SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/3005 18. Wahlperiode 2015-05-29 Kleine Anfrage des Abgeordneten Johannes Callsen (CDU) und Antwort der Landesregierung - Ministerin für Schule und Berufsbildung Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung - ÜLU II 1. Warum und seit wann sind Eintrittsbögen bzw. Einverständniserklärungen und Austrittsbögen für ÜLU-Lehrgänge erforderlich? Antwort: In der Förderperiode 2007 bis 2013 (Zukunftsprogramm Arbeit - ZPA) übermittelten die Zuwendungsempfänger für jedes Vorhaben pseudonymisierte und kumulierte Daten der Teilnehmenden in sogenannten Projektstammblättern an die Investitions- bank Schleswig-Holstein. Für die Ermittlung dieser kumulierten Werte erfassten bzw. nutzten die Zuwendungsempfänger auch in der Förderperiode 2007 bis 2013 bereits Daten der einzelnen Teilnehmenden. Erfasst wurden Geschlecht, Nationalität, Min- derheit, Behinderung, Alter, Bildung (höchster Abschluss bei Projekteintritt), Er- werbsstatus. Aufgrund der kumulierten Übermittlung der Daten waren keine Einver- ständniserklärungen der Teilnehmenden notwendig. In der Förderperiode 2014 bis 2020 (Landesprogramm Arbeit - LPA) gilt die ESF- Verordnung (VO EU 1304/2013). Diese sieht vor, dass bestimmte personenbezoge- ne Daten erhoben werden müssen, die für die Beurteilung der Wirksamkeit des ESF relevant sind. Diese Daten sind als sogenannte 'gemeinsame Indikatoren' in An- Drucksache 18/3005 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 hang I der ESF-Verordnung (VO (EU) Nr. 1304/2013) aufgeführt. Die in den Teil- nehmererfassungsbögen des LPA vorgesehenen Eintrittsindikatoren umfassen aus- schließlich die in der Verordnung genannten Indikatoren. Neu im Vergleich zur Vor- periode ist insbesondere die Frage nach der Haushaltssituation. Diese steht im Zu- sammenhang mit der Zielsetzung der Europa 2020-Strategie, Armut zu bekämpfen. Neu ist auch die Vorschrift, individuelle Teilnehmerdatensätze zu erfassen. Diese ergibt sich aus Art. 125 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 (Allgemeine Verordnung) i.V.m. Anhang I der ESF-Verordnung. Die Eintrittsbögen sind erforderlich zur Erfassung der im Anhang I der ESF- Verordnung genannten Teilnehmermerkmale, die Austrittsbögen zur Erfassung der im Anhang I der ESF-Verordnung genannten unmittelbaren Erfolgsindikatoren sowie programmspezifischer Indikatoren, die im Operationellen Programm des Landes be- zeichnet sind. Die Einverständniserklärungen werden benötigt als Rechtsgrundlage für die Übermittlung der Daten vom Zuwendungsempfänger an die Investitionsbank Schleswig-Holstein zum Zwecke des internen und des von der EU Kommission be- auftragten externen Monitorings sowie für die Evaluierung. 2. Welche Haushaltsmittel für die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung wurden für die Haushaltsjahre 2012, 2013, 2014 und 2015 für die ÜLU bereitgestellt (Landesmittel mit Titel und EU-Mittel)? Antwort: Folgende Haushaltsmittel wurden jährlich für die ÜLU bereitgestellt (in 2012 bis 2014 bei Titel 0616.02 68505 und in 2015 bei Titel 0709.00 68501): Jahr Landesmittel EU-Mittel 2012 1.125.000,00 € 1.955.000,00 € 2013 1.125.000,00 € 1.955.000,00 € 2014 1.125.000,00 € 1.955.000,00 € 2015 1.100.000,00 € 1.757.000,00 € 3. a) Wie viele und welche Eintrittsbögen bzw. Einverständniserklärungen müssen durch den Auszubildenden pro Lehre für den ersten ÜLU-Lehrgang ausgefüllt werden und sind ggf. Änderungen am bisherigen Verfahren geplant und warum? b) Gibt es ggf. Unterschiede bei einem weiteren Lehrgang während einer Lehre? 3 Antwort: a) Abweichend von der Förderperiode 2007 bis 2013, in der die Teilnehmerplätze den Indikator darstellten und jedes absolvierte Modul der Grund- und Fachstufe ein- zeln zu zählen war, wird in der Förderperiode 2014 bis 2020 auf die Teilnehmenden abgestellt. Jeder Teilnehmende wird in einem Projekt mit seinen Eintrittsindikatoren nur einmal erfasst. Eintrittsbögen und Einwilligungserklärung sind nur einmalig aus- zufüllen. b) Der Teilnehmer füllt nur im ersten Modul der Förderperiode 2014 bis 2020 die Ein- trittsdaten im Teilnehmererfassungsbogen aus; der Zuwendungsempfänger übermit- telt diesen an die Datenbank. Bei Folgelehrgängen werden dann keine Eintrittsdaten mehr erhoben. 