes Abwasser einleiten, wenn es eine zugelassene und bescheinigte Abwasser -Aufbereitungsanlage betreibt. Die heute in Betrieb befindlichen bordseitigen Kläranlagen erreichen jedoch nicht die für das Abwassersondergebiet Drucksache 18/2528 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Ostsee geforderten Grenzwerte, so dass diese Fahrgastschiffe ihre Abwässer ab Inkrafttreten der Regelung vorerst in den Häfen entsorgen müssten. So sind beispielsweise die AIDA-Neubauten mit Membrananlagen zur Grauwasserreinigung ausgestattet, mit denen sie die geforderten Grenzwerte, was Keime und Kohlenstoffabbau angeht, einhalten. Aber sie verfügen nicht über die Möglichkeit, Nährstoffe (Phosphor und Stickstoff) aus dem Abwasser zu entfernen, weshalb einer Einleitung des Abwassers in den Kieler Hafen nicht zugestimmt wurde. 8. Welche Möglichkeiten der Unterstützung bei der Errichtung von „Port Reception Facilities“ in den Häfen durch das Land Schleswig-Holstein sieht die Landesregierung ? Antwort: Das Land strebt an, die Errichtung entsprechender Abwasserauffanganlagen in den Häfen zu fördern. Voraussichtlich wird sich dies innerhalb der Fördermöglichkeiten des geltenden Landesprogramms Wirtschaft ermöglichen lassen . Darüber hinaus prüft der Bund, ob seinerseits komplementäre Fördermöglichkeiten bestehen.