SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2677 18. Wahlperiode 2015-02-11 Kleine Anfrage des Abgeordneten Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Verdeckte Ermittlerin (VE) Iris P./S. (Nachfragen) Vorbemerkung der Landesregierung Unterlagen sind weder bei Landeskriminalamt Schleswig-Holstein (LKA SH) noch bei der Polizeidirektion Kiel (PD Kiel) vorhanden. Der im LKA SH erinnerliche VE-Einsatz erfolgte aufgrund einer Beschlusslage des Ermittlungsrichters des BGH wegen des Verdachtes von Straftaten gem. § 129a StGB in Sachen „AZUM“. Eine Erhebung oder Weitergabe von Informationen außerhalb dieser Zielstellung ist dem LKA SH nicht bekannt. Die Beantwortung der Fragen ist deshalb erinnerungsbasiert. 1. Haben sich das Schleswig-Holsteinische LKA oder andere Stellen des Landes vor dem Einsatz der verdeckten Ermittlerin in Hamburg über deren vorherige Tätigkeiten informieren lassen? Antwort: Nein. 2. War der Landesregierung bekannt, dass die Verdeckte Ermittlerin Iris P./S. im Rundfunkveranstalter "Freien Sender-Kombinat" (FSK) sowohl vor 2004 als auch nach Aufnahme ihrer Tätigkeit für die Ermittlungsbehörden eingesetzt wurde? Wenn ja, warum wurde der Einsatz im FSK unter Führung des LKA Kiel fortgesetzt bzw. nicht unterbunden? Antwort: Nein. Drucksache 18/2677 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 3. Nach Angaben der Hamburger Innenbehörde hatten P.s/S.s Vorgesetzte Kenntnis von ihrer Tätigkeit im "Freien Sender-Kombinat" und haben auch aktiv Einfluss auf ihre redaktionelle Tätigkeit genommen. War der Landesregierung diese Praxis bekannt? Antwort: Nein. Ob die vom Fragesteller unterstellte Praxis den Tatsachen entspricht, ist der Landesregierung nicht bekannt. 4. Wurde die Tätigkeit im FSK genutzt, um personenbezogene Daten oder Lageeinschätzungen für Schleswig-Holstein zu erheben? Antwort: Nein. 5. Auf Weisung der Polizei sollen 2005 im Offenen Kanal Kiel die Türschlösser über Nacht ausgewechselt worden sein, um eine geplante und redaktionell vorbereitete Berichterstattung über eine extrem rechte Veranstaltung in Kiel zu verhindern. Waren Informationen von Iris P./S. mitverantwortlich für die polizeiliche Lageeinschätzung, die zu dieser Entscheidung führte? Antwort: Nein. Die unterstellte Entscheidung der Polizei gab es nicht. Bei der angesprochenen „extrem rechten Veranstaltung“ dürfte es sich um eine Versammlung der NPD am 29.01.2005 in Kiel handeln. Es wird sich bei der Schließung des Offenen Kanals Kiel um eine senderinterne Maßnahme gehandelt haben. 6. Haben die Landesregierung, die Schleswig-Holsteinische Polizei oder andere öffentliche Stellen Informationen, welche sie in den Jahren 2004 bis 2006 aus dem Einsatz der Verdeckten Ermittlerin erlangten, an hamburgische oder andere, nicht schleswig-holsteinische öffentliche Stellen, insbesondere Polizei und Verfassungsschutz, übermittelt? Wenn ja, welche Informationen und zu welchem Zweck? Antwort des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten (MIB): Die aus dem VE-Einsatz resultierenden Erkenntnisse bezüglich des im LKA SH geführten Ermittlungsverfahrens gem. § 129a StGB sind ausschließlich für dieses Verfahren genutzt worden. Die Verfahrensakte wurde nach Abschluss der Ermittlungen dem Generalbundesanwalt übersandt. Im Übrigen nein. Antwort des Ministeriums für Justiz, Kultur und Europa (MJKE): Zur systematischen Aufarbeitung des Sachverhalts, der die Enttarnung einer verdeckten Ermittlerin zum Gegenstand hat, hat der Polizeipräsident der Polizei Hamburg mit Schreiben vom 17. Dezember 2014 den Leitenden Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg um Unterstützung gebeten. Die Staatsanwaltschaft Flensburg hat dem Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2677 3 Polizeipräsident der Polizei Hamburg hierzu folgende Informationen übersandt:  Der Generalbundesanwalt hat beim Bundesgerichtshof ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Mitglieder der Gruppierung „autonome zelle in Gedenken an ulrike meinhof“ geführt. Das Verfahren wurde im Oktober 2000 eingeleitet und im Juli 2008 an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg zuständigkeitshalber abgegeben, nachdem die Ermittlungen des Generalbundesanwalts erfolglos geblieben waren. Das Verfahren wurde ohne weitere Ermittlungen mit Verfügung vom 25.08.2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und die polizeilichen Ermittlungen in dem vorgenannten Verfahren vom Landeskriminalamt Schleswig-Holstein geführt.  