SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2879 18. Wahlperiode Stand. 09.04.2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Dudda (Piraten) und Antwort der Landesregierung - Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Geburtshilfe Notfallkonzept – Umsetzung in Ostholstein und auf der Insel Sylt 1. Wie sieht das Notfallkonzept für die Geburten in Ostholstein und Sylt zur Zeit im Detail aus? Es wird darum gebeten, das Notfallkonzept in Gänze vorzulegen. Antwort: Kern einer medizinischen Notfallversorgung, einschließlich eines geburtshilflichen Notfalls, ist der Einsatz des Rettungsdienstes, der über 112 alarmiert wird. Im Zusammenhang mit der Schließung der Geburtshilfe in Oldenburg wurde die Ansprechzeit für den nachtflugfähigen Rettungshubschrauber in Rendsburg deutlich verkürzt. Die Rettungsassistenten in den Regionen Nordkreis Ostholstein und auf Sylt wurden zusätzlich geschult. In Ostholstein wurde zudem zusätzliche Ausstattung für den Transport von Neugeborenen im RTW beschafft. Mit der Schließung der Geburtshilfe in Sylt wurde erstmals in Schleswig-Holstein eine sogenannte Boarding-Möglichkeit zunächst an der Diakonissenanstalt in Flensburg geschaffen, später auch an der Geburtsklinik in Niebüll. Diese Möglichkeit einer kostenfreien Unterbringung von Schwangeren (einschl. Partnern und in Einzelfällen auch Geschwisterkindern) steht Schwangeren aller nordfriesischen Inseln und Halligen zur Verfügung. Für den nördlichen Kreis Ostholstein gibt es ein Boarding-Angebot an der Sana Klinik in Eutin, das ebenfalls Partnern und Geschwisterkindern offen steht. In Nordfriesland wird mit den Hebammen über eine Einbindung in den Rettungsdienst in Form eines Bereitschaftsdienstes verhandelt. Diese soll möglichst vertraglich geregelt werden. Bisher erfolgt die Hinzuziehung im Einzelfall. In Ostholstein wurde den Hebammen angeboten, ebenfalls über eine Einbeziehung in die Notfall- Drucksache 18/2879 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 versorgung zu sprechen. Dieses ist jedoch an der fehlenden Bereitschaft der Hebammen gescheitert. In beiden Regionen wurden die niedergelassenen Frauenärztinnen und Frauenärzte sowie die Hebammen über die Boarding-Angebote informiert sowie über die jeweilige Kreißsaal-Telefonnummer, die auch für die Schwangeren zur Verfügung steht. Eine ausführliche Darstellung der Maßnahmen für den nördlichen Teil Ostholsteins findet sich im Umdruck 18/2561. 2. Wurden die betroffenen Gemeinden im o. g. Einzugsgebiet über die Einzelheiten des Notfallkonzeptes informiert? Wenn ja, wann, durch wen und welche Rückmeldungen gab es ggf. darauf? Antwort: Nach Auskunft des Kreises Nordfriesland wird regelmäßig über die Situation der Geburtshilfe im entsprechenden Ausschuss des Kreistages informiert. Im Kreis Nordfriesland ist der Vorsitzende des Sozialausschusses der Stadt Sylt in die wesentlichen Gespräche und Erörterungen eingebunden, zusätzlich wird er durch zuständige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreises informiert. In Westerland hat es im Jahre 2013 und 2014 eine Reihe von Gesprächen mit Vertreterinnen der Landesregierung gegeben, an denen sowohl die Hebammen, wie auch Vertreter und Vertreterinnen der Stadt Westerland teilgenommen haben. Im nördlichen Kreis Ostholstein gab es sowohl auf Fehmarn wie auch in Oldenburg im Jahr 2014 mit Staatssekretärin Frau Langner Gespräche über die Situation der Geburtshilfe und die Maßnahmen bei geburtshilflichen Notfällen, an denen Mitglieder des Kreistages sowie der jeweiligen Stadtvertretung teilgenommen haben. In den öffentlichen Sitzungen des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit ist von der Verwaltung regelmäßig über den aktuellen Sachstand zur Geburtshilfe berichtet worden, insbesondere über die geplanten bzw. bereits umgesetzten flankierenden Maßnahmen des Kreises Ostholstein als Träger des Rettungsdienstes. Zur Sitzung des Ausschusses am 27.05.2014 sind die aktuellen Informationen in einer schriftlichen Vorlage aufbereitet worden. Der in dieser Sitzung von der Geschäftsführung der Sana Kliniken GmbH gegebene Statusbericht, der unter Ziffer 3.1.5 Versorgung im Notfall auch das "Rettungskonzept" beinhaltet, ist der Niederschrift als Anlage beigefügt worden. Das daraus entwickelte Konzept zur Neuausrichtung und Bündelung der Geburtshilfe in Ostholstein vom 27.06.2014 wurde der Vorlage (als Auszug in der Anlage) für den Ausschuss für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 beigefügt. Sämtliche mündlichen Berichte sowie schriftliche Vorlagen einschließlich Anlagen zum Thema "Geburtshilfe" sind auf den Internetseiten des Kreistagsinformationssystem öffentlich zugänglich. 