SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2535 18. Wahlperiode 15.12.2014 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Seniorenschutzdezernate in Schleswig-Holstein 1. Bei welchen Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein sind Seniorenschutzde- zernate oder ähnliche Abteilungen eingerichtet? Antwort des Ministeriums für Justiz, Kultur und Europa: Seniorenschutzdezernate sind bei der Staatsanwaltschaft Kiel, der Staatsanwaltschaft Lübeck und bei der Staatsanwaltschaft Itzehoe eingerichtet worden. Bei der Staatsanwaltschaft Flensburg ist die Einrichtung eines Seniorenschutzdezernats geplant. 2. Wie ist die Auslastung der Seniorenschutzdezernate (bzw. ähnlicher Abteilungen )? Antwort des Ministeriums für Justiz, Kultur und Europa: Die Seniorenschutzdezernate bei den Staatsanwaltschaften Kiel, Lübeck und Itzehoe sind voll ausgelastet. Neben der Bearbeitung des hohen Aktenaufkommens werden zur Optimierung der Arbeit im Seniorenschutzdezernat auch Treffen mit Sachbearbeitern bei der Polizei durchgeführt. Darüber hinaus fällt auch die Bearbeitung von Anfragen anderer Behörden und Organisationen, Teilnahme an Interviews sowie die Mitarbeit in Gremien zum Seniorenschutz (z. B. in der AG 31 des Rates für Kriminalitätsverhütung) in die Zuständigkeit der Sonderschutzdezernentinnen und –dezernenten. Zur konkreten Auslastung der Seniorenschutzdezernate bei den Staatsanwaltschaften Kiel, Lübeck und Itzehoe ist folgendes anzumerken: Drucksache 18/2535 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Im Seniorenschutzdezernat der Staatsanwaltschaft Kiel sind im Jahr 2014 (Stichtag : 30. November 2014) bisher 209 Verfahren registriert worden, wobei die meisten Verfahren im Bereich der Eigentumsdelikte (Diebstahl, Diebstahl im besonders schweren Fall) und im Bereich der Vermögensdelikte (Betrug) registriert worden sind. Aber auch wegen Raubtaten sind im Jahr 2014 bisher über 25 Verfahren eingetragen worden. Für das bei der Staatsanwaltschaft Lübeck in der 19. KW 2014 eingerichtete Seniorenschutzdezernat waren nach dem Geschäftsverteilungsplan rund 100 Ermittlungsverfahren jährlich veranschlagt worden. Bis zum 30. November 2014 sind in diesem Dezernat bereits 141 Verfahren registriert worden. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe hat für den dortigen Landgerichtsbezirk mit dem diesjährigen Geschäftsverteilungsplan, der am 10. März 2014 in Kraft getreten ist, das Sonderdezernat „Seniorenschutzsachen“ eingerichtet. In den Monaten März bis einschließlich November 2014 sind in diesem Sonderdezernat insgesamt 52 Verfahren registriert worden. 3. Wie entwickeln sich die Zahlen bei Verbrechensdelikten, die speziell auf ältere Menschen abzielen („Enkeltrick“, Schockanrufe, „Einschleichdiebstähle“, Raubtaten und ähnliches)? Antwort des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten: Die Kriminalitätsphänomene „Enkeltrick, Schockanrufe, Einschleichdiebstähle“ sind keine Straftaten, die gemäß Straftatenkatalog gesondert erfasst und unter diesem Namen in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) aufgelistet werden. Die Statistik zeigt die Straftaten in den Kriminalitätsbereichen der Diebstahls- /Betrugsdelikte ohne recherchierbare Phänomen-Spezifika auf. Aussagen zur Betroffenheit bestimmter Altersgruppen sind nur möglich, wenn es sich um so genannte Opferdelikte handelt. Diebstahls- und Betrugsdelikte gehören nicht dazu. Bezüglich der Altersgruppe der Senioren (60 Jahre und älter) weist die PKS in der 10-Jahres-Entwicklung für Straftaten insgesamt einen Anstieg um 268 Fälle = 15,7% aus (Differenz 2004 zu 2013), wobei die Fallzahlen seit 2008 relativ konstant sind (siehe Anlage). Raubdelikte sind im 10-Jahres-Vergleich um 48,1% zurückgegangen, Körperverletzungen um 21% gestiegen. Um zu beurteilen, in welchem Maße ältere Menschen tatsächlich der Gefahr unterliegen , Opfer einer Straftat zu werden, wird die so genannte Opfergefährdungszahl betrachtet. Hierbei handelt es sich um die Zahl der Opfer bezogen auf 100.000 Einwohner. Die nachfolgende Grafik zeigt auf, dass ältere Menschen in Schleswig-Holstein nur in sehr geringem Maße dieser Gefahr unterliegen. 