Aus den vorliegenden Akten der Staatsanwaltschaft Flensburg ergibt sich kein Hinweis darauf, dass der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof den Einsatz eines verdeckten Ermittlers angeordnet hat. Ob P./S. dort als Anzeigende oder Zeugin/nen bekannt sei, könne ohne nähere Angaben nicht beantwortet werden. Ohne nähere Angaben gibt das Informationssystem der schleswigholsteinischen Staatsanwaltschaften MESTA nämlich wegen des „Allerweltcharakters“ der Namensfragmente „Iris P.“ bzw. „Iris S.“ zahlreiche Treffer: In MESTA werde als Anzeigende Iris P. vermerkt. Das dazugehörige Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Kiel geführt. Darüber hinaus existierten für eine Iris S. sechs Personeneintragungen in MESTA. Vier weitere, in MESTA erfasste Damen wurden als eine Iris S. geboren.  Das Verfahren des Generalbundesanwalts wurde lediglich zum Zwecke der Einstellung an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg abgegeben. Ermittlungen wurden durch diese weder geführt noch veranlasst. Auf die Antwort der Landesregierung Schleswig-Holstein auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dudda (Piraten), Drs. 18/2551, Schleswig-Holsteinischer Landtag vom 19.12.2014 wurde ergänzend Bezug genommen. 7. Wie ist die Löschfrist für Akten aus Ermittlungsvorgängen wie dem hier behandelten für Polizei und Staatsanwaltschaft ausgestaltet? Antwort des MIB für den Polizeibereich: Für den im LKA SH geführten Ermittlungsvorgang galt die Erlasslage vom 01.01.1993 zur Aufbewahrung der Durchschriften von Ermittlungsvorgängen. Danach war eine Aufbewahrungsfrist von höchstens fünf Jahren nach der letzten bekannten Tat vorgesehen. Die letzte Tat im Ermittlungskomplex ereignete sich nach Erinnerung 2003. Das Verfahren wurde 2008 eingestellt und damit rechtskräftig abgeschlossen, so dass die Löschung erlassgemäß mit Ablauf des Kalenderjahres erfolgt sein dürfte. Antwort des MJKE: Die Fristen für die Aufbewahrung von Akten staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren sind in der Landesverordnung über die Aufbewahrungsfristen für das Schriftgut in der Justiz und der Justizverwaltung (Justizschrift- Drucksache 18/2677 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 gutaufbewahrungsverordnung – JschhrAufbVO) vom 20. Dezember 2011 geregelt. Die jeweils geltende Aufbewahrungsfrist ist der Anlage zur JSchhrAufbVO zu entnehmen. Für die Akten staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren ergeben sich die Fristen aus lfd. Nr. 622ff. der Anlage. Für die Aufbewahrung von Justizverwaltungssachen gelten abweichende Fristen gemäß lfd. Nr. 651ff. der Anlage. Hiernach beträgt die Aufbewahrungsfrist für Akten (einschließlich aufzubewahrender Handakten) über Verfahren zur Ermittlung von Bränden (Brandsachen ) 20 Jahre und in sonstigen Angelegenheiten, in denen das Verfahren eingestellt ist, 5 Jahre (lfd. Nr. 622 der Anlage zur JSchrAufbVO). Akten, aus denen sich ergibt, dass der objektive Tatbestand eines Verbrechens oder Vergehens vorliegt, der Täter aber nicht zur Aburteilung zu bringen ist, sind in allen Fällen mindestens so lange aufzubewahren, als nicht die Strafverfolgung durch Verjährung ausgeschlossen ist. Eine längere Aufbewahrungsfrist kann bei dem Weglegen der Akten bestimmt werden, wenn die Aufbewahrungsfrist im Einzelfall aus besonderen Gründen als zu kurz erscheint (§ 2 Abs. 3 JSchrAufbVO). Die für Zwecke der Strafverfolgung im Vorgangsbearbeitungs- und Verwaltungssystem MESTA entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen (§§ 483ff. StPO) gespeicherten personenbezogenen Daten werden automatisiert nach den für die Datenlöschung bestehenden gesetzlichen Regelungen (§ 488 Abs. 2 StPO) gelöscht.