SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2635 18. Wahlperiode 15-01-29 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Heiner Garg (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie Anwendung der Gewerbesteuerhinzurechnung auf Reiseveranstalter Vorbemerkung der Landesregierung: Derzeit ist vor dem Bundesverfassungsgericht ein Normenkontrollverfahren1 anhän- gig, bei dem es u.a. generell um die Verfassungsmäßigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsregelungen geht. Daneben ist beim Finanzgericht Münster2 ein Mus- terprozess eines Reiseveranstalters anhängig. Im Hinblick darauf ruhen Einspruchs- verfahren, in denen sich Reiseveranstalter gegen die Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 Buchstabe e GewStG wenden. Auf Antrag wird Aussetzung der Vollziehung ge- währt. 1. Inwiefern teilt die Landesregierung die Bedenken des Bundeswirtschaftsministers in Bezug auf die Anwendung der Gewerbesteuerhinzurechnung auf Reiseveran- stalter? Antwort: Die Bedenken des Bundeswirtschaftsministers werden vor dem Hintergrund der anhängigen Gerichtsverfahren von der Landesregierung geteilt. 1 Aktenzeichen 1 BvL 8/12 2 Aktenzeichen 9 K 1472/12 G Drucksache 18/2635 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Dem Beschluss zu TOP 12 der Wirtschaftsministerkonferenz vom 10./11.12.2014 3 ist zu entnehmen, dass der Bundesminister für Wirtschaft und Energie die in Fachkreisen vertretene Auffassung, dass die Anmietung von Hotelunterkünften durch Reiseveranstalter nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegt, unterstützt. Beim Reisevorleistungseinkauf handele es sich nicht um die Anmie- tung von Anlagevermögen, sondern um den Einkauf von Umlaufvermögen in Form von Übernachtungskontingenten, so dass eine mit dem Unternehmensteu- erreformgesetz 2008 (BGBl. I, S. 1912) ab dem Erhebungszeitraum 2008 einge- führte gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen nach § 8 Nummer 1 Buchstabe e nicht in Betracht käme. 2. Wie hoch sind die erwarteten Mehreinnahmen durch die Ausdehnung der Ge- werbesteuerhinzurechnung auf Reiseveranstalter, wie viele Unternehmen sind innerhalb Schleswig-Holsteins von der Neuregelung betroffen und mit welchen zusätzlichen Lasten müssen die Reiseveranstalter im Durchschnitt rechnen? Antwort: Die Frage kann nicht beantwortet werden. Zur Teilfrage 1 liegen der Landesre- gierung keine Zahlen vor. Diese können auch nicht belastbar ermittelt werden. Laut Presseberichterstattung, z.B. fvw, Magazin für Business und Travel, v. 11. April 2014, S. 28, rechnen die Tourismusverbände allerdings mit Steuermehrbe- lastungen in Höhe von ca. 1,4 Mrd. Euro bundesweit, wenn es zu Steuernach- zahlungen ab dem Erhebungsjahr 2008 kommt. Zukünftig sei bundesweit mit Mehrbelastungen von ca. 230 Mio. Euro pro Jahr zu rechnen. Diese Beträge dürften den bundesweiten Gewerbesteuermehreinnahmen entsprechen. Welche Beträge insoweit auf Schleswig-Holstein entfallen, ist der Landesregierung nicht bekannt und kann nicht ermittelt werden. Belastbare Zahlen für die Beantwortung der Teilfragen 2 und 3 sind nicht vor- handen. Auch dem Deutschen Tourismusverband e.V., dem Tourismusverband Schleswig-Holstein e.V., dem Deutschen ReiseVerband e.V. sowie der IHK lie- gen insoweit keine Zahlen vor. Insgesamt können die Auswirkungen der durch das Unternehmensteuerreform- gesetz 2008 eingeführten Regelung von Unternehmen zu Unternehmen unter- schiedlich sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Wirkung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungstatbestände durch einen Freibetrag4 abgemildert hat. Darüber hinaus besteht beispielsweise bei kleinen Reiseveran- 3 Vgl. http://www.wirtschaftsministerkonferenz.de/WMK/DE/termine/Sitzungen/14-12-10-11-WMK/14- 12-10-11-beschluesse.pdf?__blob=publicationFile&v=2 4 Von der Summe der Finanzierungsentgelte im Sinne des § 8 Nr. 1 Buchstaben a bis e GewStG wird zunächst der Freibetrag von 100.000 Euro abgezogen und von dem übersteigenden Betrag wird ¼ hinzugerechnet. