SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2753 18. Wahlperiode 13.03.15 Kleine Anfrage des Abgeordneten Karsten Jasper (CDU) und Antwort der Landesregierung - Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Umwelterkrankte in Schleswig-Holstein Vorbemerkung der Landesregierung: Der Begriff „Umweltmedizin“ bzw. „Umwelterkrankte“ ist nicht eindeutig defi- niert und wird für unterschiedliche Sachverhalte genutzt: Eine Säule der Um- weltmedizin befasst sich mit der Erkennung und der Vorsorge umweltbeding- ter Gesundheitsrisiken und ist meist im Bereich Öffentliche Gesundheit („Um- welthygiene“) angesiedelt. Die andere Säule, die individualmedizinische oder klinische Umweltmedizin, befasst sich konkret mit der medizinischen Versor- gung von einzelnen Patienten. Klinische Umweltmedizin und bevölkerungsbe- zogene Umweltmedizin sind dabei auf einen engen Austausch ihrer Erkennt- nisse angewiesen. Umweltmedizin kann also als die Lehre von der Prävention, Diagnose und Behandlung von Erkrankungen verstanden werden, die mit Umweltfaktoren in Verbindung gebracht werden, deren Ursache aber nicht zwangsläufig immer darin zu finden ist. 1. In welchen Kliniken in Schleswig-Holstein gibt es einen Bereich „Umweltmedi- zin“? An welchen Kliniken sind umweltmedizinisch ausgebildete Fachärzte tä- tig? Drucksache 18/2753 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Antwort: Die Fachkliniken Nordfriesland verfügen am Standort Riddorf über sechs für Umweltmedizin ausgewiesene Planbetten (Krankenhausplan 2010 des Lan- des Schleswig-Holstein, Amtsblatt Ausgabe Nr. 3 vom 18.01.2010, S. 103). Darüber hinaus verfügen weitere Kliniken über umweltmedizinische Expertise bzw. Spezialisierung. Hierzu gehören z.B. die Klinik Borstel (mit pulmonologi- schem Schwerpunkt) und die Kliniken für Dermatologie des Universitätsklini- kums für spezielle dermatologisch-allergologische Patienten. Es gibt keine Facharztbezeichnung Umweltmedizin. Es gab eine Zusatzbe- zeichnung Umweltmedizin. Diese Weiterbildung wird nicht mehr angeboten. Die Ärztinnen und Ärzte mit dieser Zusatzbezeichnung sind nicht erfasst. Fachärztinnen und Fachärzte mit der Bezeichnung Hygiene und Umweltmedi- zin haben eine beratende Aufgabe ihrer in der Praxis tätigen Kolleginnen und Kollegen. 2. In welchen Kliniken in Schleswig-Holstein können Patienten, die unter Multiple Chemicals Sensitivity (MCS), Cronic Fatigue Syndrom (CFS), Fibromyalgie Syndrome (FMS) oder vergleichbaren Krankheiten leiden, ganzheitlich oder spezifisch behandeln lassen? Antwort: Patientinnen und Patienten, die an o.g. oder vergleichbaren Krankheiten lei- den können grundsätzlich in jedem Krankenhaus behandelt werden. Spezifi- sche Aspekte, wie z.B. die Alltagsbewältigung, können in psychosomatischen Zentren ganzheitlich oder spezifisch therapiert werden, je nachdem welches Krankheitsbild im Mittelpunkt steht. Die Behandlung schließt die Abmilderung der Überempfindlichkeit ein. 3. Gibt es Akut-Krankenhausbetten für die o. g. Patienten? Wie wird auf die indi- viduellen Empfindlichkeiten (Suszeptibilität) gegenüber Schadstoffen und de- ren genetische Grundlagen geachtet? Antwort: Es wird auf die Antworten auf Frage 1 und 2 verwiesen. Die Entscheidung der Beachtung von Polymorphismen und der dadurch bedingten veränderten Wirksamkeit medizinischer Behandlung obliegt der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2240 3 4. In welchen Kliniken können insbesondere Patienten, die unter den o.g. Krank- heiten leiden, behandelt und operiert werden? Antwort: Patientinnen und Patienten mit den o.g. Krankheiten können grundsätzlich in jedem Krankenhaus behandelt und operiert werden. 