3. Wie und durch wen werden betroffenen Familien, die in Ostholstein und Sylt wohnen , informiert? Wie beurteilt die Landesregierung dieses Verfahren? Antwort: Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2879 3 Während einer Schwangerschaft sind die Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen für die Frauen und ihre Familien die Hebammen und die betreuenden Frauenärztinnen und Frauenärzte vor Ort. Diese sind in der Verpflichtung, die Schwangeren über – entsprechend des jeweiligen medizinischen Risikos – geeignete Geburtskliniken , die Möglichkeit des Boardings und ggf. Maßnahmen im Notfall zu informieren. Auf Sylt wurden im Rahmen der Schließung sowohl von Vertreterinnen und Vertretern der Landesregierung wie auch des Kreises eine Reihe von Gesprächen sowohl mit den Hebammen wie auch mit den Ärztinnen und Ärzten geführt. Im Dezember 2013 wurden sie zudem vom Ministerium über die Möglichkeiten des Boardings an der Diako in Flensburg sowie über die entsprechenden Telefonnummern und emailAdressen des Kreißsaals in Flensburg informiert. Im Kreis Ostholstein hat die Sana Klinik eine Broschüre in einer Auflage von mittlerweile 4.500 Stück erstellt und sowohl an die Hebammen wie auch die Frauenärzte und Frauenärztinnen im nördlichen Kreis Ostholstein versandt. Zudem wird im Internetauftritt der Klinik informiert. Hier kann auch der Inhalt der Broschüre abgerufen werden. 4. Wie werden Touristen, die auf Sylt oder in Ostholstein Urlaub machen, informiert? Wie beurteilt die Landesregierung dieses Verfahren? Antwort: Die Landesregierung geht davon aus, dass schwangere Touristinnen mit einem möglicherweise erhöhten Bedarf an medizinischer Betreuung sich vor Antritt ihres Urlaubs informieren, welche medizinischen Angebote sich in unmittelbarer Nähe des Urlaubsortes befinden. Darüber hinaus sollten auch Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland soweit mit dem deutschen Gesundheitsversorgungssystem vertraut sein, dass im Falle eines medizinischen Notfalls die Notrufnummer 112 bekannt ist. Wenn in einem medizinischen Notfall (auch in einem geburtshilflichen Notfall) von Touristinnen und Touristen die Kliniken in Westerland oder in Oldenburg aufgesucht werden, wird auch von dort aus eine entsprechende Versorgung erfolgen bzw. ein Rettungstransport veranlasst. 5. Können die Rettungsdienste auch zivile Hubschrauber über das Havarie Kommando Bremen anfordern? Wenn ja, wird das praktiziert? Wenn nein, warum nicht ? Antwort: Das Havariekommando in Cuxhaven ist eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Küstenländer zur Bewältigung von komplexen Schadenslagen auf See und verfügt nicht über eigene Hubschrauber. Die Rettungsleitstellen können neben den Rettungshubschraubern, die in SchleswigHolstein in Niebüll, Rendsburg und Siblin/Kreis Ostholstein stationiert sind, direkt die Unterstützung durch Hubschrauber der Bundeswehr (Marineflieger) oder der Bundespolizei erbitten, soweit dies zur Abwendung akuter Lebensgefahr erforderlich ist. Daneben können auch Rettungshubschrauber benachbarter Bundesländer (z. B. Hamburg) angefordert werden. Drucksache 18/2879 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 6. Wie lange dauert es, bis Hubschrauber nach Alarmierung durch den Rettungsdienst vor Ort sind? Antwort: Die Zeitdauer ist davon abhängig, welcher Rettungshubschrauber alarmiert wird und wie weit der Notfallort entfernt ist. Es kann daher nur beispielhaft dargestellt werden, dass - in Nordfriesland die Flugzeit von Niebüll nach Westerland grundsätzlich 15 bis 18 Minuten beträgt und der Rückflug z.B. in das Klinikum Nordfriesland in Husum oder in die Diako nach Flensburg 20 bis 23 Minuten beträgt. - in Ostholstein die Flugzeit von Siblin bis zur Landung in Westmarkelsdorf oder Puttgarden grundsätzlich 25 Minuten und der Rückflug zur Klinik in Eutin ca. 20 Minuten und zum UKSH Lübeck ca. 30 Minuten beträgt. 7. Wie lange sind die Zeiten zwischen Alarmierung und Erreichen der Klinik entsprechend aktueller Erfahrungswerte? Antwort: Da die Zeit bis zum Erreichen der Klinik mit der Patientin durch die notwendige Behandlungs - und Vorbereitungszeit vor Ort bestimmt wird und geburtshilfliche Notfälle selten sind, können keine validen Durchschnittswerte angegeben werden. 8. Wie hoch ist die Kaiserschnittrate im Boarding? 9. Wie hoch ist die Zahl der Komplikationen (Entzündungen) nach Kaiserschnitt bei Boarding-Frauen im Vergleich zu Frauen, denen es möglich ist, eine Geburtsstation aufzusuchen? Antwort: Frage 8 und 9 werden im Zusammenhang beantwortet. Das sog. Boarding bezeichnet hier die Unterbringung der Schwangeren und ggf. weiterer Personen in einer von der Klinik zur Verfügung gestellten Unterkunft, die allerdings vollkommen unabhängig vom Klinikbetrieb ist. Die schwangere Frau wird nicht stationär aufgenommen. Die notwendige ambulante Versorgung im Rahmen der Schwangerenvorsorge wird während dieser Zeit ebenfalls durch das Krankenhaus wahrgenommen, sofern die Frau es wünscht. Mit Beginn der Geburt erfolgt dann die stationäre Aufnahme der Frau. Dabei wird nicht unterschieden, ob die Frau aus dem Boarding kommt, von zu Hause angereist ist oder ggf. privat vorher die Zeit an einem anderen Ort verbracht hat. Daher ist eine Auswertung medizinischer Leistungen oder Ergebnisse medizinischer Leistung bezogen auf den Aufenthaltsort der Frau vor der Geburt nicht möglich. Zur Frage 8 und 9 liegen der Landesregierung daher keine Daten vor. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2879 5 10. Wie definiert die Landesregierung im Hinblick auf das Notfallkonzept Geburtshilfe den Begriff der „Zumutbarkeit“? Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um eine zumutbare Geburtssituation zu gewährleisten? Antwort: Die Landesregierung hat bereits im Bericht „Situation und Perspektiven der Geburtshilfe “ (Drs.18/2027 (neu)) ausführlich dargelegt, dass oberstes Ziel eine Geburt in einer für das medizinische Risiko von Schwangeren und ungeborenem Kind angemessenen Geburtsklinik ist. Eine geburtshilfliche Notfallversorgung ist ein seltener medizinischer Notfall und in seiner jeweiligen besonderen medizinischen Ausprägung immer entsprechend der medizinischen Standards der Notfallversorgung zu behandeln. Allgemeingültige Zumutbarkeitskriterien können hierfür nicht festgelegt werden. Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 1 Sana Kliniken Ostholstein GmbH Konzept zur Neuausrichtung und Bündelung der Geburtshilfe in Ostholstein ERSTELLT DURCH: Dr. Stephan Puke (Geschäftsführer) Dr. Barbara Kempe (Prokuristin) DATUM: 27. Juni 2014 Anlage Anlage 2 Seite 47 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 2 Inhalt 1. Ausgangslage .....................................................................3 2. Rahmenbedingungen für die Geburtshilfe in Ostholstein ...4 2.1. Demographische Entwicklung und Risikosensibilität ............. 4 2.2. Strukturvoraussetzungen für die Geburtshilfe........................ 6 3. Konzept zur Bündelung der Geburtshilfe ...........................8 3.1. Vor der Geburt ...................................................................... 8 3.1.1. Kooperation mit niedergelassenen Fachärzten und Hebammen .......... 8 3.1.2. Weiterführende Beratungs- und Diagnostikangebote .......................... 8 3.1.3. Informationsmaterial ............................................................................ 9 3.1.4. Boarding .............................................................................................. 9 3.1.5. Versorgung im Notfall .........................................................................10 3.2. Die Geburt ........................................................................... 11 3.2.1. Mutter-Kind-Zentrum der Klinik Eutin ..................................................11 3.2.2. Hebammen an der Sana Klinik Eutin ..................................................12 3.3. Nach der Geburt .................................................................. 13 3.3.3. Wochenstation ...................................................................................13 3.3.1. Neugeborenen-Intensivstation ............................................................13 3.3.2. Kinderchirurgie ...................................................................................14 4. Abschluss .........................................................................15 Anlage Anlage 2 Seite 48 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 3 1. Ausgangslage Die Sana Kliniken Ostholstein betreiben insgesamt 401 im Krankenhausplan Schleswig- Holstein ausgewiesene Planbetten und Tagesklinische Plätze der Schwerpunkt- und Regel- versorgung an den Standorten Eutin, Oldenburg und Fehmarn. Sie decken damit das Ver- sorgungsgebiet Ostholstein und Teile des Kreises Plön ab. Leistungen der Geburtshilfe wer- den bisher sowohl am Standort Eutin als auch am Standort Oldenburg erbracht. Immer weniger Frauen entscheiden sich für eine Geburt in der Klinik Oldenburg. Mehr als die Hälfte der Schwangeren aus dem Einzugsgebiet des Krankenhauses bringen ihre Kinder mittlerweile in anderen Kliniken zur Welt. Kamen in der Klinik Oldenburg 1998 noch 490 Kin- der zur Welt, waren es im vergangenen Jahr nur noch 180. Eine geringere Zahl von Gebur- ten gab es in 2013 lediglich auf Föhr und Sylt. Die sinkenden Geburtenzahlen stellen Klini- ken im ländlichen Raum vor immer größere Herausforderungen. 2014 steigen die Zahlen zwar wieder leicht in Eutin und Oldenburg. Der mittelfristige Trend in Oldenburg ist jedoch permanent sinkend. Trotzdem müssen hohe medizinische Standards eingehalten werden, die am Standort Oldenburg nicht mehr erfüllt werden können. Hinzu kommt der Fachkräfte- mangel, der es immer schwerer macht, Ärzte, Hebammen und Kinderkrankenschwestern für den ländlichen Raum zu gewinnen und zu halten. Schwierige Weiterbildungsmöglichkeiten zum Facharzt bei weniger als 200 Geburten verschlechtern ebenfalls die Attraktivität kleiner Geburtsstandorte. Die demografische Entwicklung zeigt keine Umkehr der Perspektive. Deshalb haben die Sana Kliniken Ostholstein in Abstimmung mit dem Sozialministerium des Landes Schleswig-Holstein und den Krankenkassen ein Konzept entwickelt, das die Ge- burtshilfe im Mutter-Kind-Zentrum mit 24-h-Betreitschaft und Perinatalzentrum Level 2 neu ausrichtet und in Eutin bündelt. Anlage Anlage 2 Seite 49 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 4 2. Rahmenbedingungen für die Geburtshilfe in Ostholstein 2.1. Demographische Entwicklung und Risikosensibilität Die demographische Entwicklung in Schleswig-Holstein führt zu einer Zunahme älterer Be- völkerungsgruppen bei gleichzeitigem starkem Rückgang des Anteils junger Menschen. In ihrem aktuellen Bericht zur Situation und den Perspektiven der Geburtshilfe in Schleswig- Holstein beschreibt die Landesregierung die regional unterschiedliche Entwicklung: In Schleswig-Holstein ging die Zahl der geborenen Kinder zwischen 1998 und 2012 um 20,6 % auf 22.005 zurück. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der geborenen Kinder in Ostholstein stärker (-21,6 %) auf nur noch 1.304 Kinder. Für Ostholstein wird bis zum Jahr 2025 ein weiterer Rückgang der Frauen im gebärfähigen Alter prognostiziert. Dazu kommt, dass die Geburtenrate pro 1.000 Frauen in Ostholstein in der Vergangenheit niedriger lag als in anderen Regionen. Daraus resultiert die Erwartung, dass die Zahl der Neugeborenen bis zum Jahr 2025 um weitere 20,7 % (Basis: 2012) ab- senken werden und dann um 1.035 pro Jahr im gesamten Kreis Ostholstein liegen wird.1 Hinzu kommt ein deutschlandweiter Trend, der sich noch weiter fortzusetzen scheint: Fami- lien werden immer später gegründet. Im bundesdeutschen Durchschnitt waren 2012 die Müt- ter beim ersten Kind 29 Jahre alt. Der Anteil der Frauen, die noch vor ihrem 30. Geburtstag das erste Kind bekommen, wird immer kleiner. Dadurch verringert sich auch die Anzahl der potentiellen Mütter mit drei oder mehr Kindern. Zum Vergleich: Anfang der siebziger Jahre waren Frauen im früheren Bundesgebiet bei der ersten Geburt durchschnittlich gut 24 Jahre alt. Das höhere Alter bei Geburt des ersten Kindes birgt Risiken: mit zunehmendem Alter steigt die Komplikationsrate. Gebärende ab 35 Jahre gelten grundsätzlich als Risikoschwangere. Bei ihnen können während der Schwangerschaft verstärkt Probleme wie Diabetes und Blut- hochdruck auftreten. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für ein geringes Geburtsgewicht, eine Fehlbildung oder eine Frühgeburt. Immer mehr werdende Mütter aus dem Einzugsgebiet entscheiden sich mittlerweile für Ge- burtshilfestationen, an die perinatale Zentren angeschlossen sind. So haben etwa im Jahr 2012 rund 60 Prozent aller Schwangeren aus dem Einzugsgebiet der Klinik Oldenburg nicht in Oldenburg entbunden. 1 Vgl. Drucksache 18/2027 vom 16. Juni 2014, Bericht der Landesregierung: Situation und Perspektiven der Geburtshilfe in Schleswig-Holstein. Anlage Anlage 2 Seite 50 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 5 In Zahlen: von 549 werdenden Müttern brachten nur noch 218 ihr Kind in Oldenburg zur Welt, 331 bekamen ihren Nachwuchs in Kliniken wie Eutin, der Uniklinik Lübeck oder ande- ren Kliniken. Übersicht 1: Entwicklung der Geburtenzahlen der Sana Klinik Oldenburg In der Sana Klinik Eutin wurden im Jahr 2012 969 Kinder geboren, im Jahr 2013 waren es 932. Im Jahr 2014 liegt die Zahl der geborenen Kinder in Eutin aktuell bei 470 Neugeborenen (Stand: 20.6.2014, Vorjahr gleicher Tag: 394 Neugeborene). Übersicht 2: Anzahl der Familien aus dem Einzugsgebiet der Sana Klinik Oldenburg, die sich für Oldenburg als Geburtsklinik entschieden haben. 218 331 Anlage Anlage 2 Seite 51 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 6 2.2. Strukturvoraussetzungen für die Geburtshilfe Die Strukturqualität von Geburtshilfen orientiert sich an der Einteilung in vier Versorgungsstu- fen, die der Landes-Krankenhausplan orientiert an den Vorgaben des Gemeinsamen Bun- desausschusses festlegt.2 Das Mutter-Kind-Zentrum der Sana Klinik Eutin ist als Perinatal- zentrum Level 2 eine Geburtshilfe der Versorgungsstufe 2. Die Geburtshilfe in Oldenburg ist der Versorgungsstufe 4 zuzuordnen. Für Geburtshilfestationen an deutschen Kliniken haben verschiedene medizinische Fachge- sellschaften Leitlinien3 für Mindeststandards herausgegeben. So muss nach den Leitlinien der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe4 unter anderem mindestens eine Hebam- me ständig rund um die Uhr im Bereitschaftsdienst verfügbar bzw. innerhalb von 5 Minuten bei der Schwangeren sein. Es müssen ein Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe innerhalb von 10 min und ein im Fachgebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe tätiger Arzt ständig rund um die Uhr im Bereitschaftsdienst im Krankenhaus verfügbar sein. Zudem muss die jederzeitige Operationsbereitschaft rund um die Uhr durch die ständige Anwesenheit ent- sprechend ausgebildeten Funktionspersonals sichergestellt werden. Insbesondere soll ein Notkaiserschnitt innerhalb von etwa 20 Minuten jederzeit durchgeführt werden können – un- abhängig davon, ob gerade eine andere Operation durchgeführt wird oder nicht. Die deutsche Gesellschaft für perinatale Medizin empfiehlt für eine „normale“ Geburtshil- festation eine Mindestgeburtenzahl von rund 700 Geburten pro Jahr.5 Auch kleine Geburts- kliniken müssen die von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. definierten „Mindestanforderungen an prozessuale, strukturelle und organisatorische Vo- raussetzungen für geburtshilfliche Abteilungen“ erfüllen: „…das Versorgungsniveau von Frauen und Kindern in der Geburtshilfe ist unabhängig von Ort und Krankenhausgröße und unabhängig von der Uhrzeit jederzeit zu realisieren.