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2635 3 staltern, deren Gewerbeertrag 24.500 Euro5 nicht übersteigt, gar keine Gewerbe- steuerpflicht.6 3. Wie bewertet die Landesregierung die Relation zwischen den durch Ausdehnung der Gewerbesteuerhinzurechnung generierten Mehreinnahmen für Land und Kommunen und den durch die Neuregelung entstehenden Mehrbelastungen für Reiseveranstalter? Antwort: Die Relation zwischen Steuermehreinnahmen für Land und Kommunen und den Mehrbelastungen der Unternehmen ergibt sich grundsätzlich aus der bundesge- setzlich geregelten Verteilung der Gewerbesteuer auf Bund, Länder und Ge- meinden unter Berücksichtigung der Gewerbesteuer-Umlage. Da der Landesre- gierung keine belastbaren Zahlen hinsichtlich der generierten Mehreinnahmen und der entstehenden Mehrbelastungen durch die Hinzurechnung der Reisevor- leistungen vorliegen, kann die Frage nach der Relation nicht beantwortet werden. 4. Inwiefern sind im Ausland ansässige Reiseveranstalter ähnlichen Belastungen unterworfen? Falls dies nicht der Fall sein sollte, kann und will die Landesregie- rung Wettbewerbsnachteile für in Schleswig-Holstein beheimatete Reiseveran- stalter ausschließen? Antwort: Teilfrage 1: Der Landesregierung ist nicht bekannt, ob im Ausland ansässige Reiseveranstalter ähnlichen Belastungen unterworfen wären. Teilfrage 2: Die Landesregierung ist stets bemüht, Wettbewerbsnachteile für in Schleswig-Holstein beheimatete Unternehmen und damit auch für Reiseveran- stalter auszuschließen. Die Wirtschaftsminister der Länder haben deshalb auch auf o.g. Konferenz die Auffassung vertreten, dass es durch die Hinzurechnung von Reisevorleistungseinkäufen auf die Bemessungsgrundlage der Gewerbe- steuer zu Wettbewerbsverzerrungen auf europäischer Ebene zulasten deutscher Anbieter kommt. Die Wettbewerbsnachteile entstehen durch die steigende Steu- erbelastung der inländischen Reiseveranstalter im Vergleich zu ausländischen Reisebüros und Online-Anbietern mit Sitz außerhalb Deutschlands. Um diese Nachteile auszuschließen, hat die Wirtschaftsministerkonferenz die Bundesregie- rung gebeten, einen klarstellenden koordinierten Ländererlass zeitnah auf den Weg zu bringen. 5 Gem. § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG wird bei natürlichen Personen und Personenunternehmen der Ge- werbeertrag um einen Freibetrag in Höhe von 24.500 Euro gekürzt. 6 Um eine gewerbesteuerliche Belastung von Einzelunternehmen/Personengesellschaften zu kom- pensieren, wird außerdem gem. § 35 EStG eine pauschale Gewerbesteueranrechnung auf die Einkommensteuer durchgeführt. Drucksache 18/2635 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 5. Wie bewertet die Landesregierung die erheblichen Sorgen der Reiseveranstalter, dass im Zuge der massiven steuerlichen Mehrbelastung ein Abbau an Arbeits- plätzen droht? Antwort: Die Landesregierung nimmt diese Sorgen sehr ernst. 6. Wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass die massive Mehrbelastung der Reiseveranstalter zurückgenommen wird und die Vorschriften zur Gewerbe- steuerhinzurechnung der ursprünglichen Intention des Bundesgesetzgebers fol- gen? Antwort: Auf die Beantwortung zu Frage 4, Teilfrage 2 und die Vorbemerkung wird ver- wiesen 7. Wird die Landesregierung einen Vorstoß zur Entlastung der Reiseveranstalter auf Ebene der Landesfinanzminister mittragen? Wie werden die Chancen erach- tet, dass auf Länderebene eine entsprechende Einigung erzielt wird? Antwort: Ein entsprechender Vorstoß ist der Landesregierung nicht bekannt. Die Landes- regierung kann nicht beurteilen, wie sich andere Länder zu einem hier nicht be- kannten Vorstoß positionieren würden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4, Teilfrage 2 und Frage 6 verwiesen. 8. Inwiefern sieht die Landesregierung den Bundesgesetzgeber, die Bundesregie- rung und insbesondere den Bundesfinanzminister in der Verantwortung, die Vor- gaben mit Blick auf die Gewerbesteuerhinzurechnung so zu definieren, dass der Interpretationsspielraum hinsichtlich der Behandlung von Reiseveranstaltern der ursprünglichen Intention des Bundesgesetzgebers folgt? Antwort: Die Landesregierung sieht in der Tat in erster Linie die Bundesregierung und den Bundesgesetzgeber in der Verantwortung, eine entsprechende Regelung zu de- finieren, da sie in einem Bundesgesetz, dem Gewerbesteuergesetz, geregelt ist.