SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2547 18. Wahlperiode 2014-12-17 Kleine Anfrage des Abgeordneten Heiner Rickers (CDU) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Tötung von Robustrindern 1. Welche verbindlichen Vorgaben zur Haltung von Robustrindern auf extensiven Weideflächen gibt es in Schleswig-Holstein? Die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein legt den Pachtverträgen für eine ganzjährige Beweidung ein „Merkblatt zum Tierschutz in ganzjährigen Weide- landschaften auf Naturschutzflächen“ bei – s. Anlage 1. Dieses wurde mit dem MELUR und dem Kreisveterinäramt abgestimmt. 2. Inwieweit kann ein Verpächter für Handlungen bzw. Versäumnisse des Päch- ters verantwortlich gemacht werden? Im Rahmen der Gefahrenabwehr ist nach § 219 LVwG auch die Eigentümerin oder der Eigentümer verantwortlich, wenn die öffentliche Sicherheit durch den Zustand einer Sache gestört oder im einzelnen Fall gefährdet wird. 3. Wer hat bei der Tötung einer 21 köpfigen Robustrinderherde Ende November in Bokholt-Hanredder auf jeweils welcher Rechtsgrundlage welche Entschei- dung getroffen? Drucksache 18/2547 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Wie war hierbei die genaue zeitliche Abfolge? Nach Auskunft des Amtes Rantzau sei die Entscheidung vom Ordnungsamts- leiter des Amtes Rantzau auf Grundlage des § 174 Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein getroffen worden. In diesem speziellen Fall sei von der Rinderherde eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgegangen. Am 17.11.2014 nachmittags teilte nach Auskunft des Amtes Rantzau ein Landwirt aus Bokholt-Hanredder der zuständigen Ordnungsbehörde mit, dass die Rinder auf seiner Weide ständig von einer Herde Robustrinder belästigt würden. Er habe bereits mehrfach mit dem Tierhalter Kontakt aufgenommen und ihn gebeten, die niedergetretenen Zäune neu aufzustellen. Dies sei durch den Halter nicht erfolgt und aus diesem Grunde sei die dortige Ordnungsbe- hörde eingeschaltet worden. Am 18.11.2014 vormittags haben sich nach Auskunft des Amtes Rantzau der Ordnungsamtsleiter und eine Mitarbeiterin vor Ort mit dem Halter der Robust- rinder getroffen, um mit ihm die Situation zu besprechen. Der Halter habe er- klärt, dass er seit Wochen versuche, die inzwischen verwilderte Herde einzu- fangen und zu einem Schlachter zu bringen bzw. zu verkaufen. Da die Tiere aber im Laufe der Monate verwildert seien, sei ihm dieses nicht gelungen. Auch ein Anfüttern wäre ihm nicht möglich gewesen, weil er nicht mehr an die Tiere herankäme. Er teilte auch mit, dass die Rinder inzwischen alle Zäune und Knicks niedergetrampelt hätten. Das Pachtverhältnis für die NABU- Flächen sei ihm gekündigt worden und er sollte die Flächen bereits zum 31.10.2014 geräumt haben. Während des Ortstermins erreichte die Ordnungsamtsmitarbeiter nach Aus- kunft des Amtes Rantzau gegen 10.00 Uhr die Nachricht der Polizeistation Barmstedt, dass ein Teil der Rinderherde in Richtung der Hauptstraße in Bok- holt-Hanredder (L 75) zulaufen würde. Dies konnte durch den o.g. Beschwer- de führenden Landwirt verhindert werden. Die Polizei war zwischenzeitlich ebenfalls vor Ort. Nach Auskunft des Amtes Rantzau wurde Kontakt mit dem Veterinäramt des Kreises Pinneberg aufgenommen und um Unterstützung und Beratung gebe- ten. Gegen 12.00 Uhr erschien ein Vertreter des zuständigen Veterinäramtes vor Ort. Von allen Anwesenden wurde nach Beurteilung der Lage erklärt, dass von der Rinderherde eine akute Gefahr ausgehe. Die Tiere seien total verwildert, sie durchbrächen alle Zäune und Knicks, ließen die Menschen nicht mehr in deren Nähe kommen. Damit bestand nach Auskunft des Amtes Rantzau die akute Gefahr, dass die Rinder auf die naheliegende Landesstraße (L 75) zwi- schen Barmstedt und Elmshorn und/oder auf die Autobahn (A 23) laufen. Ver- kehrsunfälle mit Personenschäden waren zu befürchten. 