SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2922 18. Wahlperiode 06.05.2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Kubicki (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Bildung und Ausbildung im Strafvollzug Aus- und Weiterbildung während des Strafvollzuges stellen wichtige Resozialisierungsfaktoren dar. Durch die Aus- und Weiterbildung bieten sich Einwirkungsmöglichkeiten auf den Straftäter, die zu einer positiven Persönlichkeitsentwicklung beitragen können, indem sie das Selbstwertgefühl steigern und das Sozialverhalten schulen . Gemäß § 37 Absatz 3 StVollzG soll geeigneten Gefangenen Gelegenheit zur Berufsausbildung , beruflichen Weiterbildung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden. 1. Welche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen bieten die Justizvollzugsanstalten des Landes Schleswig-Holstein an? Antwort: In den Justizvollzugsanstalten des Landes Schleswig-Holstein besteht ein breit gefächertes Angebot an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen. Die schulischen Qualifizierungsmaßnahmen umfassen die zum ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (vormals Hauptschulabschluss) führenden Schulkurse, die Elementarkurse (Alphabetisierung) sowie die Sprachkurse „Deutsch als Zweitsprache “. Drucksache 18/2922 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Das berufliche Qualifizierungsangebot besteht aus der Vollausbildung im dualen Ausbildungssystem in elf Berufsfeldern, beruflichen Teilqualifikationen sowie berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen. Es wird ergänzt durch EDV-Kurse. Für Gefangene, denen aufgrund der mangelnden persönlichen Eignung noch keine Arbeit oder eine schulische bzw. berufliche Qualifizierungsmaßnahme zugewiesen werden kann, gibt es das Angebot einer berufsorientierten Grundbildung. Es zielt auf den Erhalt bzw. die Aktivierung von motorischen Fähigkeiten für einfache handwerklich orientierte Arbeitsprozesse (Arbeitstraining). Es kann ergänzt werden um eine lebensweltorientierte Unterrichtung insbesondere im Rechnen, Lesen und Schreiben. Das Qualifizierungsangebot wird abgerundet durch eine arbeitsmarktorientierte Integrationsbegleitung , die in der Haft beginnt und über die Entlassung hinaus andauern kann. Hierdurch soll dafür Sorge getragen werden, dass begonnene Qualifizierungsmaßnahmen nach der Entlassung vorgesetzt werden können oder der Entlassene direkt in den Arbeitsmarkt integriert werden kann. Die Zuweisung der Gefangenen zu den einzelnen Qualifizierungsmaßnahmen erfolgt in der Regel über mehrtägige Profilingverfahren oder durch Tests, die von den sogenannten Bildungsbeauftragten der Anstalten durchgeführt werden. Durch diese Verfahren soll eine möglichst passgenaue und der beruflichen Integration nach Haftentlassung förderliche Qualifizierung während der Dauer der Inhaftierung sichergestellt werden. Das Angebot an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen wird regelmäßig sowohl an den individuellen Bedarfen der Gefangenen sowie den Anforderungen des Arbeitsmarktes angepasst. So wurde in den letzten Jahren auf die zunehmende Arbeitsmarktferne der Gefangenen reagiert und vermehrt niederschwellige Angebote wie die schulische und berufliche Grundbildung (Arbeitstraining) eingerichtet . Anderseits wurden neue Ausbildungsgänge, wie z.B. Gebäudereiniger, aufgebaut oder Ausbildungsbereiche, wie z.B. die Kochausbildung in der JVA Lübeck, erweitert. 2. An welchen Vollzugsstandorten werden welche Qualifizierungsmaßnahmen im Sinne von §§ 37 Absatz 3, 38 StVollzG angeboten? Antwort: Die Justizvollzugsanstalt Neumünster ist die zentrale Ausbildungsanstalt des Landes. Im Pädagogischen Zentrum der Anstalt werden mit eigenen Lehrerinnen und Lehrern die Schulkurse, die zum ersten allgemeinbildenden Schulabschluss führen, durchgeführt sowie im Zusammenwirken mit der Berufsschule in Neumünster der Berufsschulunterricht erteilt. Der Berufsschulunterricht ist Voraussetzung für eine Vollausbildung im dualen Ausbildungssystem. Da die Durchführung der Vollausbildung auch eine bestimmte Mindestanzahl an geeigneten und teilnehmenden Gefangenen voraussetzt , kann ein solches Angebot nicht in allen Anstalten des Landes vorgehalten werden, sondern wird ausschließlich in der JVA Neumünster durchgeführt. In den Justizvollzugsanstalten Lübeck und Kiel besteht ein Grundangebot an schulischen (Elementarkurs, Sprachkurs) Qualifizierungsmaßnahmen und beruflichen Teil- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2922 3 qualifizierungsmaßnahmen. Darüber hinaus wird die berufsorientierte Grundbildung angeboten. In der Justizvollzugsanstalt Lübeck gibt es zudem das Angebot der schulischen Grundbildung, welches unterschiedlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern in binnendifferenzierter Form eine allgemeinbildende Unterrichtung bietet, die bis zum ersten allgemeinbildenden Schulabschluss reichen kann. In der Jugendanstalt Schleswig sind berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen in verschiedenen Gewerken eingerichtet. Im Rahmen der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme kann auch ein dem ersten allgemeinbildenden Schulabschluss gleichwertiger Abschluss erlangt werden. Zu den schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen im Einzelnen wird auf die in der Anlage beigefügte Übersicht über die Bildungsangebote der Justizvollzugseinrichtungen in Schleswig-Holstein verwiesen. 