SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2708 18. Wahlperiode 2015-02-23 Kleine Anfrage des Abgeordneten Oliver Kumbartzky (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Wildtierstationen in Schleswig-Holstein 1. Wie viele Pflegestellen für in Not geratene Wildtiere gibt es in Schleswig- Holstein und wo befinden sich diese? Pflegestationen für Wildtiere benötigen zu ihrem Betrieb eine Tiergehegegen- ehmigung gemäß § 28 Absatz 1 des Gesetzes zum Schutz der Natur (Lan- desnaturschutzgesetz – LNatSchG). Nach Angabe der unteren Naturschutz- behörden bestehen in Schleswig-Holstein mindestens 14 Pflegestationen, die in der folgenden Tabelle im Einzelnen dargestellt sind. Kreis/kreisfreie Stadt Bezeichnung der Station Ort NF * NF Westküstenpark als Rehabilitationsstation für verölte Seevögel, Wohldweg 6, 25826 St. Peter-Ording FL keine SL Tiergehege Muschalla – Freigehege und Voliere für verletzte und aufgefundenen Tiere Loftlunder Weg 2, 24983 Handewitt SL Freigehege Bergenhusen – Aufnahme von Störchen Bergenhusen NABU 24861 Bergenhusen SL Greifvogelstation sowie Rehabilitation für verölte Seevögel; Dt. Tierschutzbund e.V. Weidefelder Weg 14 Kappeln RD Verein Igelhilfe Westerrönfeld e.V Rudolf-Kinau-Straße 10, 24784 Westerrönfeld NMS * Drucksache 18/2708 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Kreis/kreisfreie Stadt Bezeichnung der Station Ort KI * HEI Seehundstation Friedrichskoog e.V. (Seehunde, Kegelrobben) An der Seeschleuse 4, 25718 Friedrichskoog HEI Wildtierhilfe Fiel e. V. Fiel 46, 25785 Nordhastedt HEI Falkenhof Eisenschmidt (Greifvögel ) Hauptstrasse 37,25782 Schalkholz PLÖ Wildtierheim Preetz Vogelschutzgruppe der ev. Jugend Preetz Kirchplatz 8 24211 Preetz OH Uhuvoliere (Gemeinde Kasseedorf ), Stiftung Elisabeth Mierendorff , Hilfe für Tiere in Not Oldenburger Landstraße 20, 23701 Eutin OH Vogelpark Niendorf, 23669 Niendorf SE Wildpark Eekholt Eekholt 1 24623 Großenaspe SE * IZ keine HL keine OD keine PI Wildtier- und Artenschutzzentrum Hamburg Am Sender 2 25365 Klein OffensethSparrieshoop Tel. 04121 4501939 RZ Wildpark Mölln Waldhallenweg 11, 23879 Mölln * eine Beantwortung der Frage war den betreffenden Kreisen in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2. Betreibt oder unterstützt das Land Schleswig-Holstein Pflegestellen für in Not geratene Wildtiere? Wenn ja, welche Einrichtungen werden durch das Land unterstützt und wie sieht die Unterstützung aus? Wenn nein, warum nicht? Nein. Zwar erlaubt § 45 Absatz 5 BNatSchG abweichend von den Zugriffsverboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 BNatSchG sowie den Besitzverboten, die Auf- nahme verletzter, hilfloser oder kranker Tiere, um sie gesund zu pflegen. Mit dieser Erlaubnis wird allerdings nicht artenschutzfachlichen Erfordernissen ge- folgt. Es handelt sich allein um die Förderung von Bemühungen, die auf der Grundlage tierschutzrechtlicher Überlegungen fußen. Zudem muss insbesondere bei der Aufnahme von Wildtieren sensibel vorge- gangen werden. Die Haltung in Pflegeeinrichtungen bedeutet für diese in der Regel eine enorme Belastung (Stress), die schnell den Tatbestand des erheb- lichen Leidens erfüllen kann. Sollte die Gefahr bestehen, dass einzelne Tiere nicht vollständig genesen und in vertretbarer Zeit wieder freigesetzt werden können, sollte grundsätzlich von einer Pflege abgesehen und allenfalls eine tierschutzgerechte Tötung erwogen werden. Nur in sehr seltenen Fällen ist es anzeigt, erkrankte oder verletzte Tiere aus Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2708 3 artenschutzfachlichen Erwägungen heraus zu pflegen. Dies könnte zum Bei- spiel der Fall bei sehr seltenen Tierarten sein, bei denen bereits einzelne anth- ropogen verursachte Individuenverluste populationsgenetische Verluste dar- stellen würden. Zur Unterbringung dieser sehr selten auftretenden Fälle bedarf es aber keiner speziellen Einrichtung des Landes. In der Regel finden sich in diesen Fällen zoologische Gärten, die bereit sind, diese Pfleglinge zu