SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/2980 18. Wahlperiode 22. Mai 2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Positionierung der Landesregierung zu den Leitlinien des Bundesjustizministers zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung von Kommunikations- und Bewegungsdaten der gesamten Bevölkerung Vorbemerkung: Am 19.03.2015 hat der Landtag mit breiter Mehrheit dem Ansinnen einer umfassenden anlass- und verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung eine Absage erteilt und die Landesregierung aufgefordert, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um die Einführung einer anlass- und verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung auf Bundesebene zu verhindern (Drs. 18/2836). Am 15.04.2015 hat der Bundesjustizminister Leitlinien vorgestellt, welche die Einführung einer anlass- und verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung vorsehen. Soweit ersichtlich hat sich weder der Ministerpräsident des Landes noch ein anderes Mitglied der schleswig-holsteinischen Landesregierung durch Pressemitteilung oder sonst gegenüber der Presse dazu geäußert. 1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die Leitlinien des Bundesjustizministers die Einführung einer anlass- und verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung von Kommunikations- und Bewegungsdaten der gesamten Bevölkerung vorsehen? 2. Lehnt die Landesregierung die Pläne ab und, wenn ja, aus welchen Gründen? 3. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung unter anderem deshalb für grundrechtswidrig und nichtig erklärt, weil sie in umfassender Weise alle Personen treffe, die elektronische Kommunikationsdienste nutzen, selbst wenn bei ihnen "keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte", und weil "die Vorratsspeicherung weder auf die Daten eines bestimmten Zeitraums und/oder eines bestimmten geografischen Gebiets und/oder eines bestimmten Personenkreises, der Drucksache 18/2980 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 in irgendeiner Weise in eine schwere Straftat verwickelt sein könnte, noch auf Personen, deren auf Vorrat gespeicherte Daten aus anderen Gründen zur Verhütung, Feststellung oder Verfolgung schwerer Straftaten beitragen könnten", beschränkt war (Urteil vom 08.04.2014, Az. C-293/12 und C-594/12). a) Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die nach den Leitlinien des Bundesjustizministers geplante Vorratsdatenspeicherung in umfassender Weise alle Personen treffen soll, die elektronische Kommunikationsdienste nutzen, selbst wenn bei ihnen "keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte"? b) Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die nach den Leitlinien des Bundesjustizministers geplante Vorratsdatenspeicherung "weder auf die Daten eines bestimmten Zeitraums und/oder eines bestimmten geografischen Gebiets und/oder eines bestimmten Personenkreises, der in irgendeiner Weise in eine schwere Straftat verwickelt sein könnte, noch auf Personen, deren auf Vorrat gespeicherte Daten aus anderen Gründen zur Verhütung, Feststellung oder Verfolgung schwerer Straftaten beitragen könnten", beschränkt ist? c) Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die nach den Leitlinien des Bundesjustizministers geplante Vorratsdatenspeicherung unverhältnismäßig im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist? d) Nach Artikel 15 der EG-Richtlinie 2002/58 dürfen EU-Mitgliedsstaaten von der Pflicht zur frühestmöglichen Löschung von Telekommunikationsdaten nur abweichen, wenn dies in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, angemessen und verhältnismäßig ist. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die nach den Leitlinien des Bundesjustizministers geplante anlass- und verdachtslose Vorratsdatenspeicherung europarechtswidrig ist? 4. Schließt die Aufforderung des Landtags an die Landesregierung, alles in ihrer Macht Stehende zur Verhinderung einer anlass- und verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung auf Bundesebene zu unternehmen, nach dem Verständnis der Landesregierung die Aufforderung an den Ministerpräsidenten und die anderen Mitglieder der Landesregierung ein, sich in der öffentlichen Diskussion entsprechender Schritte auf Bundesebene ablehnend zu positionieren? 5. Warum hat es weder der Ministerpräsident noch die Justizministerin noch ein anderes Mitglied der Landesregierung für nötig befunden, sich gegenüber der Presse zu den Leitlinien des Bundesjustizministers zu äußern? 6. Welche Schritte hat die Landesregierung nach dem Landtagsbeschluss "Vorratsdatenspeicherung stoppen" vom 19.03.2015 zu dessen Umsetzung unternommen? 7. Welche Schritte beabsichtigt welches Mitglied der Landesregierung zur Umsetzung des Landtagsbeschlusses "Vorratsdatenspeicherung stoppen" vom 19.03.2015 zu unternehmen? Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/2980 3 Antwort zu Fragen 1. bis 7.: Die Ministerin für Justiz, Kultur und Europa hat in der o.a. Debatte im Landtag die Auffassung der Landesregierung klar gestellt. Sie hat u.a. dargelegt, dass bereits im Koalitionsvertrag 2012-2017 - „Bündnis für den Norden - Neue Horizonte für SchleswigHolstein “ von SPD, Bündnis90/Die Grünen und SSW folgender Passus aufgeführt ist: „Deshalb werden wir uns auf Europa- und Bundesebene, im Bundesrat und der Innenministerkonferenz gegen jede Form der Vorratsdatenspeicherung einsetzen“. Die Haltung der Landesregierung ist insgesamt durch diverse öffentliche Debatten, Presseveröffentlichungen und öffentliche Auftritte von Mitgliedern der Landesregierung hinreichend klar und deutlich kundgetan. Nach Auffassung der Landesregierung stellt eine Abstimmung über eine konkrete Vorlage die höchste Form einer Positionierung dar. Die Landesregierung wird in den Verfahren, in denen sie zu Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung abzustimmen hat, entsprechend der Vereinbarung im Koalitionsvertrag abstimmen. Auch dies haben die Mitglieder der Landesregierung in den diversen Landtagsdebatten und sonstigen öffentlichen Äußerungen zu diesem Thema bereits deutlich kundgetan (vgl. hierzu beispielsweise den Redebeitrag der Ministerin für Justiz, Kultur und Europa im Plenarprotokoll des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 19.03.2015). Nach Auffassung der Landesregierung setzt sie damit zugleich den mehrfach geäußerten und in entsprechenden Beschlüssen dokumentierten Wunsch des Landtages um. Sie täte dies auch ohne eine entsprechende Beschlusslage des Landtages, die in begrüßenswerter Weise die Haltung der Landesregierung in dieser Frage bestätigt. Presseöffentliche Äußerungen zu Einzelaspekten oder Regelungen, die einer Einführung, Erweiterung und/oder Umsetzung etc. der Vorratsdatenspeicherungen dienen, behält sich die Landesregierung auch weiterhin jederzeit vor. Für eine weitere Verdeutlichung der Haltung der Landesregierung sind diese jedoch nicht zwingend notwendig.