“6 Geringere Fallzahlen geben dem Per- sonal weniger Routine in den qualitätsgesicherten Ablaufprozessen. Das Sozialministerium Schleswig-Holstein hat in seiner aktuellen Studie zur Geburtshilfe im Land festgehalten: „Auf Grund vieler regionaler Besonderheiten wird deutlich, dass es in Ki- lometerentfernung klar definierte Einzugsbereiche auf Schleswig-Holstein bezogen nicht ge- ben kann und deshalb die Frage der Versorgungsqualität von anderen Kriterien bestimmt werden muss.“7 2 Vgl. Drucksache 18/2027 vom 16. Juni 2014, Bericht der Landesregierung: Situation und Perspektiven der Geburtshilfe in Schleswig-Holstein. 3 Leitlinien haben bindenden Charakter für die Leistungserbringer. 4 Vgl. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-078.html. 5 Vgl. http://www.dgpm-online.org/Publikationen/Leitlinien.html 6 Vgl. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-078.html. 7 Vgl. Bericht unter www.sozialministerium.schleswig-holstein.de. Anlage Anlage 2 Seite 52 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 7 Die Anforderungen an die strukturelle Qualität können in der Klinik Oldenburg in Zukunft nicht vollumfassend gewährleistet werden. Die erforderliche Geburtenzahl für eine hochquali- fizierte und dauerhaft sichere Geburtshilfe wird weit unterschritten. Die Qualität der medizini- schen Versorgung von Mutter und Kind während und nach der Geburt steht bei der Ent- scheidung zur Bündelung der Geburtshilfe in Eutin im Vordergrund. Anlage Anlage 2 Seite 53 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 8 3. Konzept zur Bündelung der Geburtshilfe Das Konzept zur Bündelung der Geburtshilfe in Ostholstein orientiert sich an den Phasen vor, während und nach der Geburt. Es soll dazu beitragen, die Sicherheit von Mutter und Kind und die Qualität der medizinischen Versorgung zu gewährleisten und zu steigern. 3.1. Vor der Geburt 3.1.1. Kooperation mit niedergelassenen Fachärzten und Hebammen Die Betreuung schwangerer Frauen liegt vom frühen Stadium der Schwangerschaft bis kurz vor der Geburt in der Hand niedergelassener Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe und von Hebammen. Treten während der Schwangerschaft Risikofaktoren oder Beschwer- den auf, sucht die Schwangere ihren Arzt auf oder sucht die Beratung ihrer Hebamme. Sind beide nicht erreichbar, besteht jederzeit das Angebot, das Mutter-Kind-Zentrum der Sana Klinik Eutin aufzusuchen. Jeweils zwei Gesprächstermine mit niedergelassenen Ärzten und mit Hebammen aus dem Nordkreis Ostholsteins haben stattgefunden. Die Veränderung der Situation für die geburts- hilfliche Versorgung wurde diskutiert und Anregungen, u. a. zum Boarding und zur künftigen klinischen gynäkologischen Versorgung in Oldenburg, sind aufgenommen worden. Ärzte und Hebammen sollen in die weitere Entwicklung des Konzepts einbezogen werden. Den Oldenburger Hebammen wurde das Angebot gemacht, in der Klinik Eutin geburtshilflich tätig zu werden. 3.1.2. Weiterführende Beratungs- und Diagnostikangebote Der niedergelassene Arzt oder die Hebamme können eine Schwangere jederzeit zur prästa- tionären Diagnostik wie der Pränataldiagnostik oder, bei Vorliegen von Risikofaktoren, zum Geburtsmodusgespräch an die Fachärzte des Mutter-Kind-Zentrums Eutin oder einen ande- ren niedergelassenen Facharzt wie z. B. den Diabetologen überweisen. Folgende Angebote werden vom Mutter-Kind-Zentrum in Eutin vorgehalten: · Hebammen-Sprechstunde (auch Geburtsinformationsgespräch) durch das Eutiner Hebammen Team (ingesamt 16 Hebammen) · Pränatal-Diagnostik-Sprechstunde durch Dr. med. Michalis Georgiadis · Geburtsplanungsgespräch durch Oberarzt Bernhard Schwartau · Neonatologische Beratung durch Chefarzt und Oberärzte der Kinderklinik (Dres. Med. Reese, Schlicht und Stenzel) Anlage Anlage 2 Seite 54 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 9 3.1.3. Informationsmaterial und Informationsabend Für schwangere Frauen werden die Sana Kliniken Ostholstein Informationsmaterial über die verschiedenen Angebote der Klinik, die Betreuung durch Hebammen, die Möglichkeit des Boarding und die Erreichbarkeit der Klinik im Notfall zusammenstellen. Dieses Material wird niedergelassenen Fachärzten und Hebammen zur Weitergabe an ihre Patientinnen zur Ver- fügung gestellt. Bei der Entwicklung des Informationsmaterials sind sowohl niedergelassene als Ärzte auch Hebammen einbezogen. Darüber hinaus werden alle wichtigen Informationen auf den Internetseiten der Klinik für Interessierte abzurufen sein. Auf Wunsch der Oldenbur- ger Hebammen soll das Informationsmaterial auch in englischer Sprache, später evt. in wei- teren Sprachen, verfügbar sein. Der Informationsabend zur Geburtshilfe findet jeweils am 1. Montag eines Monats um 18 Uhr in der Cafeteria der Klinik Eutin statt. Dort beantworten Ärzte, Hebammen und Kranken- schwestern die Fragen der interessierten Eltern und führen sie durch Kreißsaal und Wo- chenstation. Die Mommy App wurde vom Berufsverband der Frauenärzte e. V. zusammen mit den Agen- turen mediageno und Markenwerk entwickelt. Sie gibt einer schwangeren Frau Hinweise zu Ernährung, Verhalten und wichtigen Vorsorgeterminen. Die schwangere Frau kann mit Hilfe der App Daten erfassen, um daraus Übersichten zu erstellen. Die Mommy App dient der In- formation und Kommunikation und soll nach und nach zu einem elektronischen Mutterpass weiter entwickelt werden. Auch an der gesicherten Datenübertragung zwischen der Anwen- derin und ihrem Facharzt wird aktuell gearbeitet. Sie ist explizit kein Instrument für die Kom- munikation im Notfall. Eine Schwangere, die in der Klinik Eutin entbinden möchte, kann sich die Kosten für die App von den Sana Kliniken Ostholstein zukünftig erstatten lassen. 