3 4. Welche Alternativen wurden von wem geprüft? Nach Auskunft des Amtes Rantzau wurden mit den anwesenden Personen die Möglichkeiten erörtert, die von den Rindern ausgehende Gefahr zu beseitigen. Ein Einfangen der Rinder sei nach Einschätzung aller Beteiligten (einschl. des Tierhalters) nicht möglich gewesen. Ein Betäuben und Einfangen sei nach Auffassung des Amtstierarztes ausgeschlossen gewesen. Nach Auskunft des Amtes Rantzau war eine Beseitigung der konkreten Gefahr nur durch ein Er- schießen der Herde möglich. 5. Inwieweit war die Kreisveterinärbehörde eingebunden? Am 17.11.2014 meldete sich eine Tierhalterin bei der zuständigen Veterinär- behörde des Kreises Pinneberg und teilte mit, dass besagte Rinder wegen beschädigter Zäune regelmäßig ausbrechen, sich in der Folge auf ihren Wei- deflächen befinden und dort u.a. die weibliche Nachzucht decken. Es wurde ihr eine veterinärrechtliche Prüfung zugesagt, ebenfalls wurde die Tierhalterin an das ordnungsrechtlich zuständige Amt Rantzau verwiesen. Das Amt Rantzau hat am 18.11.2014 die zuständige Veterinärbehörde im vor- liegenden Fall um amtstierärztliche Unterstützung gebeten. Die Veterinärbe- hörde hat am 18.11.2014 ab 13.00 Uhr am Vor-Ort Termin auf der Weide teil- genommen. 6. Welche Voraussetzungen mussten für das Erschießen der Rinder erfüllt sein? Nach § 10 Abs. 5 des Waffengesetz (WaffG) ist für das Schießen mit einer Schusswaffe eine Schießerlaubnis erforderlich, die durch einen Erlaubnis- schein erteilt wird. Einer Schießerlaubnis nach § 10 Abs. 5 WaffG bedarf es gem. § 13 Abs. 6 WaffG nicht, wenn ein Jäger im Rahmen der befugten Jagdausübung mit Jagdwaffen schießt. Der befugten Jagdausübung gleichgestellt ist der Ab- schuss von Tieren, die dem Naturschutzrecht unterliegen, wenn die natur- schutzrechtliche Ausnahme oder Befreiung die Tötung durch einen Jagd- scheininhaber vorsieht. 7. Trifft es zu, dass auch geschossene Tiere einer Verwertung zugeführt werden können? Ja. Wenn ja, warum wurde kein Gebrauch davon gemacht? Drucksache 18/2547 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Nach Angaben der Veterinärbehörde konnte auf Grund der Lageeinschätzung der Ordnungsbehörde des Amtes Rantzau von der Möglichkeit kein Gebrauch gemacht werden. 8. Gibt es eine sogenannte Notfallplanung für ähnlich gelagerte Fälle z.B. auch auf Flächen der Stiftung Naturschutz? Wenn ja, wie sieht diese aus? Bei verpachteten Flächen ist der Halter für die Tierhaltung verantwortlich; ent- sprechende Regelungen u.a. zur Einzäunung sind in den Pachtverträgen bzw. im „Merkblatt zum Tierschutz in ganzjährigen Weidelandschaften auf Natur- schutzflächen“ festgehalten. Stellen die Mitarbeiter der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein im Rahmen der Flächenkontrollen Mängel fest, wird der Pächter benachrichtigt und zur Abhilfe aufgefordert. Die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein hat die Betreuung der Rinder und der Flächen samt Weideinfrastruktur in ihrem Eigenbetrieb an einen Dienst- leister (Weidelandschaften e.V.) vergeben. Dieser hat durch regelmäßige Kon- trollen eine intakte Weideinfrastruktur und Handhabung der Herden zu ge- währleisten. Die Zäune werden regelmäßig kontrolliert und instand gesetzt. Durch dieses Vorgehen seitens der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein war bisher ein Notfallplan entbehrlich. 