3. Welche Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung haben Strafgefangene in Justizvollzugsanstalten , die keine Qualifizierungsmaßnahmen im Sinne von §§ 37 Absatz 3, 38 StVollzG anbieten? Antwort: In den Justizvollzugsanstalten Kiel und Lübeck wurde das Angebot an Qualifizierungsmaßnahmen in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut. Lediglich in der Untersuchungshaftanstalt Itzehoe (32 Haftplätze) und in der Justizvollzugsanstalt Flensburg (66 Haftplätze) gibt es keine Qualifizierungsangebote. Grundsätzlich können geeignete Gefangene in Abweichung vom Vollstreckungsplan in eine andere Anstalt verlegt werden, um an einer schulischen oder beruflichen Qualifizierungsmaßnahme teilzunehmen. Gefangene, die bereit sind an einer Qualifizierungsmaßnahme teilzunehmen, werden regelmäßig in andere Justizvollzugsanstalten verlegt. 4. Wie viele Ausbildungsplätze für die in § 37 Absatz 3 StVollzG genannten Qualifizierungsmaßnahmen stehen in den Justizvollzugsanstalten des Landes insgesamt zur Verfügung? Antwort: Die Anzahl der Ausbildungsplätze wurde in den letzten Jahren sukzessive erhöht. Für die in § 37 Absatz 3 StVollzG genannten Qualifizierungsmaßnahmen stehen in den Justizvollzugsanstalten des Landes derzeit insgesamt bis zu 360 Plätze zur Verfügung . Drucksache 18/2922 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 5. Wie viele Unterrichtsplätze für die in § 38 StVollzG genannten Qualifizierungsmaßnahmen stehen in den Justizvollzugsanstalten des Landes zur Verfügung? Antwort: Im Pädagogischen Zentrum der Justizvollzugsanstalt Neumünster sind für Schulkurse , die zum ersten allgemeinbildenden Schulabschluss führen, 30 Plätze eingerichtet . Für den berufsbildenden Unterricht gibt es keine festen Platzzahlen. Die Teilnahme am Berufsschulunterricht richtet sich nach den Kapazitäten in den Ausbildungsbetrieben der Anstalt. Am Stichtag 22. April 2015 haben 61 Gefangene am berufsbildenden Unterricht teilgenommen. Auch für die in der Antwort zu Frage 2 dargestellten schulischen Qualifizierungsmaßnahmen in der Jugendanstalt Schleswig und der Justizvollzugsanstalt Lübeck gibt es keine festen Platzzahlen, da die Unterrichtung in Verbindung mit einer beruflichen Qualifizierungsmaßnahme erfolgt. 6. Wie viele Strafgefangene nehmen Qualifizierungsmaßnahmen im Sinne von §§ 37 Absatz 3, 38 StVollzG in Anspruch? Antwort: Am Stichtag 22. April 2015 haben 335 Gefangene an Qualifizierungsmaßnahmen im Sinne von §§ 37 Absatz 3, 38 StVollzG teilgenommen. Der Anteil der Qualifizierungsmaßnahmen an der Gesamtbeschäftigung der Gefangenen liegt in Schleswig-Holstein bei rd. 38 %. Im Bundesvergleich wird hiermit ein Wert im oberen Bereich erreicht. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 21,5 %. In den Schulkursen erlangen jährlich zwischen 30 – 35 Schülerinnen und Schüler den ersten allgemeinbildenden Schulabschluss. Hinzu kommen 15 - 20 junge Gefangene , die in der Jugendanstalt Schleswig im Rahmen der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einen dem ersten allgemeinbildenden Schulabschluss gleichwertigen Abschluss erlangen. Die Zahl der Gefangenen, die eine Gesellen- bzw. eine Facharbeiterprüfung erfolgreich absolvieren, liegt jährlich zwischen 20 und 30. Hinzu kommt eine Vielzahl an Zertifikaten und qualifizierten Teilnahmebescheinigungen aus dem Bereich der modularen beruflichen Qualifizierung, der Berufsvorbereitung und den EDV-Kursen. 7. Gibt es geeignete Strafgefangene, denen kein Ausbildungs- oder Unterrichtsplatz für die in §§ 37 Absatz 3, 38 StVollzG genannten Qualifizierungsmaßnahmen angeboten werden kann? Wenn ja: Wie vielen und warum nicht? Antwort: Es werden grundsätzlich allen geeigneten Strafgefangenen die in §§ 37 Absatz 3, 38 StVollzG genannten Qualifizierungsmaßnahmen angeboten. Sollte eine für die Re- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2922 5 sozialisierung erforderliche Qualifizierungsmaßnahme in einer Anstalt nicht angeboten werden, können Gefangene wie in der Antwort zu Frage 3 dargestellt in Abweichung vom Vollstreckungsplan in die zentrale Ausbildungsanstalt verlegt werden. Die Gefangenen sind jedoch häufig nur sehr schwer zu einer Verlegung zu motivieren . Gegen eine Verlegung können auch vollzugliche Aspekte, wie die verbleibende Haftzeit, eine möglichst heimatnahe Unterbringung sowie Sicherheitsaspekte sprechen . Die Anzahl der Gefangenen, die aus diesen Gründen nicht in die zentrale Ausbildungsanstalt verlegt werden können, wird nicht erfasst. Wenn spezielle Behandlungsmaßnahmen (z.B. Sozialtherapie) für die Wiedereingliederung in die Gesellschaft als vorrangig erachtet werden, kann es vorkommen, dass für eine Qualifizierungsmaßnahme geeignete Gefangene zunächst nicht in die zentrale Ausbildungsanstalt verlegt werden. 8. Was tut die Landesregierung, um geeignete Strafgefangene, denen kein Platz zugewiesen werden kann, hinsichtlich des Wiedereingliederungszieles nicht zu benachteiligen ? Antwort: Siehe Antwort zu Frage 7.