SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/3175 18. Wahlperiode 17.07.2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Dudda (Piratenfraktion) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Altersgerechter Strafvollzug Vorbemerkung: Der zur Beratung anstehende Entwurf der Landesregierung für ein neues Strafvollzugsgesetz berücksichtigt den demographischen Wandel, der dazu führen wird, dass es vermehrt ältere Strafgefangene geben wird, nicht. Bei der Vorstellung des Gesetzentwurfes auf der Sitzung des Landesbeirates für soziale Strafrechtspflege am 29. Juni 2015 durch den federführenden Referenten. Herrn Goerdeler, erklärte dieser auf meine Nachfrage dazu, dass der Gesetzentwurf die Problemstellungen, die mit der Haft älterer Gefangener einhergehen, in seiner Gesamtheit bedienen würde. Man habe das zuvor diskutiert und sich entschieden, den Strafvollzug von älteren Strafgefangenen inhaltlich nicht separat in den Entwurf einzubeziehen. 1. Wie will die Landesregierung dem eigenen Anspruch, mit dem Strafvollzugsgesetz auch für mehr soziale Sicherheit auch innerhalb der Justizvollzugsanstalten sorgen zu wollen, gerecht werden, wenn älteren Strafgefangenen gesetzlich kein Schutz zuteil wird, der ihrem körperlichen Status Rechnung trägt? Antwort: Im Entwurf des neuen Strafvollzugsgesetzes sind die gesetzlichen Vorgaben für die Gestaltung des Vollzuges und für die Stellung des Gefangenen (§ 3: Grundsätze der Vollzugsgestaltung, § 4: Stellung der Gefangenen, Mitwirkung) gegenüber dem geltenden Strafvollzugsgesetz (§ 3: Gestaltung des Vollzuges, § Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3175 2 4: Stellung des Gefangenen, § 141: Differenzierung) deutlich erweitert worden. In § 3 Absatz 5 des Entwurfes ist formuliert: „Die unterschiedlichen individuellen Erfordernisse der Gefangenen, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht, Alter und Herkunft, werden bei der Vollzugsgestaltung im Allgemeinen und im Einzelfall berücksichtigt“. In Übereinstimmung mit den Strafvollzugsgesetzen der anderen Länder und dem Musterentwurf einer Länderarbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Strafvollzugsgesetzes aus dem Jahre 2011 enthält auch der Entwurf für ein schleswig-holsteinisches Strafvollzugsgesetz bisher keinen Abschnitt über die Behandlung lebensälterer Gefangener. Im Strafvollzug befinden sich unter den Gefangenen sehr unterschiedliche Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Lebensumständen. Die Gefangenen sind wegen unterschiedlicher Delikte in Haft, zum Teil ist auch von einer weiter bestehenden Gefährlichkeit auszugehen. Die Gruppe der lebensälteren Gefangenen hat sich in den vergangenen zehn Jahren leicht vergrößert. Zum Stichtag 1. Juli 2015 waren in den Justizvollzugsanstalten des Landes 37 Gefangene im Alter zwischen 60 und 70 Jahren, 5 Gefangene waren über 70 Jahre alt. Aber auch die Gruppe der lebensälteren Gefangenen ist nicht homogen. In der Praxis bedeutet dies, dass der Freizeitbeschäftigung eine besondere Bedeutung zukommt, da die Gefangenen ab dem 65. Lebensjahr nicht mehr zur Arbeit verpflichtet sind. Ferner kommt der Gesundheitserhaltung eine besondere Bedeutung zu. Das beinhaltet ausreichend Bewegung und ein gezieltes Sportangebot. Um einer Isolierung entgegenzuwirken, sind Gesprächsangebote zu machen, die auch dazu dienen, persönliche Angelegenheiten zu regeln. Eine konzeptionelle Frage ist es, ob es Sinn gibt, ältere Gefangene gemeinsam unterzubringen. Dies ist grundsätzlich auch in Schleswig-Holstein vorstellbar. Bei den weiteren Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen von Hafthäusern wird geprüft werden, ob eine gemeinsame Unterbringung von älteren Gefangenen sinnvoll ist. Allerdings ist die Zahl der älteren Gefangenen in Schleswig-Holstein begrenzt, die Gefangenen sind sehr verschieden und sie haben sich in ihre aktuelle Lebenssituation hineingefunden. 