3.1.4. Boarding Für alle Schwangeren, die vor der Geburt die Nähe zur Geburtsklinik suchen möchten, bietet die Sana Klinik Eutin das Boarding an. Das Boarding dient der Sicherheit von Mutter und Kind und soll helfen, Risiken zu reduzieren. Für die Unterbringung im Boarding entstehen der Schwangeren keine Kosten – diese werden durch die Klinik und ihre Krankenversicherung getragen und von der Klinik direkt mit der Krankenversicherung abgeklärt. Ab August stehen Patientenzimmer direkt in der Klinik für das Boarding zur Verfügung. Ab voraussichtlich 1. September 2014 werden zwei Appartements werden zusätzlich in Eutin verfügbar sein. Das Boarding steht jeder Schwangeren offen, die aufgrund ihrer persönlichen Situation befürch- tet, bei einsetzender Geburt die Klinik nicht mehr rechtzeitig zu erreichen, wenn sie von zu Hause kommt. Bestehen während der Schwangerschaft ernstere Beschwerden, wird eine Aufnahme in der Klinik empfohlen; die Indikation dazu stellt der Gynäkologe. Selbstverständlich wünscht sich jede Frau, die Zeit kurz vor der Geburt in der eigenen, ge- wohnten Umgebung zu verbringen. Die Empfehlung ist daher, dass eine Frau, die sich unsi- cher ist, diese Ängste mit ihrer Hebamme, dem niedergelassenen Frauenarzt oder dem Anlage Anlage 2 Seite 55 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 10 Team in der Klinik bespricht, um gemeinsam zu überlegen, ob und wann das Boarding eine Option sein sollte. Eine Schwangere, die mit akuten Beschwerden in die Klinik kommt, kann mit der Beratung von Ärzten und Hebammen entscheiden, ob eine Aufnahme in der Klinik mit engmaschiger Überwachung sinnvoll und notwendig ist, sie ins Boarding möchte oder sie zurück nach Hau- se fährt. Oft gestellte Fragen zum Boarding sollen Interessierte auf dem Internetauftritt des Mutter-Kind-Zentrums finden (in Arbeit). Die Anmeldung zum Boarding erfolgt über die Klinik Eutin. Die Hebammen des Eutiner Hebammen Teams stehen für alle Frauen im Boarding als Ansprechpartnerinnen bei Fragen oder Beschwerden Tag und Nacht zur Verfügung, genau- so wie das ärztliche Team. 3.1.5. Versorgung im Notfall Der Rettungsdienst in Ostholstein wird vom Kreis Ostholstein seit vielen Jahren zuver- lässig betrieben. Im Vordergrund stehen präventive Maßnahmen, um den seltenen ge- burtshilflichen Notfall möglichst zu vermeiden. Am 14.04. 2014 haben auf Einladung des Kreises als Träger des Rettungsdienstes fol- gende Akteure im Rettungsdienst die Situation bei Notfällen erörtert: · Vertreter des Kreises Ostholstein als Betreiber des Rettungsdienstes, · Vertreter der durchführenden Hilfsorganisationen (ASB, DRK, Johanniter und MHD), · der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes sowie sein Stellvertreter, · der Organisationsbeauftragte der Notarztgruppe Fehmarn, · Vertreter der AOK und des vdek für die Kostenträger (Krankenkassen) · sowie die Geschäftsführung der Sana Kliniken Ostholstein.. Im Anschluss sind gemeinsam mit der Geschäftsführung der Sana Kliniken Ostholstein folgende Maßnahmen vereinbart worden: Auch wenn der Notfall in der Geburtshilfe Teil der Ausbildung eines jeden Rettungsas- sistenten ist bzw. künftig eines jeden Notfallsanitäters sein wird, sollen zur Auffrischung spezielle Schulungen durch Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe und Hebam- men als Pflichtveranstaltung in einer Gruppengröße von 12 bis max. 20 Teilneh- mern/innen durchgeführt werden. Da die Rettungswagen gemäß der „Nächstes- Fahrzeug-Strategie“ der Integrierten Rettungsleitstelle Süd nicht örtlich begrenzt einge- setzt werden, werden auf Wunsch der Hilfsorganisationen grundsätzlich alle Rettungs- assistentinnen und -assistenten im Rettungsdienstbereich des Trägers einbezogen. Begonnen wird im Juli 2014 insbesondere mit den im Nordkreis tätigen Rettungsassis- tenten, weitere Veranstaltungen auch im Südkreis folgen. Nach Auskunft des Kreises Plön besteht kein gesonderter durch die Sana Kliniken Osthol- stein organisierter Schulungsbedarf für Rettungskräfte des Kreises Plön, da diese aufgrund Anlage Anlage 2 Seite 56 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 11 der engen Zusammenarbeit mit dem Hauptdurchführer des Rettungsdienstes, der Gesund- heits- und Pflegeeinrichtungen des Kreises Plön gGmbH, die im Betriebsteil Klinik Preetz eine eigene geburtshilfliche und gynäkologische Abteilung unterhält, im Rahmen der regel- mäßigen Fortbildungen auch im Bereich der Geburtshilfe entsprechend geschult werden. Verpflichtende Vertiefungsschulungen für Notärztinnen und Notärzte werden fachlich nicht für erforderlich gehalten, entsprechende Angebote der Sana Kliniken, insbesonde- re für Hospitationen im Kreißsaal in Eutin zur Verfügung zu stehen, werden nach vorhe- riger Abstimmung bei Bedarf