SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2540 18. Wahlperiode 16. Dezember 2014 Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Patrick Breyer und Wolfgang Dudda (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Kinderschutz durch Therapie pädophil veranlagter Menschen Vorbemerkung der Fragesteller: Nach Schätzungen von Wissenschaftlern ist die Zahl pädophil veranlagter Menschen höher als früher vermutet. 1. Gibt es nach Kenntnis der Landesregierung Psychotherapeuten in Schleswig- Holstein, welche die Therapie Pädophiler anbieten und über freie Kapazitäten verfügen? Wenn ja, wie viele Therapieplätze stehen zur Verfügung (bitte nach Kreisen aufschlüsseln)? Antwort: Das Justizministerium des Landes Schleswig-Holstein kooperiert mit einer Reihe von intramuralen und ambulanten psychotherapeutischen Einrichtungen und frei praktizierenden Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die sich ausschließlich oder ergänzend auch in der Therapie Pädophiler engagieren. Hierbei ist zu differenzieren in a) Einrichtungen und frei praktizierende Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten , die im Rahmen der Strafvollstreckung prinzipiell alle sexuellen Paraphilien , so auch die Pädophilie, therapieren (Tertiärprävention). Es handelt sich um die folgenden Einrichtungen: Forensische Fachambulanzen gem. § 68a StGB: - „Zentrum für integrative Psychiatrie – ZIP“ in Kiel des UKSH Drucksache 18/2540 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 - Beratungsstelle im Packhaus in Kiel der pro familia Schleswig-Holstein. - Fachambulanz Gewalt Lübeck der pro familia Schleswig-Holstein. - Ambulante Sexualstraftätertherapie Flensburg der pro familia Schleswig- Holstein. Diese Einrichtungen stehen für Klienten aus ganz Schleswig-Holstein zur Verfügung . Zusätzlich wird mit einigen wenigen Einzeltherapeutinnen und - therapeuten in mehreren Landkreisen kooperiert. Die vorhandenen Angebote der genannten Träger sind ausgelastet. Vorrangig werden daher Probanden behandelt, die eine entsprechende justizielle Weisung oder Auflage besitzen. b) Das Projekt zur Prävention pädophil motivierten sexuellen Kindesmissbrauchs im Dunkelfeld im Rahmen des bundesweiten Netzwerks „Kein Täter werden“ beim „Zentrum für integrative Psychiatrie – ZIP“ des UKSH in Kiel (Sekundärprävention ): Ziel des Projekts ist es, Männern, die auf Kinder gerichtete sexuelle Neigungen verspüren und über ein entsprechendes Problembewusstsein verfügen, die Möglichkeit zu geben, kostenfrei und anonym sexualtherapeutisch behandelt zu werden. Durch diese Behandlung soll es den Männern ermöglicht werden , ihre Impulse zu kontrollieren um dadurch sexuelle Übergriffe auf Kinder zu vermeiden. Es werden ebenfalls Männer aufgenommen, die in der Vergangenheit bereits wegen sexuellen Kindesmissbrauchs angezeigt und/oder rechtskräftig verurteilt wurden, wenn diese die gegebenenfalls verhängte Strafe verbüßt haben und nicht mehr unter Aufsicht eines Bewährungshelfers / einer Bewährungshelferin stehen. Das Angebot steht allen Schleswig-Holsteinern offen. Eine maximale Kapazität des Projekts ist bislang nicht definiert, alle Fälle können gegenwärtig zeitnah behandelt werden. c) Therapie von Sexualstraftätern in den Justizvollzugseinrichtungen aus Landesmitteln Für die Therapie von Sexualstraftätern in den Justizvollzugseinrichtungen des Landes stehen Mittel in Höhe von 192,0 T€ zur Verfügung, dabei handelt es sich auch, aber nicht nur um pädophil veranlagte Täter. In der JVA Lübeck wird die Therapie durch den externen Träger pro familia durchgeführt. Darüber hinaus werden Sexualstraftäter auch in der anstaltsinternen Sozialtherapie behandelt. In der JVA Neumünster wird die Therapie vom „ZIP“ durchgeführt, in der Jugendanstalt Schleswig gibt es eine sozialtherapeutische Abteilung und darüber hinaus wird ein Therapieangebot von dem externen Träger pro familia durchgeführt. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2540 3 Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass niedergelassene Psychotherapeutinnen und –therapeuten sowie Ärztinnen und Ärzte im Regelfall keine Therapieplätze zur Verfügung stellen. Eine Planung der Behandlungskapazitäten findet bezogen auf die persönlichen Bedarfe der Patientinnen bzw. Patienten praxisindividuell statt. 