2. Warum hat die Landesregierung darauf verzichtet, im Gesetzentwurf die Erfüllung der besonderen Unterbringungsanforderungen für ältere Strafgefangene wie beispielsweise höhere Betten und WC, WC-Haltegriffe und Duschstühle zu regeln? Antwort: In den Strafvollzugsgesetzen aller Länder finden sich nur grundlegende Organisationsregelungen . Die nähere Ausgestaltung wird in der Praxis von den Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3175 3 Anstalten unter Berücksichtigung der inhaltlichen Vorgaben des Gesetzes geleistet. 3. Warum hat die Landesregierung darauf verzichtet, im Gesetzentwurf auch den Bedarf für besonders geschultes bzw. ausgebildetes Personal für ältere Strafgefangene zu benennen? Antwort: Im Vergleich zu anderen Landesgesetzen, die nur wenige Regelungen zum Personalbereich haben, findet sich in § 134 des Entwurfes für ein schleswigholsteinisches Strafvollzugsgesetz eine Vorschrift, die beispielsweise die besondere Bedeutung der Aus- und Fortbildung für das Personal hervorhebt. Eine ausreichende Qualifizierung des Personals ist bezogen auf alle Gefangenengruppen unabdingbare Voraussetzung für einen „erfolgreichen“ Strafvollzug. Entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen, insbesondere auch bezogen auf medizinische Fragen, sind erforderlich. 4. Warum enthält der Entwurf keinerlei Regelungen für das Entlassmanagement älterer Strafgefangener wie beispielsweise die Vorbereitung der stationären bzw. ambulanten Pflege nach der Haft? Antwort: In § 3 Absatz 2 in Verbindung mit § 59 Absatz 2 (Vorbereitung der Eingliederung) des Entwurfes für ein schleswig-holsteinisches Strafvollzugsgesetz finden sich bei den Grundsätzen der Vollzugsgestaltung die erforderlichen Hilfen zur Entlassungsvorbereitung. Gegenüber dem geltenden Strafvollzugsgesetz wird der besondere Stellenwert der Entlassungsvorbereitung herausgehoben. Die Anstalt hat nach der genannten Bestimmung dem Gefangenen Hilfe zu leisten, der Hilfebedarf und Leistungsansprüche werden ermittelt, der Gefangene wird dabei unterstützt, bei den Leistungsträgern Hilfen mit dem Tag der Entlassung zu erhalten. 5. Warum plant die Landesregierung in Schleswig den kostenintensiven Neubau bzw. die bauliche Erweiterung des dortigen Jugendstrafvollzuges, obwohl die Zahl jugendlicher Straftäter künftig abnehmen wird, anstatt dort einen wohngruppenorientierten Strafvollzug, für ältere Strafgefangene, deren Zahl künftig zunehmen wird, so wie er bereits erfolgreich in anderen Bundesländern angewendet wird, zu etablieren? Antwort: Derzeit beträgt die Belegung des Jugendvollzuges 113 Gefangene (Stichtag 8. Juli 2015). Die Gefangenen verteilen sich auf die Standorte Schleswig und Neumünster. Die Belegung des Jugendvollzuges ist aber außerordentlich schwankend. 2012 lag die Durchschnittsbelegung bei 179 Gefangenen, in 2013 bei 158 Gefangenen. In 2013 war die Höchstbelegung im Jugendvollzug bei 179 Gefangenen. In einem so kurzen Zeitraum kann ein nachhaltiger Rückgang der Gefangenenzahlen nicht festgestellt und auch nicht demografisch erklärt werden. Der Jugendvollzug soll möglichst weitgehend in Schleswig konzentriert werden, Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3175 4 was eine ausreichende Zahl von Haftplätzen dort voraussetzt. Unabhängig hiervon wird, wie in der Antwort zu der Frage 1 dargestellt, geprüft werden, ob eigene Bereiche für lebensältere Gefangene zu schaffen sind. Der Standort Schleswig bietet sich hier nicht an.