4. Wie und in welchem Umfang muss der Austrittsbogen nach jedem ÜLU- Lehrgang ausgefüllt werden und sind ggf. Änderungen am Verfahren geplant und warum? Antwort: In Abstimmung mit der Europäischen Kommission muss der Austrittsbogen erst beim endgültigen Austritt aus der ÜLU und nicht nach jedem einzelnen ÜLU-Modul erfasst werden. Im Idealfall entspricht der endgültige Austritt aus der ÜLU dem regulären Ausbildungsabschluss. Es muss jedoch ebenso sichergestellt sein, dass Teilneh- mende, die die Ausbildung vorzeitig beenden, erfasst werden. 5. Ist geplant, den Eintrittsbogen zu überarbeiten und mit welchem Ziel? Antwort: Es ist aktuell nicht geplant, den Teilnehmererfassungsbogen zu überarbeiten. Der Erfassungsbogen nutzt weitestgehend das in der Vorperiode für die Teilnehmerer- fassungen genutzte Formular, das um die laut Anhang I der ESF-Verordnung zusätz- lich zu erfassenden Merkmale ergänzt wurde. Der Teilnehmererfassungsbogen fragt nur die zwingend erforderlichen Angaben ab. Soweit der Europäischen Kommission zu Merkmalen berichtet werden muss, die sich aus der Kombination zweier Einzel- merkmale ergeben, wurde auf eine Einzelabfrage verzichtet. Diese Merkmale werden elektronisch zusammengefügt. Der Erfassungsbogen steht auf der Internetseite der Investitionsbank Schleswig-Holstein für das LPA zum Download zur Verfügung. Es ist jedoch vorgesehen, dem Zuwendungsempfänger in der ÜLU die Übermittlung Drucksache 18/3005 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 auch über einen Excel-Upload zu ermöglichen. Dabei können dann einzelne festste- hende Merkmale, z.B. der Erwerbsstatus bei Eintritt, vorprogrammiert werden. 6. Wie ist das Verfahren bei Minderjährigen und sind hier ggf. Änderungen geplant und warum? Antwort: Das Verfahren unterscheidet sich bei Minderjährigen nicht; das Recht auf informatio- nelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht und seine Ausübung nicht an die Volljäh- rigkeit geknüpft. Datenerhebung und Einwilligungserklärung haben für die Teilneh- menden keine zivilrechtlichen Konsequenzen, so dass die Einsichtsfähigkeit der Teil- nehmenden in Bezug auf die Datenschutzerklärung ausreicht. Ob eine minderjährige Person die nötige Einsichtsfähigkeit hat, die Inhalte der Datenschutzerklärung zu verstehen, ist durch die die Daten erhebende Stelle einzuschätzen. Eine feste Al- tersgrenze ist nicht normativ verankert. In der Regel ist bei Auszubildenden davon auszugehen, dass die erforderliche Einsichtsfähigkeit gegeben ist. Ggf. muss dem Teilnehmenden die Datenschutzerklärung erläutert werden. 7. Ab welchem Zeitpunkt müssen die Daten durch wen erhoben werden und wer ist für die Übertragung aller Daten bis wann an die IB-SH verantwortlich? Antwort: Die Daten für die Förderperiode 2014 bis 2020 sind für die ÜLU erst ab dem 01.01.2015 zu erheben, weil das Jahr 2014 noch aus dem auslaufenden ZPA finan- ziert wurde. Grundsätzlich sind die Daten für jeden Teilnehmenden innerhalb von vier Wochen nach Eintritt in das Projekt zu erheben und zu übermitteln. Das elektroni- sche Übermittlungssystem steht aktuell noch nicht zur Verfügung. Es bedarf hierfür noch einer Vorab-Kontrolle durch das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD). Für das Jahr 2015 ist daher mit den Handwerkskammern als Zuwendungsempfänger der ÜLU vereinbart worden, dass eine Übermittlung der Daten bis spätestens 31.12.2015 für das gesamte Jahr 2015 ausreichend ist. Ver- antwortlich für die Übermittlung der Daten ist der jeweilige Zuwendungsempfänger, im Falle der ÜLU also die beiden Handwerkskammern Flensburg und Lübeck. 