SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/3126 18. Wahlperiode 6. Juli 2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (Piraten) und Antwort der Landesregierung - Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Konsequenzen aus dem Fall Friesenhof III 1. Wie steht die Landesregierung zu der Forderung des Runden Tischs Heimerziehung , unabhängige Beschwerdeinstanzen („Ombudsstellen“) zu schaffen? Kommt dafür auch die Beauftragte für soziale Angelegenheiten in Frage? a) Welche Möglichkeiten hat das Land, um im Rahmen seiner Zuständigkeiten darauf hinzuwirken (z.B. Erlass)? b) Welche Schritte beabsichtigt die Landesregierung diesbezüglich? Antwort: Die nach dem Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) geforderten Beteiligungsmöglichkeiten beinhalten auch, dass den Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen grundsätzlich Möglichkeiten zur Verfügung stehen, sich im Falle von Beschwerden an Stellen bzw. Personen außerhalb der Einrichtung wenden zu können; hierfür stehen z. B. die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Heimaufsicht und die fallzuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den entsendenden Jugendämtern zur Verfügung. Die Landesregierung hält darüber hinaus auch die Schaffung einer eigenen Ombudsstelle für Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen für sinnvoll, an die sich die Kinder und Jugendlichen neben dem Landesjugendamt oder dem entsendenden Jugendamt wenden können, und prüft derzeit, wie diese institutionell gestaltet werden kann. Drucksache 18/3126 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 2. Wie steht die Landesregierung zu der Forderung des Runden Tischs Heimerziehung , unangemeldete Regelbesuche der Heimaufsicht wieder einzuführen und auch Mitglieder des Heimbeirates daran zu beteiligen, zumindest abgestuft nach dem institutionellen „Gefährdungsgrad“ einer Einrichtung und als erster Besuch nach der Erstinbetriebnahme einer Einrichtung (z. B. innerhalb des ersten Jahres )? a) Welche Möglichkeiten hat das Land, um im Rahmen seiner Zuständigkeiten darauf hinzuwirken (z.B. Erlass)? b) Welche Schritte beabsichtigt die Landesregierung diesbezüglich? Antwort: Das SGB VIII hat im Jahre 1991 das Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) von 1924 bzw. 1977 abgelöst und sieht in Abkehr von der Regelung in § 78 Abs. 5 JWG keine Regelbesuche vor. Vielmehr soll die Heimaufsicht die Einrichtungen „nach den Erfordernissen des Einzelfalls an Ort und Stelle überprüfen“ (§ 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Regelbesuche finden danach nicht statt. Gleichwohl macht die Heimaufsicht eine Vielzahl von angemeldeten und auch unangemeldeten Betriebsbesuchen, um Einblicke in den Alltag der Einrichtungen zu erhalten. Meist zeigen sich die Einrichtungsträger diesen Betriebsbesuchen gegenüber aufgeschlossen und nehmen ggf. erforderliche Beratung gerne an. Vermehrt wird aber von einigen Trägern aus der Regelung in § 46 SGB VIII ein Verbot für die Heimaufsicht abgeleitet, die Einrichtungen ohne konkreten Anlass zu prüfen. Die Landesregierung hält es deshalb für erforderlich, dass insoweit eine Klarstellung im SGB VIII vorgenommen wird, so dass die Heimaufsicht auch anlasslose, unangemeldete örtliche Prüfungen durchführen kann. Schleswig-Holstein beteiligt sich an einer auf Betreiben der JFMK eingerichteten Bund-Länder-AG, die Weiterentwicklungsmöglichkeiten im SGB VIII zur Stärkung der Heimaufsicht prüfen und Vorschläge für entsprechende gesetzliche Änderungen erarbeiten soll. 3. Hält die Landesregierung die personelle Ausstattung der Heimaufsicht für ausreichend ? Sind diesbezüglich Änderungen geplant? Antwort: Die Landesregierung hält eine angemessene Ausstattung der Heimaufsicht für unerlässlich , um die wichtige Aufgabe des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen wahrnehmen zu können. Die Heimaufsicht wurde daher im Jahr 2013 um zwei Fachkräfte und aktuell um zwei weitere Fachkräfte verstärkt und umfasst nun insgesamt acht Personen. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3126 3 4. Wie steht die Landesregierung zu dem Vorschlag, den Tatbestand der "freiheitsentziehenden Unterbringung" (§ 1631b BGB) zu konkretisieren (vgl. AG Kamen FamRZ 1983, 299; AG Wolfhagen BtPrax 1998, 83) und freiheitsentziehenden Heimen die Anforderung der erforderlichen richterlichen Genehmigung aufzuerlegen? a) Welche Möglichkeiten hat das Land, um im Rahmen seiner Zuständigkeiten darauf hinzuwirken (z.B. Auflage)? b) Welche Schritte beabsichtigt die Landesregierung diesbezüglich? Antwort: Die Landesregierung lehnt freiheitsentziehende Unterbringung ab und sieht in Schleswig-Holstein auch keinen Bedarf für Einrichtungen, die freiheitsentziehende Unterbringung anbieten. 5. Wie steht die Landesregierung zu dem Vorschlag, auswärtige Kinder und Jugendliche in Schleswig-Holsteinischen Heimen in die Schulpflicht einzubeziehen, jedenfalls wenn keine individuellen Hinderungsgründe von unabhängiger Seite festgestellt sind? Antwort: Die Landesregierung sieht hinsichtlich der gesetzlichen Schulpflicht in SchleswigHolstein keinen Grund für eine Änderung der Rechtslage. Im Fall der Fragestellung besteht ein Anspruch des Kindes bzw. des Jugendlichen auf Aufnahme in eine öffentliche Schule. Das in § 20 Abs. 1 Satz 2 SchulG eingeräumte Aufnahmeermessen ist gem. § 73 Abs. 1 LVwG pflichtgemäß auszuüben, wodurch vorliegend die Beschulung an einer öffentlichen Schule sichergestellt wird. Ungeachtet dessen kann das Bestehen der gesetzlichen Schulpflicht nicht an individuelle Voraussetzungen in der Person des Kindes bzw. des Jugendlichen geknüpft werden.