2 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2535 Opfergefährdung nach Personengruppen Opfer je 100.000 Einwohner Veränderung 2013 2012 absolut in % Gesamtbevölkerung 1.245 1.336 -91 -6,8 männliche Bevölkerung 1.546 1.706 -160 -9,4 weibliche Bevölkerung 954 980 -26 -2,7 Kinder 692 680 +12 +1,8 Jugendliche 2.847 3.185 -338 -10,6 Heranwachsende 4.413 5.119 -706 -13,8 Erwachsene insgesamt 1.118 1.180 -62 -5,3 Erwachsene ab 60 Jahre 247 258 -11 -4,3 Die Opfergefährdungszahl für ältere Menschen betrug in den Jahren 2011: 256 2010: 261 2009: 252 2008: 258 und ist insofern in den letzten Jahren relativ konstant. In den o.g. Fallzahlen sind weder Diebstahls-, noch Betrugsdelikte enthalten. Eine aus diesem Grund vorgenommene ergänzende Auswertung des Vorgangsbearbeitungssystems @rtus zeigt auf, dass auch die jährliche Zahl der Diebstahlsund Betrugsdelikte zum Nachteil von älteren Menschen mit ca. 12.500 Fällen (Diebstahl) und ca. 3500 Fällen (Betrug) in den letzten 3 Jahren relativ konstant ist. Antwort des Ministeriums für Justiz, Kultur und Europa: Da bei den Staatsanwaltschaften Lübeck und Itzehoe erst in diesem Jahr das Sonderdezernat „Seniorenschutzsachen“ eingerichtet worden ist, kann noch keine Entwicklung der Verfahrenszahlen mitgeteilt werden. Für die Staatsanwaltschaft Kiel werden in Bezug auf die im Seniorenschutzdezernat eingetragenen Js-Verfahren (die Verfahren, bei denen der Beschuldigte bekannt ist) folgende Verfahrenszahlen mitgeteilt: Jahr Verfahrensanzahl (Js-Verfahren) 2011 72 2012 99 2013 103 2014 96 3 Drucksache 18/2535 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode In Bezug auf die im Seniorenschutzdezernat eingetragenen UJs-Verfahren (die Verfahren, bei denen der Beschuldigte unbekannt ist) sind folgende Verfahren gezählt worden: Jahr Verfahrensanzahl (UJs-Verfahren) 2011 138 2012 160 2013 145 2014 113 Im Vergleich zu den Vorjahren ist ein Rückgang bei dem Delikt des besonders schweren Diebstahls und dem des Betruges zu verzeichnen. Die Delikte des einfachen Diebstahls und des Raubes bzw. der räuberischen Erpressung und des räuberischen Diebstahls sind hingegen leicht angestiegen. 4. Sieht die Landesregierung Handlungsbedarf in diesem Bereich? Wenn ja, welchen ? Antwort des Ministeriums für Justiz, Kultur und Europa: Die Straftaten, die mit der gezielten und bewussten Ausnutzung der altersbedingten Hilfsbedürftigkeit der Geschädigten in Zusammenhang stehen, haben bei den Opfern häufig massive Auswirkungen. Das Ziel muss daher eine effektive Strafverfolgung sein. Die Staatsanwaltschaften Kiel, Lübeck und Itzehoe haben hier mit der Einrichtung des Seniorenschutzdezernats einen wichtigen Schritt getan, um den Besonderheiten dieser Straftaten Rechnung zu tragen. Auch bei der Staatsanwaltschaft Flensburg ist die Einrichtung eines Seniorenschutzdezernats geplant. Daneben sieht die Landesregierung die Notwendigkeit von nachhaltigen Opferschutzmaßnahmen , denn häufig stellt die Durchführung eines Strafverfahrens für ältere Menschen eine mit massiven Ängsten verbundene besondere Belastung dar. Vor diesem Hintergrund