5. Welche Hausärzte sind umweltmedizinisch ausgebildet und sind für die Be- handlung gesetzlich-versicherter Patienten zugelassen? Antwort: Die ambulante Versorgung der Bevölkerung in Schleswig-Holstein erfolgt durch niedergelassene Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen mit der Ausbil- dung und Zusatzbezeichnung „Umweltmedizin“, siehe auch ArztFindex (http://www.arztfindex.de/cgi-bin/index.pl). Nach Auskunft der Kassenärztli- chen Vereinigung (KVSH) gibt es derzeit 36 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, die die Zusatzbezeichnung „Umweltmedizin“ führen. Davon sind 16 hausärztlich tätige Ärztinnen und Ärzte und 20 Fachärztinnen und Fachärzte. 6. Wo gibt es Schwerpunktpraxen und/oder Ambulanzen, in denen Ärzte tätig sind, die aufgrund ihrer Erfahrungen speziell die Zusammenhänge zwischen Chemikalienexposition und chronischen Krankheiten diagnostizieren und ent- sprechende Behandlungen einleiten können? Antwort: Der Landesregierung liegen keine Angaben hinsichtlich solcher Schwerpunkt- praxen und/oder Ambulanzen im niedergelassenen Bereich vor. Es ist aber davon auszugehen, dass Ärztinnen und Ärzte mit der Ausbildung und Zusatz- bezeichnung „Umweltmedizin“ diese Zusammenhänge diagnostizieren und entsprechende Behandlungen einleiten können (siehe Antwort auf die Frage 5). Die Fachkliniken Nordfriesland haben zusätzlich zum stationären Behand- lungsansatz ein ambulantes Angebot und eine Expertise zur Beratung weiter- behandelnder Kolleginnen und Kollegen. 7. Gibt es Einrichtungen in Schleswig-Holstein, die Forschungen betreiben, um das Wissen über die spezifischen physiologischen Vorgänge und Zusammen- hänge bei den o. g. Krankheitsbildern zu vertiefen mit dem Ziel, besser diag- Drucksache 18/2753 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 nostizieren und letztendlich gezielter behandeln zu können? Antwort: Die Fachkliniken Nordfriesland sind die einzige Einrichtung in Schleswig- Holstein, die einen Forschungsschwerpunkt im Bereich umweltmedizinischer Erkrankungen hat. Teilaspekte des Themas werden auch an anderen Einrich- tungen untersucht, z.B. im Forschungszentrum Borstel der Bereich Asthma und Allergie und am UKSH u.a. die Bereiche umweltbedingte Hauterkrankun- gen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten sowie der Einfluss von Umweltschad- stoffen auf den Respirationstrakt. 8. Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Menschen in Schleswig-Holstein unter MCS leiden? Wenn ja, wie viele? Was für eine Behandlung erfolgt bei diesen Patienten? Antwort: Der Landesregierung liegen keine Daten vor, wie viele Menschen in Schles- wig-Holstein unter MCS leiden. Grundsätzlich können Statistiken zu einzelnen Krankheitsbildern nur ausgewertet werden, wenn diese im sog. Diagnose- schlüssel definiert sind. Deutschland nutzt hierfür die ICD-10 Schlüssel1. Das Bundesamt für Statistik veröffentlicht hierzu die Zahl der stationären Fälle im jeweiligen Behandlungsfall. Eine ICD-10 für MCS gibt es nicht, entsprechende Erkrankungen werden im Diagnoseschlüssel T78.4 – Allergie, nicht näher bezeichnet - zusammenge- fasst. Deutschlandweit wurden für das Jahr 2013 unter dieem ICD 10 Diagno- seschlüssel 5.610 Patientinnen und Patienten erfasst, in Schleswig-Holstein waren es 208 Fälle. Dabei ist zu berücksichtigen, dass hier nur die Patientin- nen und Patienten erfasst wurden, bei denen der Einweisungsgrund für eine stationäre Krankenhausbehandlung – also die Hauptdiagnose – die Allergie war. Der vermutlich weitaus häufigere Fall – eine Allergie als Nebendiagnose – lässt sich mit den Daten, die der Landesregierung zur Verfügung stehen, nicht ermitteln. 1 Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information gibt hierzu die Erfassungs- grundlagen vor (https://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-gm/).