9. Wie viele Rinder werden in Schleswig-Holstein ganzjährig in extensiver Wei- dehaltung gehalten? Zu dieser Fragestellung liegen der Landesregierung, auch unter Berücksichti- gung der amtlichen Statistiken, keine Angaben vor. Wie viele davon auf Naturschutzflächen? Nach Auskunft der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein werden auf ihren Flächen rund 1.600 Rinder in ganzjähriger Weidehaltung gehalten. 5 Anlage 1 Merkblatt zum Tierschutz in ganzjährigen Weidelandschaften auf Naturschutzflächen (Stand: 07/2013): Sehr geehrter Pächter, dieses Merkblatt möchte Sie als Bewirtschafter auf Tierschutzaspekte aufmerksam machen, die sich aus dem Tierschutzgesetz bzw. den darauf beruhenden Verordnungen ergeben und die bei der ganzjährigen Haltung von Tieren auf Naturschutzflächen zu beachten sind. Grundsätzlich hat der Tierhalter dafür Sorge zu tragen, dass die geltenden tier- schutz- und tierseuchenrechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Gemäß Tierschutzgesetz müssen Tiere vor vermeidbaren Schmerzen, Leiden und Schäden bewahrt werden. Ein Tierhalter /-betreuer muss also entsprechende Fähigkeiten und tierartenspezifische Kenntnisse haben. Nachfolgend angeführte Punkte stellen die Mindestanforderungen für die Freilandhaltung von Rindern dar und beinhalten Vorgaben der TierschutzNutztierhaltungsverordnung . 1. Auswahl der Rasse Die Weidetiere sind nach Größe und Ausstattung der Weidefläche und den Anforderungen des Naturschutzes auszuwählen. Für Ganzjahresweiden werden robuste , genügsame, leichtkalbige Tiere benötigt, deren Nahrungsansprüche, Verhalten und bevorzugte Lebensräume der Fläche angepasst sind. Anspruchsvollere Rassen sind aufgrund ihrer Futterverwertung nicht geeignet, sich während der Vegetationsruhe von dem dann noch auf der Fläche vorhandenen Pflanzenbestand zu ernähren. 2. Witterungsschutz Den Tieren muss ein Witterungsschutz zur Verfügung stehen. Es kommen sowohl natürliche als auch künstliche Schutzmöglichkeiten in Frage. Ein natürlicher Schutz muss ganzjährig Schutz bieten, daher sind unbelaubte Bäume oder Hecken nicht ausreichend. Als wirksamer Schutz kommen räumliche Strukturen, die ausreichend Liegeflächen im Windschatten zulassen, sowie winddichte Vegetation in Frage. Als künstlicher Schutz kommen überdachte, nach zwei Seiten offene Unterstände oder auch das Aufstellen von Windschutzwänden mittels Stroh-Rundballen in Frage. Den Tieren müssen trockene Liegeflächen zu Verfügung stehen, um die Wärmeableitung zu verhindern und den Tieren auch im Winter Ruhephasen im Liegen zu ermöglichen. Trockene Liegeflächen können z. B. durch eine dichte Einstreu hergestellt werden. Kälber benötigen bei winterlichen Witterungsverhältnissen zur Stabilisierung der Körper-temperatur eine genügende Wärmedämmung des Bodens durch Stroh. 