8. a) Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn die Ein- und Austrittsbögen oder die Datenschutzerklärung von dem Lehrling nicht oder nicht vollständig ausge- 5 füllt bzw. nicht unterschrieben worden sind? b) Wer muss ggf. ab wann welche Kosten tragen? Antwort: a) Die Anzahl der Teilnehmenden der ÜLU fungiert im Operationellen Programm Schleswig-Holstein für den ESF als sogenannter Outputindikator. Als Teilnehmer im Sinne dieses Indikators kann nur derjenige gezählt werden, für den zumindest alle nicht als sensibel eingestuften Daten des Anhangs I der ESF-Verordnung vorliegen. Ende des Jahres 2018 erfolgt eine Leistungsüberprüfung des Operationellen Pro- gramms, bei die Erreichung der Outputindikatoren betrachtet wird. Sind die Etappen- ziele nicht erreicht, kommt die sogenannte „Leistungsreserve“ nicht zur Auszahlung. Für das Operationelle Programm Schleswig-Holstein beträgt die Leistungsreserve insgesamt 6% bzw. 5.327.446 Euro. Für die Prioritätsachse C, in der die Aktion ÜLU verortet ist, beträgt die Leistungsreserve 2.827.660 Euro. Das Verfahren zur Anwen- dung des Leistungsrahmens und zur Auszahlung der Leistungsreserve ist geregelt in Artikel 22 der VO EU Nr. 1303/2013. In Artikel 22 Absatz 3 wird klargestellt, dass die leistungsbezogene Reserve nur den Prioritäten zugewiesen wird, bei denen die Etappenziele erreicht wurden. Wenn in der ÜLU durch unvollständige Eintritts- oder Austrittsbögen oder fehlende Einwilligungserklärungen die an die EU Kommission zu meldenden Teilnehmenden- zahlen hinter den im Operationellen Programm für die ÜLU festgelegten Output- indikatoren zurück bleiben, entgehen dem Land Schleswig-Holstein im Jahr 2019 2.827.660 Euro ESF-Mittel der Leistungsreserve der Prioritätsachse C des LPA. Die finanziellen Konsequenzen beträfen neben der Aktion ÜLU potenziell auch die ande- ren Aktionen in der Prioritätsachse C (Handlungskonzept PLuS, Produktionsschulen, Regionale Ausbildungsbetreuung, Weiterbildungsbonus SH). b) Vor diesem Hintergrund können nur Teilnehmende, für welche die vollständigen Angaben vorliegen, im ESF-Projekt abgerechnet werden. Da eine Förderung aller Teilnehmerstunden den Haushaltsansatz deutlich übersteigen würde, werden die vorhandenen Haushaltsmittel nach dem jeweiligen Prozentanteil der Kammer an den Gesamtteilnehmerstunden aufgeteilt. Die Kosten der Lehrgänge müssen die Betriebe tragen, wobei durch die Fördermittel (Land, Bund und EU) die Kosten insgesamt ge- ringer ausfallen. Drucksache 18/3005 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 6 9. Wenn die Übertragung der Daten bis zu einem Zeitpunkt nicht erfolgt, wer muss dann die Kosten des jeweiligen Lehrgangs übernehmen? Antwort: Die Kosten der Lehrgänge fallen unabhängig von der Datenerhebung und -über- tragung an (siehe auch Antwort zu Frage 8b). 10. Sind Änderungen des bisherigen Verfahrens der Datenübermittlung geplant und wer hat das ggf. geprüft? Antwort: Die Datenübermittlung erfolgt künftig auf der Einzeldatensatzbasis, also für jeden einzelnen Teilnehmenden und damit nicht mehr kumuliert. Diese Änderung ergibt sich aus den Vorgaben (s.o.) der neuen Förderperiode. In Absprache mit den Kam- mern wird eine Excel-Upload-Möglichkeit zur Verfügung gestellt (s.o.). 11. a) Hat die Landesregierung das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) an dieser Thematik beteiligt und b) liegt der Landesregierung eine Stellungnahme des ULD zu dieser Thematik vor oder hat sie Kenntnis darüber, ob sich das ULD in der Sache geäußert hat und wenn ja wie? Antwort: a) Die Landesregierung hat das ULD bei der Erstellung der Teilnehmererfassungs- bögen beteiligt. Hinsichtlich des Datenbanksystems wird noch eine Vorab-Kontrolle durch das ULD erfolgen. b) Zur Datenerhebung wurden zwischen ESF-Verwaltungsbehörde und dem ULD Gespräche geführt. Das ULD hat die Fragestellung in einer Bund-Länder Arbeits- gruppe der Datenschutzbeauftragten erörtert. Der Teilnehmererfassungsbogen ist mit dem ULD in der veröffentlichten Fassung abgestimmt. Es wird vom ULD eine Einwil- ligungserklärung für die Datenübermittlung der Zuwendungsempfänger an die IB.SH für notwendig gehalten. Dies führt das ULD in seinem 35. Tätigkeitsbericht (https://datenschutzzentrum.de/tb/tb35/kap04_5.html#452) aus.