2. Wird pädophil veranlagten Schleswig-Holsteinern eine Liste behandlungswilliger Therapeuten oder eine Vermittlung entsprechender Therapieplätze angeboten? Wenn ja, wie werden diese Möglichkeiten öffentlich bekannt gemacht? Antwort: In der Regel erfolgt die Vermittlung eines Therapieplatzes über die Bewährungshilfe bzw. die Führungsaufsicht oder andere betreuende Stellen. Die öffentliche Bekanntmachung des Angebots erfolgt durch die Verteilung von Informationsbroschüren in Schleswig-Holstein, durch den Internetauftritt www.kein-taeter-werden.de, durch Presseveröffentlichungen sowie durch regelmäßige öffentliche Fachveranstaltung des „ZIP“ im Kieler Landeshaus (nächstmalig am 30.01.2015). Grundsätzlich bieten die Ärztekammer, Psychotherapeutenkammer und Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein im Allgemeinen Patientinnen und Patienten verschiedene Möglichkeiten, beispielsweise niedergelassene Psychotherapeutinnen und –therapeuten sowie Ärztinnen und Ärzte zu finden. Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) und die Ärztekammer Schleswig-Holstein haben gemeinsam ein Patienten-Telefon eingerichtet. Unter der Telefonnummer 04551 / 803 - 308 kann den Patientinnen und Patienten individuell z.B. Auskunft über Psychotherapeutinnen und –therapeuten sowie Ärztinnen und Ärzte mit speziellen Qualifikationen gegeben, bei der Suche nach einer Klinik geholfen oder Therapie- und Diagnoseverfahren erläutert werden. Über das Patiententelefon wird auf der Homepage der KVSH (www.kvsh.de) und der Landesregierung (www.schleswighol - stein.de/Gesundheit/DE/Gesundheitsversorgung/BeratungSelbsthilfe/artikel_patiententel efon.html), sowie der Ärztekammer (www.aeksh.de) informiert. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, nach einer Ärztin oder einem Arzt mit entsprechenden Qualifikationen online nach den von den Patientinnen und Patienten gewünschten Kriterien zu suchen: www.aeksh.de/patient/patientenberatung und (www.arztfindex.de/cgi-bin/index.pl). Weiterhin gibt es ein Angebot der Arbeitsgemeinschaft „Psych-Info“ der Psychotherapeutenkammern Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Saarland und Schleswig-Holstein. Auf der zentralen Suchseite http://www.psych-info.de/ besteht die Möglichkeit, speziell nach staatlich approbierten Psychotherapeutinnen und –therapeuten zu suchen. Auf dieses Angebot wird beispielsweise von Seiten der Psychotherapeutenkammer (www.pksh.de) und der KVSH hingewiesen (www.kvsh.de/index.php?StoryID=4). Drucksache 18/2540 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 3. Wenn Betroffene eine Therapie nicht selbst zahlen können, welche Mittel stehen dafür bereit? Antwort: Die Behandlung im Rahmen des Projekts zur Prävention pädophil motivierten sexuellen Kindesmissbrauchs im Dunkelfeld im Rahmen des bundesweiten Netzwerks „Kein Täter werden“ beim „Zentrum für integrative Psychiatrie – ZIP“ des UKSH in Kiel ist kostenfrei, s. Antwort zu Frage 1. 4. Gehört nach Auffassung der Landesregierung die Behandlung Pädophiler zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung? Wenn nein, sollte dies so geregelt werden? Antwort: Die Behandlung Pädophiler im Sinne einer präventiven Behandlung gehört derzeit nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nach SGB V. Der Gemeinsame Bundesausschuss entscheidet, ob und welche Behandlungsverfahren von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Menschen mit einer gestörten Sexualpräferenz haben allerdings dann Anspruch auf psychotherapeutische Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung , wenn ihre Neigung mit krankheitswertigen behandlungsbedürftigen psychischen oder psychosomatischen Problemen verbunden ist. 5. Welche zusätzlichen Maßnahmen plant die Landesregierung, um dem Ziel näher zu kommen, jedem behandlungswilligen pädophil veranlagten Schleswig- Holsteiner eine Therapie anbieten zu können? Antwort: Im Rahmen der Tertiärprävention ist geplant, neben Kiel und Lübeck eine dritte forensische Fachambulanz zu installieren, die für Klienten vor allem im Hamburger Randgebiet gut erreichbar ist. Ab 2015 wird die zeitliche Erreichbarkeit des Projekts zur Prävention pädophil motivierten sexuellen Kindesmissbrauchs im Dunkelfeld durch speziell geschultes Fachpersonal im „ZIP“ erweitert.