3. Versorgung Die Weideflächen müssen für eine artgerechte Haltung so ausgestattet sein, dass Drucksache 18/2547 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode alle Tiere sich selbst Nahrung, Wasser, Witterungsschutz und Ruheplätze erschließen können. Die Wege zwischen diesen Funktionsbereichen dürfen nicht aufgrund von Wasserflächen, Morast o. ä. für die Tiere unüberwindlich sein. Den Tieren muss jederzeit sauberes Wasser zur Verfügung stehen; dies gilt auch bei Frost und Schneelage. Die Wasserversorgung kann durch Oberflächenwasser , aber auch durch Wannen, Tröge, Tankwagen oder Selbsttränken erfolgen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Tränken sauber und funktionstüchtig gehalten werden und ständig befüllt sind. Hinweis: Der Zugang zu Oberflächengewässern kann in Hinblick auf die Verbreitung von Parasiten oder anderen Krankheitserregern problematisch sein. 4. Zufütterung Die Besatzdichte der Weidetiere ist der Größe und Produktivität der Weidefläche anzupassen, um eine ganzjährige Futterversorgung zu gewährleisten. Eine Beurteilung der Besatzdichte einer Ganzjahresweide kann nur im ausgehenden Winter (März/April) erfolgen und hat die verbliebenen Weidereste auf der Fläche und den gesundheitlichen Zustand der Herde zu bewerten. Eine ausreichende Versorgung der Weidetiere mit Mineralstoffen und Spurenelementen ist sicherzustellen. Grundsätzlich muss den Tieren Raufutter zur Verfügung stehen. In Abhängigkeit von der Beschaffenheit der Weide und der Jahreszeit kann Zufüttern der Tiere erforderlich werden, d.h. reicht der natürliche Aufwuchs der Grasnarbe als Nahrungsgrundlage für die Art und Anzahl der dort gehaltenen Tiere nicht aus, muss Raufutter in guter Qualität und ausreichender Menge zugefüttert werden. Dabei ist das Futter vor Nässe und Verschmutzung zu schützen. Bei der Verwendung von stationären Fütterungseinrichtungen wie Raufen und Trögen ist darauf achten , dass der Laufbereich um die Futterstellen befestigt wird, um Morastbildung zu verhindern, bzw. der Standort der Raufen immer wieder geändert wird. 5. Betreuung Die Besichtigung der Tiere muss bedürfnisgerecht in Abhängigkeit von äußeren Einflüssen, wie z. B. Witterung, Futterversorgung oder Trächtigkeitsstadium der Muttertiere erfolgen. Der Gesundheitszustand der Tiere ist in angemessenen Abständen zu kontrollieren , so dass Leiden vermieden wird. Kranke, verletzte oder sehr schwache Tiere sind tierärztlich zu versorgen oder ggf. von der Fläche zu nehmen. Bei ganzjähriger Weidehaltung sollten Abkalbungen in den Monaten Dezember, Januar und Februar vermieden werden. Dementsprechend sollten die Bullen von Februar bis Ende Mai aus der Herde entfernt werden. 6. Herdenführung Wir empfehlen bei Tierhaltungen in ganzjährigen Weidelandschaften, Herden aufzubauen, in denen nach Möglichkeit erfahrene Alttiere mit Flächenkenntnis laufen. Wir empfehlen, in allen Weidehaltungen die Tiere durch Lockfütterung und regelmäßigen Umgang an Menschen zu gewöhnen, um das Handling zu erleichtern . 7. Einzäunung Die Einzäunung muss die ausbruchsichere Unterbringung der Tiere gewährleisten . Werden Pferde gehalten, ist auf Stacheldraht zu verzichten und Glattdraht bzw. eine gut erkennbare Litze zu verwenden. Bei der Verwendung von E- 7 Zäunen ist zu beachten, dass nur VDE-geprüfte Geräte verwendet werden dürfen . Bei offenen Fragen wenden Sie sich bitte an Ihr Kreisveterinäramt! Diesem Merkblatt liegen die gesetzlichen Vorschriften des Tierschutz-Gesetzes, der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sowie des Tierseuchenrechts zugrunde . Empfehlenswerte, weitergehende Informationen erhalten Sie im Buch „Wilde Weiden“ - Praxisleitfaden für Ganzjahresbeweidung in Naturschutz und Landschaftsentwicklung , welches über die Stiftung Naturschutz SH erhältlich ist.