SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2546 18. Wahlperiode 18. Dezember 2014 Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer und Wolfgang Dudda (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung - Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Auswirkungen der Änderungen am Asylbewerberleistungsgesetz Vorbemerkung der Landesregierung: Nachdem das Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes am 6. November 2014 vom Bundestag in 2. und 3. Lesung verabschiedet worden ist, hat auch der Bundesrat am 28. November 2014 zugestimmt . Das Gesetz wird drei Monate nach Verkündung in Kraft treten (voraussichtlich am 1. April 2015). 1. Wie viele Personen werden bei Umsetzung des Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes (BTDrs. 18/2592) und der angestrebten Änderung des Bundesrates (BR-Drs. 513/1/14 - Ausschussempfehlung) in Schleswig-Holstein in den Aufgabenbereich der Jobcenter und Träger der Sozialhilfe kommen? Es wird darum gebeten, die Angaben jeweils zu der vom Bundestag beschlossenen wie auch zu der vom Bundesrat angestrebten Regelung zu machen. Hierbei ist nach Rechtsgründen der Überführung vom Asylbewerberleistungsrecht zum SGB II, SGB XII zu differenzieren und nach Kreisen aufzugliedern. Antwort: Mit der Umsetzung des Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes werden die Inhaberinnen und Inhaber eines Aufenthaltstitels nach den §§ 25 Abs. 4a und 4b sowie 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes als Personengruppe aus dem personalen Anwendungsbereich des Drucksache 18/2546 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 AsylbLG herausgenommen. Letztere jedoch nur, wenn die Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung 18 Monate zurückliegt. Nach dem Ausländerzentralregister des Bundesverwaltungsamtes (AZR, Stand Oktober 2014) ergibt sich folgende Größenordnung des Personenkreises, der künftig aus dem Asylbewerberleistungsgesetz herausfallen und dann Leistungen nach dem Zweiten bzw. Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II /XII) bezieht: Aufenthaltstitel Inhaberinnen und Inhaber § 25 Abs. 4a und b AufenthG 0 § 25 Abs. 5 AufenthG Entscheidung über Aussetzung der Abschiebung >18 Monate zurück 2.290 (Aufschlüsselung mangels differenzierender Statistik nicht mög- lich) Wäre es hingegen zu der vom Bundesrat angestrebten Änderung gekommen, wären die aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlichen Personenkreise vom personalen Anwendungsbereich des AsylbLG herausgenommen worden. Aufenthaltstitel Inhaberinnen und Inhaber § 23 Abs. 1 AufenthG 656 § 24 AufenthG 1 § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG 139 § 25 Abs. 4a und b AufenthG 0 § 25 Abs. 5 AufenthG Entscheidung über Aussetzung der Abschiebung >18 Monate zurück 2.290 (Aufschlüsselung mangels differenzierender Statistik nicht mög- lich) Es liegen keine statistischen Daten vor, mit der die Frage beantwortet werden könnte, wie viele der Personen zukünftig Leistungen nach dem SGB II und wie viele der Personen zukünftig Leistungen nach dem SGB XII beziehen werden. Die Landesregierung geht aber davon aus, dass der Anteil der Personen, die zukünftig SGB XII beziehen werden, sehr gering sein wird. Der Bezug von Grundsicherung nach SGB XII kommt lediglich im Falle einer dauerhaften Erwerbsminderung bzw. bei Erreichen des Renteneintrittsalters in Betracht. Der Großteil der Personen wird nach Auffassung der Landesregierung nicht erwerbsgemindert und nicht über 65 Jahre alt und damit leistungsberechtigt nach dem SGB II sein. 2. Welche Anforderungen werden an die zukünftigen Träger der Sozialleistungen für diese Personen in qualitativer Hinsicht zu stellen sein, um ihrer Situation gerecht zu werden? Antwort: Infolge der identischen Trägerschaft für die Leistungen nach dem AsylbLG und dem SGB XII ergeben sich keine gesonderten Anforderungen für den Bereich des SGB XII. Die Landesregierung geht davon aus, dass die Jobcenter zukünftig mehr Anstrengungen unternehmen werden, um asylsuchende und geduldete Flüchtlinge dabei zu unterstützen, ihre Zugangschancen zum Arbeitsmarkt zu nutzen. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2546 3 Wie auf diese gestiegenen Anforderungen reagiert wird, entscheiden im Fall der als gemeinsame Einrichtung geführten Jobcenter deren Trägerversammlungen. Sie beraten über die Betreuungsschlüssel und stellen Grundsätze der Qualifizierungsplanung auf. Es wird daher dezentral festgelegt, ob und ggf. wie in der Umsetzung vor Ort auf Rechtsänderungen reagiert wird. Bei den Jobcentern als zugelassene kommunale Träger entscheidet darüber der kommunale Träger. Jobcenter reagieren seit zehn Jahren dezentral und anlassbezogen auf aktuelle Belastungssituationen. Dazu gehört die entsprechende Schulung von Personal in den Bereichen interkulturelle Kompetenz und veränderte rechtliche Anforderungen . Schwankende Zahlen von Menschen im SGB II-Leistungsbezug sind eine gewohnte Herausforderung. Diese werden mit den gut ausgebildeten und erfahrenen Stammbelegschaften bewältigt. 3. Hält die Landesregierung den im SGB II verankerten Betreuungsschlüssel von 150:1 bei Flüchtlingen und Asylbewerbern in Anbetracht der gesteigerten Anforderungen in der Beratung und Unterstützung für angemessen? Antwort: Die Landesregierung hat derzeit keine Veranlassung, diesen gesetzlich vorgegebenen Betreuungsschlüssel für nicht angemessen zu erachten. 