wahrgenommen. Darüber hinaus wird die geburtshilfliche Abteilung der Sana Klinik in Eutin mit ihren Fachkräften rund um die Uhr für das Ein- satzpersonal im Notfall telefonisch erreichbar sein, falls fachliche Unterstützung benötigt werden sollte. Primäre Ansprechpartner sind der diensthabende Gynäkologe bzw. die diensthabende Hebamme. Die Telefonnummern sind festgelegt. Hinsichtlich der Ausstattung der Rettungswagen wird bis August geprüft, ob zusätzliches Equipment für den geburtshilfli- chen Notfall beschafft werden sollte. Die Rettungshubschrauber Christoph 12 sowie ergänzend Christoph 42 der Deutschen Flug- rettung (DRF) sind eine hervorragende Unterstützung des bodengebundenen Rettungsdiens- tes, jedoch vorrangig als zusätzliche Rückfallebene für die Zuführung des Notarztes einzu- setzen. Tritt der seltene geburtshilfliche Notfall ein, wird der bodengebundene Rettungs- dienst (RTW und NEF) alarmiert, bei Bedarf parallel der RTH zur schnelleren Zuführung des Notarztes. 3.2. Die Geburt 3.2.1. Mutter-Kind-Zentrum der Klinik Eutin Das Mutter-Kind-Zentrum Ostholstein in der Sana Klinik Eutin ist ein Perinatalzentrum der zweithöchsten Versorgungsstufe. Hier können auch Frauen, bei denen während der Schwangerschaft Risikofaktoren festgestellt wurden, ihre Kinder zur Welt bringen. Eine Ent- bindung ist geplant ab der 29. Schwangerschaftswoche möglich, im Notfall ist das Mutter- Kind-Zentrum auch in früheren Schwangerschaftswochen die Anlaufstelle für Schwangere. Im Mutter-Kind-Zentrum Ostholstein arbeiten Experten der Gynäkologie, Pädiatrie, Neonato- logie, Hebammen sowie erfahrene Mitarbeiter in der Pflege interdisziplinär und interprofessi- onell zusammen, um für die Mutter und ihr neugeborenes Kind eine Rundum-Versorgung zu bieten. Im Mittelpunkt steht die Familie – Mutter und Kind sollen möglichst von Anfang an zusammen bleiben können. Das Perinatalzentrum verfügt über eine moderne technische Ausstattung, ohne die Geborgenheit der Familien aus dem Blick zu verlieren. Die Mutter-Kind-Bindung entwickelt sich schon in der Schwangerschaft und wird nach der Entbindung weiter gefördert, wenn das Neugeborene mit seiner Mutter zusammen bleibt. Die Geburt wird, soweit möglich, nach den Wünschen der Familie gestaltet: Anlage Anlage 2 Seite 57 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 12 · Begleitpersonen sind zur Geburt ausdrücklich willkommen. · Schmerzlindernde Maßnahmen unter der Geburt sind selbstverständlich, auch der Einsatz einer Periduralanästhesie (PDA) ist möglich. · Eine Gebärwanne ist ebenso vorhanden wie eine Entspannungswanne. · Vaginale Entbindungen aus Beckenendlage und bei Zwillingen sind, je nach individu- eller Situation, möglich. Dabei behalten Ärzte und Hebammen durch telemetrische CTG-Überwachung die Sicherheit von Mutter und Kind stets im Blick. Bei operativen Entbindungen, Frühgeburten oder sonsti- gen Besonderheiten ist grundsätzlich ein Kinderarzt anwesend, um das Neugeborene bei Bedarf frühzeitig medizinisch zu betreuen. So ist gewährleistet, dass die Mutter so schnell wie möglich wieder Körperkontakt zum Neugeborenen hat. Der Operationssaal für Kaiser- schnitte befindet sich direkt im Kreißsaalbereich. 3.2.2. Hebammen an der Sana Klinik Eutin Jede schwangere Frau kann in der Sana Klinik Eutin entbinden – unabhängig davon, ob sie in der Vor- und Nachsorge der Geburt von einer der fünfzehn an der Klinik tätigen Belegheb- ammen betreut wird oder nicht. Auch ohne Anmeldung ist somit jederzeit eine Geburt mög- lich, die durch das Eutiner Hebammen Team begleitet wird. Möchte eine Schwangere in der Vor- und Nachsorge von einer niedergelassenen Hebamme betreut werden, die keine klini- sche Geburtshilfe anbietet, besteht immer auch die Möglichkeit, sich nur für die Geburt beim Eutiner Hebammen Team anzumelden. Für Entbindungen in der Sana Klinik Eutin haben Schwangere und ihre Familien die Auswahl zwischen zwei unterschiedlichen Modellen der Hebammen-Begleitung: Betreuung im Team oder in der Einzelpraxis. Damit eine Schwangere die von ihr gewünschte Begleitung be- kommt, empfehlen alle Hebammen eine frühzeitige Anmeldung im ersten Drittel der Schwangerschaft. Alle Beleghebammen bieten in ihren Praxen Schwangeren und jungen Eltern Vor- und Nachsorge sowie Kurse, Akupunktur und weitere Leistungen an. Eutiner Hebammen Team Das Eutiner Hebammen Team umfasst derzeit zehn Hebammen. Eine (bei Bedarf zwei) der Team-Hebammen sind an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden in der Klinik anwesend und beglei- ten Geburten ihrer Praxen und alle Geburten, die ohne fest gebuchte Hebamme stattfinden. Darüber hinaus bieten sie eine Sprechstunde für Schwangere an, führen CTG-Kontrollen durch und sind erste Ansprechpartnerinnen für alle Schwangeren, die mit Beschwerden in die Klinik kommen. Die Team-Versorgung gilt nur für die Dauer der klinischen Versorgung – also kurz vor, während und nach der Geburt. Ein ausgewogenes Dienstmodell gewährleistet, dass eine Geburt möglichst immer durchgehend von einer Hebamme betreut wird. Dadurch, dass die Hebammen ihre Tätigkeit in der Klinik und außerhalb der Klinik im Team organisie- ren, kann auch die