setzt sich die Landesregierung für die Stärkung von Opferschutzmaßnahmen ein. Zu nennen wäre hier beispielsweise die vom Justizministerium finanzierte psychosoziale Prozessbegleitung, die eine besonders intensive Form der Zeugenbegleitung darstellt. Das schleswig-holsteinische Justizministerium war zudem in einer Bund-LänderArbeitsgruppe vertreten, die bundeseinheitliche Standards zur psychosozialen Prozessbegleitung erarbeitet hat. In diesem Rahmen hat sich Schleswig-Holstein dafür eingesetzt, dass die psychosoziale Prozessbegleitung als besonders intensive Form der Zeugenbegleitung zum Abbau von Belastungen und Ängsten nunmehr auch stark belasteten älteren Menschen zu Gute kommt. Ein weiterer Schritt wird das Gesetzesvorhaben zur Umsetzung der Opferschutzrichtlinie (3. Opferschutzreformgesetz) sein, das Schleswig-Holstein konstruktiv begleitet. Neben einer Stärkung der psychosozialen Prozessbegleitung sollen weitere Informationsrechte etc. in der Strafprozessordnung verankert werden. Dieses Gesetzesvorhaben wird die Position von Opfern einer Straftat im Strafver- 4 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2535 fahren und damit auch die Position von Senioren als Opfer stärken bzw. verbessern . 5 IV L KA - 24 42 Po liz ei lic he K rim in al st at is tik hi er : E nt w ic kl un g de r O pf er ä lte r a ls 6 0 ab so lu t m w g m w g m w g m w g m w g m w g m w g St ra fta te n in sg es am t 94 4 76 8 1. 71 2 1. 08 4 78 5 1. 86 9 1. 00 0 73 4 1. 73 4 1. 07 7 75 9 1. 83 6 1. 16 2 87 0 2. 03 2 1. 16 6 84 7 2. 01 3 1. 18 2 83 2 2. 01 4 St ra fta te n ge ge n da s Le be n 6 8 14 9 13 22 14 15 29 16 15 31 16 15 31 13 12 25 18 14 32 St ra fta te n ge ge n di e se x. Se lb st be st im m un g 0 36 36 1 42 43 5 48 53 6 47 53 10 29 39 4 45 49 3 40 43 R oh he its de lik te 93 7 72 4 1. 66 1 1. 07 1 73 0 1. 80 1 97 7 67 1 1. 64 8 1. 05 2 69 6 1. 74 8 1. 13 1 82 2 1. 95 3 1. 14 5 78 9 1. 93 4 1. 15 9 77 7 1. 93 6 R au bd el ik te 56 18 1 23 7 52 16 5 21 7 66 10 9 17 5 72 11 1 18 3 75 12 1 19 6 71 12 4 19 5 85 14 1 22 6 Kö rp er ve rle tz un g 61 6 41 3 1. 02 9 67 3 45 0 1. 12 3 58 6 42 4 1. 01 0 62 5 43 5 1. 06 0 66 4 49 3 1. 15 7 67 9 47 2 1. 15 1 69 8 44 2 1. 14 0 St ra fta te n ge ge n di e pe rs ön lic he F re ih ei t 26 5 13 0 39 5 34 6 11 5 46 1 32 5 13 8 46 3 35 5 15 0 50 5 39 2 20 8 60 0 39 5 19 3 58 8 37 6 19 4 57 0 m w g m w g m w g St ra fta te n in sg es am t 1. 12 1 88 2 2. 00 3 1. 20 9 83 4 2. 04 3 1. 17 2 80 8 1. 98 0 St ra fta te n ge ge n da s Le be n 13 21 34 11 16 27 13 10 23 St ra fta te n ge ge n di e se x. Se lb st be st im m un g 3 36 39 6 35 41 1 33 34 R oh he its de lik te 1. 10 2 82 4 1. 92 6 1. 18 8 78 3 1. 97 1 1. 15 4 76 4 1. 91 8 R au bd el ik te 66 12 7 19 3 79 12 4 20 3 52 71 12 3 Kö rp er ve rle tz un g 66 9 51 0 1. 17 9 72 3 46 3 1. 18 6 73 4 51 1 1. 24 5 St ra fta te n ge ge n di e pe rs ön lic he F re ih ei t 36 7 18 7 55 4 38 6 19 6 58 2 36 8 18 2 55 0 20 11 20 12 20 13 20 05 20 06 20 07 20 09 20 10 20 04 04 . D ez 1 4 20 08 m än nl ic he O pf er ab s. in % w ei blic he O pf er ab s. in % O pf er ge - sa m t ab s. in % St ra fta te n in sg es am t 22 8 24 ,2 40 5, 2 26 8 15 ,7 St ra fta te n ge ge n da s Le be n 7 11 6, 7 2 25 ,0 9 64 ,3 St ra fta te n ge ge n di e se x. Se lb st be st im m un g 1 10 0, 0 -3 -8 ,3 -2 -5 ,6 R oh he its de lik te 21 7 23 ,2 40 5, 5 25 7 15 ,5 R au bd el ik te -4 -7 ,1 -1 10 -6 0, 8 -1 14 -4 8, 1 Kö rp er ve rle tz un g 11 8 19 ,2 98 23 ,7 21 6 21 ,0 St ra fta te n ge ge n di e pe rs ön lic he F re ih ei t 10 3 38 ,9 52 40 ,0 15 5 39 ,2 D iff er en z 20 04 z u 20 13 drucksache-18-2535-anlage.pdf Tabelle2