4. Welche Informationen hat die Landesregierung über die personellen, fachlichen und finanziellen Kapazitäten der zukünftig zuständigen Träger der Sozialleistungen zur Bewältigung der zusätzlichen Aufgaben? Wie wurden diese ermittelt, sofern keine eigene Ermittlung durch das Land stattgefunden hat, welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Ermittlungen durch den Bund? Antwort: Der Landesregierung liegen derartige Informationen nicht vor. Die Ausgestaltung der Aufgabenerledigung liegt in der Organisationshoheit der jeweiligen Träger der Sozialleistungen. 5. Haben die zukünftigen Träger der Sozialleistungen hinreichend personelle Kapa- zitäten, um die zu erwartenden Mehrbelastungen zu kompensieren? Es wird darum gebeten eine Darstellung der personellen Kapazitäten sowie deren Auslastung beizufügen. Antwort: Vor dem Hintergrund, dass sowohl für die Ausführung des AsylbLG als auch für die Leistungsbewilligung nach dem SGB XII der gleiche Träger zuständig ist, ergeben sich für die Leistungen nach dem SGB XII keine Mehrbelastungen. Daten über die Auslastungssituation des Personals der Jobcentern liegen der Landesregierung nicht vor. Drucksache 18/2546 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 6. Welche weiteren Ausgaben kommen durch die geänderten Zuständigkeiten auf die Träger der Sozialleistungen voraussichtlich zu? In wie weit werden diese durch das Land oder den Bund kompensiert? Insoweit auf die Träger Kostenentlastungen im Asylbewerberleistungsbereich zukommen, wird darum gebeten, diese den zu erwartenden Ausgaben gegenüber zu stellen. Antwort: Im Falle einer dauerhaften Erwerbsminderung bzw. bei Erreichen des Renteneintrittsalters kommt ein Bezug von Grundsicherung nach dem 4. Kapitel SGB XII in Betracht. Diese Kosten werden den örtlichen Trägern der Sozialhilfe zu 100 % vom Bund erstattet. Im Falle der Erwerbsfähigkeit kommt ein Bezug von Arbeitslosengeld II nach dem SGB II in Betracht. Der Regelbedarf wird zu 100 % vom Bund getragen, die Kosten für Unterkunft und Heizung abzüglich der Bundesbeteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung vom kommunalen Träger. Da die Zuordnung zum Rechtskreis von den individuellen Voraussetzungen des jeweiligen Leistungsberechtigten abhängt (dauerhafte Erwerbsminderung, vorübergehende Erwerbsminderung, Erwerbsfähigkeit) ist eine Quantifizierung der Kosten zum derzeitigen Zeitpunkt nicht möglich. In der Folge des Ausscheidens eines Teiles der in Tabelle 1 genannten Fälle aus dem Asylbewerberleistungsbereich wird es zu Kosteneinsparungen kommen. Deren Höhe kann aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös beziffert werden. 7. War die Landesregierung bei der Erarbeitung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung beteiligt (z.B. über eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe)? Wenn ja, welche Positionen hat sie hierbei vertreten? In wie weit wurden die Kommunen beteiligt? Antwort: Die Landesregierung war bei der Erarbeitung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung insoweit beteiligt, als dass sie sowohl die Gelegenheit zur Stellungnahme zum ersten Referentenentwurf aus Dezember 2012 als auch zum zweiten Referentenentwurf aus Juni 2014 wahrgenommen hat. Schleswig-Holstein war Mitantragsteller des im September 2012 von einigen Bundesländern in den Bundesrat eingebrachten und am im November 2012 gescheiterten Entschließungsantrages zur Abschaffung des AsylbLG und Einbeziehung der betroffenen Personengruppen in die bestehenden Leistungssysteme nach SGB II und SGB XII. Angesichts der steigenden Asylzahlen wurde jedoch zunehmend deutlich, dass dieses Anliegen auf absehbare Zeit nicht umsetzbar sein wird. Deshalb vertrat Schleswig-Holstein die Auffassung, dass eine Änderung des AsylbLG mitgetragen werden könne, sofern diese den berechtigten Belangen der Länder Rechnung trägt. Zu den wesentlichen Positionen gehörten:  Vollständige Überleitung in die Leistungssysteme des SGB XII/SGB II (§ 2 AsylbLG)  Herausnahme weiterer Personengruppen (z.B. Personen mit AE nach § 23 Abs. 1 AufenthG) aus dem Kreis der Leistungsberechtigten (§ 1 AsylbLG) Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2546 5  Übernahme der Kosten für die Einbeziehung des Bildungs- und Teilhabepakets in das AsylbLG vom Bund  Vorrang des Geldleistungs- gegenüber dem Sachleistungsprinzip (§ 3 AsylbLG)  Verbesserung der Gesundheitsversorgung (§§ 4, 6 AsylbLG) durch Einbeziehung der Leistungsempfänger in die Strukturen der gesetzlichen Krankenversicherung oder ihre Erfassung über die Regelung des § 264 Abs. 2 SGB V mit der Definition eines Leistungskatalogs Die letzten beiden Punkte sind zwischenzeitlich von der Bundesregierung aufgegriffen worden. Als Folge des sog. Asylkompromisses von 2014 wird die Forderung der Länder hinsichtlich des Vorranges des Geldleistungs- vor dem Sachleistungsprinzip mit dem im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern umgesetzt. Als Ausfluss der Verständigung von Bund und Ländern bezüglich der Änderung des AsylbLG prüft der Bund derzeit gemeinsam mit den Ländern, wie den interessierten Flächenländern die Einführung einer Gesundheitskarte ermöglicht werden kann, mit dem Ziel, dem Bundestag einen entsprechenden Gesetzentwurf zuzuleiten.