Vor- und Nachsorge in den Familien in Ruhe und mit der nötigen Gelas- senheit stattfinden. Alle Frauen, die ohne fest gebuchte Hebamme oder als Urlauberinnen in Ostholstein sind, werden vom Eutiner Hebammen Team in der Klinik gerne betreut. Die An- Anlage Anlage 2 Seite 58 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 13 meldung beim Eutiner Hebammen Team erfolgt entweder über eine Hebamme des Teams oder den Rückrufservice in der Klinik (Tel. 04521-787-1020). Hebammen in der Einzelpraxis Fünf Hebammen sind in ihren Einzel- oder Doppelpraxen tätig und bieten Schwangeren für Vor- und Nachsorge sowie die Geburt eine 1:1-Betreuung an. Dafür gehen sie für jede Schwangere in eine 10-wöchige Bereitschaft, um sie bei Beschwerden und der Entbindung selbst über den gesamten Prozess hinweg zu begleiten. Die Bereitschaftsdienstpauschale in Höhe von 250 Euro, die dafür anfällt, übernehmen die meisten Krankenversicherungen auf Anfrage, ohne dass für die Schwangere selbst Kosten entstehen. 3.3. Nach der Geburt 3.3.3. Wochenstation Auf der Wochenstation werden von einem erfahrenen Team der Gesundheits- und Kranken- pfleger und Kinderkrankenschwestern in 20 Betten junge Mütter und Familien betreut. Ein separates Stillzimmer bietet mit seinen gemütlichen Sesseln und Stillkissen alles, was stil- lende Mütter brauchen. Die Unterbringung der Neugeborenen im Zimmer der Mutter, das sogenannte Rooming-in, wird in der Sana Klinik Eutin seit vielen Jahren erfolgreich umge- setzt. Im Kinderzimmer können Mütter, die noch erschöpft von der Entbindung sind, ihr Neu- geborenes in die Obhut erfahrener Kinderkrankenschwestern geben. Hier finden auch die Kinder-Untersuchungen statt. Die Schwestern bieten Unterstützung bei der Versorgung der Kinder an. Viele der Mitarbeiterinnen haben spezielle Qualifikationen, zum Beispiel zur Still- förderung, erworben. Familienzimmer sind ebenfalls vorhanden. Dort können Väter und Geschwisterkinder die ersten Tage nach der Geburt gemeinsam mit der Mutter erleben. Zwei Aufenthaltsräume geben Eltern, die Besuch bekommen, einen Rückzugsort. 3.3.1. Neugeborenen-Intensivstation Die Neugeborenen-Intensivstation bietet zehn Plätze mit Beatmungsmöglichkeiten an. Ein Team speziell weitergebildeter Gesundheits- und Krankenpflegerinnen sorgt in enger Ab- sprache mit den Kinderärzten für Kinder, die zu früh oder krank geboren werden. Ein Fach- arzt für Pädiatrie mit neonatologischer Fachweiterbildung ist rund um die Uhr verfügbar, auch bei unerwarteten Komplikationen. Dies sind wesentliche Standards des Perinatalzentrums Level 2 und Voraussetzungen für die Betreuung von Risikogeburten. Auf der räumlichen Achse zwischen den beiden Universitätsstandorten Kiel und Lübeck (Le- vel-1-Maximalersorgung) ist die Klinik Eutin die einzige mit Level 2 und damit von hoher Be- deutung für die regionale Abdeckung der Versorgung Risikoschwangerer. Anlage Anlage 2 Seite 59 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 14 Die neonatologische Station wurde im März 2014 nach Umbauten wieder eröffnet. Neu ist das Angebot von Rooming-in-Zimmern auch im Intensivbereich. Mütter und Väter können so direkt nach der Geburt gemeinsam mit ihrem intensivmedizinisch betreuten Kind in einem Zimmer untergebracht sein. 3.3.2. Kinderchirurgie Dr. Ingo Schlüper ist Facharzt für Kinderchirurgie und bildet gemeinsam mit seinem Kollegen Hanno von Koschitzky die fachliche Brücke zwischen den ärztlichen Teams der Chirurgie und Neugeborenen, Kinder- und Jugendmedizin. In enger Kooperation mit den Haus- und Kinderärzten der Region bietet er eine kinderchirurgische Sprechstunde an, die Eltern mit ihren Kindern aufsuchen können. Viele Operationen werden ambulant an der Sana Klinik Eutin durchgeführt, so dass die Kin- der nach dem Eingriff gleich wieder nach Hause können. In enger Abstimmung mit Herrn Dr. Jochen Reese als Chefarzt der Abteilung für Neugeborene, Kinder- und Jugendmedizin wer- den die kleinen Patienten natürlich auf der Kinderstation betreut. Anlage Anlage 2 Seite 60 Sitzung des Ausschusses für Soziales, Sicherheit und Gesundheit am 09.09.2014 15 4. Abschluss Bei der Bündelung der Geburtshilfe in Eutin ist die Qualität der Versorgung von Mutter und Kind während und nach der Geburt ausschlaggebend. Die strukturellen Mindestanforderun- gen der Fachgesellschaft an eine Geburtshilfe und ausreichende Geburtenzahlen sind in der Sana Klinik Oldenburg nicht mehr gewährleistet. Für Schwangere im Nordkreis Ostholsteins verlängern sich dadurch die Wege zur Geburts- klinik. Die Mehrzahl der Schwangeren hatte diese längeren Wege auch bei Bestehen der Geburtshilfe in Oldenburg bereits auf sich genommen. Gerade im seltenen geburtshilflichen Notfall ist es entscheidend, dass das Team über große Routine im Umgang mit Komplikatio- nen bei Mutter und Kind verfügt. Diese Voraussetzungen sind im Mutter-Kind-Zentrum der Klinik Eutin gegeben. Das neu eingeführte Boarding gibt zusätzliche Sicherheit. Das Konzept ist mit den oben beschriebenen Beteiligten weiter verfeinert worden. Verände- rungen, die sich aus weiteren Abstimmungen ergeben, können auch in Zukunft berücksich- tigt werden. Anlage Anlage 2 Seite 61