be- treuen. Auf der Grundlage populationsbiologischer Erwägungen muss die Pflege und Freisetzung erkrankter Wildtiere grundsätzlich kritisch hinterfragt werden. Tie- re wild lebender Arten sind den Einflüssen der freien Wildbahn uneinge- schränkt ausgesetzt. Nur die an die jeweils herrschenden Verhältnisse ihres Lebensraumes am besten angepassten Individuen haben mittel- bis langfristig eine Chance, ihre Merkmale in die Folgegenerationen zu übertragen. Dieses Zusammenspiel aus genetischer Variabilität und Selektion durch Umweltein- flüsse erlaubt eine Anpassung auch an regional unterschiedliche Lebens- raumverhältnisse (Raum) und sich ändernde Lebensbedingungen im Verlauf der Erdgeschichte (Zeit). Eine Förderung möglicherweise schlecht angepass- ter Individuen und deren Wiedereinbringung in die Freilandpopulation birgt die Gefahr, dass die Anpassungsfähigkeit der betroffenen Population langfristig gestört und ihre Überlebenschance insgesamt verschlechtert wird. Aus diesem Grund werden entsprechende Einrichtungen aus Mitteln des Artenschutzes nur dann gefördert, wenn sie Wiederansiedlungsprojekte, die durch das Land befürwortet werden, unterstützen können. Derzeit gibt es derartige Wiederan- siedlungsprojekte im Land aber nicht. Eine Förderung aus Gründen des Tierschutzes ist ebenfalls nicht möglich, da entsprechend gewidmete Haushaltsmittel nicht zur Verfügung stehen. 3. Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Tiere in den Wildtierstationen in den letzten fünf Jahren jeweils versorgt wurden? Wenn möglich, bitte die An- zahl der versorgten Tiere jährlich differenziert angeben. Nein. Das Land selbst unterstützt entsprechende Stationen nicht. Über die Zahl der versorgten Tiere in den durch die Kreise genehmigten Stationen liegen keine Informationen vor. Zwar müssen in den Stationen Ein- und Ausgangsbücher geführt werden, eine Auswertung dieser Gehegebücher war jedoch in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Ist der Landesregierung bekannt, wie hoch die jeweilige Kapazität und die je- weilige Auslastung der Wildtierstationen sind? Sofern möglich, bitte die Kapa- zitäten und die Auslastungen für die letzten fünf Jahre differenziert angeben. Nein, siehe Antwort zu Frage 2 und 3. Drucksache 18/2708 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 5. Wie unterscheiden sich die Anforderungen bei der Pflege von Wildtieren zur sonst in Tierheimen üblichen Versorgung von Haustieren? Ergeben sich dadurch erhöhte Anforderungen an Unterbringung, medizinisches Fachwissen oder Finanzmittelbedarfe? Die Pflege von Wildtieren unterscheidet sich im Vergleich zur üblichen Versor- gung von Haustieren in Tierheimen ganz wesentlich. Haustiere haben im Ver- lauf eines Domestikationsprozess, der sich über Jahrtausende hinziehen kann, zahlreiche Anpassungen an den Hausstand erworben. Hiervon sind so- wohl morphologische als auch ethologische Merkmale betroffen. Diese An- passungen erleichtern beziehungsweise erlauben in der Regel den betroffe- nen Tieren erst das Leben im Umfeld des Menschen. Bei der Haltung von Wildtieren sind dementsprechend über reine Haltungsan- forderungen hinaus zahlreiche weitere Bedingungen zu erfüllen, die eine ver- haltensgerechte Unterbringung verantwortbar erscheinen lassen. Sie stellen deutlich erhöhte Anforderung an die Größe und die Ausgestaltung der jeweili- gen Gehege, an ihre Ernährung und an die Anreicherung ihres Lebensumfel- des (Enrichment). Hierzu bedarf es im Vergleich zur Haltung von Haustieren wesentlich erweiterter Kenntnisse an die Ansprüche der jeweils gehaltenen Wildtierarten. Darüber hinaus gestaltet sich die medizinische Versorgung von Wildtieren wesentlich schwieriger, da auch hierfür Spezialkenntnisse erforder- lich sind, über die der Großteil der Veterinärmediziner – die ja in der Hauptsa- che Haustiere behandeln – nicht verfügt. In der Regel verfügen nur bestimmte Berufsgruppen oder Spezialisten über die zur Haltung von Wildtieren benötig- ten umfassenden Kenntnisse (Zootierpfleger, Zoologen, Zootierärzte).