SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/3220 18. Wahlperiode Stand: 28.07.2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Kubicki (FDP) und Antwort der Landesregierung - Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung „Friesenhof“ – Vereinbarung zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der Trägerin – Nachfrage zu Drucksache 18/3129 . 1. Laut Antwort der Landesregierung erfolgte der Vertragsschluss, weil das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung den Abschluss des Vergleichsvertrags für "zweckdienlich" hielt. Inwiefern war der Abschluss des Vergleichsvertrags "zweckdienlich"? Zur Erreichung welchen Zwecks erfolgte der Vertragsschluss ? Bitte begründen. Antwort: Wie bereits in der Drucksache 18/3129 ausgeführt wurde, hatte der Vertragsschluss den Zweck, Ungewissheiten zu beseitigen. Ungewissheiten hinsichtlich der Sachund Rechtslage sind aufgrund der Klagerhebung des Einrichtungsträgers entstanden . Der Aufwand, der mit der Beseitigung der Ungewissheit verbunden war, war bei verständiger Würdigung des Sachverhaltes und der Rechtslage erheblich. Die Ungewissheit hätte sich letztlich erst nach Abschluss eines zeitaufwendigen Klageverfahrens endgültig beseitigen lassen. Mit den in der Vereinbarung vom 09.04./15.04.2015 festgelegten Auflagen ist darüber hinaus das Regelungsziel des Bescheides vom 30.01.2015 erreicht worden. Drucksache 18/3220 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 2. Laut Antwort der Landesregierung begrenzt die Vereinbarung auf anderweitigen Rechtsgrundlagen beruhende rechtliche Möglichkeiten der Einrichtungsträgerin, in Grundrechte der Betreuten einzugreifen. Nach welchen Rechtsgrundlagen ist eine privat-gewerbliche Trägerin zu welchen Grundrechtseingriffen berechtigt? Antwort: Die Berechtigung für mögliche Grundrechtseingriffe kann sich aus der elterlichen Sorge ergeben, die wiederum auf andere übertragbar ist und in Bezug auf die Angelegenheiten des täglichen Lebens auch gesetzlich übertragen ist (§ 1688 Abs.2 BGB). Die elterliche Sorge ist in § 1631 Abs. 1 BGB definiert als Pflicht und Recht der Personensorgeberechtigten das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. 3. Laut Antwort der Landesregierung ist mit der Vergleichsvereinbarung das Regelungsziel des Bescheides vom 30. Januar 2015 erreicht worden. a) Inwiefern dient § 2 der Erreichung des Regelungsziels von Ziffer 1.1? Nach welcher Rechtsgrundlage ist eine privat-gewerbliche Trägerin zu solchen Eingriffen berechtigt ? Ist die Landesregierung der Auffassung, dass hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist? Antwort: § 2 der Vereinbarung dient dem Regelungsziel von Ziffer 1.1 der Auflage, da das vollständige Entkleiden untersagt wird, wenn es nicht im Einzelfall erforderlich ist. Eine Berechtigung zu einem solchen Eingriff kann sich in Einzelfällen aus der insoweit auf die Trägerin übertragenen Personensorge zur Abwehr einer Selbst- oder Fremdgefährdung ergeben (§ 1631 i.V.m. § 1688 BGB) und dieser kann in Einzelfällen dann auch verhältnismäßig sein. b) Inwiefern dient § 3 der Erreichung des Regelungsziels von Ziffer 1.2? Nach welcher Rechtsgrundlage ist eine privat-gewerbliche Trägerin zu solchen Eingriffen berechtigt ? Ist die Landesregierung der Auffassung, dass hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist? Antwort: Wie bereits ausgeführt wurde, war die Auflage der Ziffer 1.2 zu weit gefasst, da nicht nur gefährliche Gegenstände zulässigerweise im Rahmen des pädagogischen Konzeptes in der Einrichtung untersagt werden können. Derartige pädagogische Maßnahmen ergeben sich aus dem insoweit auf die Einrichtung übertragenen Personensorgerecht (§ 1631 i.V.m. § 1688 BGB) und können im Rahmen eines pädagogischen Konzeptes auch verhältnismäßig sein. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3220 3 c) Inwiefern dient § 5 der Erreichung des Regelungsziels von Ziffer 1.4? Nach welcher Rechtsgrundlage ist eine privat-gewerbliche Trägerin zu solchen Eingriffen berechtigt ? Ist die Landesregierung der Auffassung, dass hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist? Antwort: § 5 sichert das Regelungsziel von Ziffer 1.4., da die Kontaktaufnahme der Betreuten mit den Personensorgeberechtigten/Vormündern sowie dem leistungszuständigen Jugendamt und dem Land gesichert wird. Zur Abwendung von Selbstgefährdungen der Betreuten, kann im Einzelfall ein unkontrolliertes Telefonieren im Rahmen der Personensorge eingeschränkt werden. Zur Abwehr von Selbstgefährdungen ist eine solche Maßnahme auch verhältnismäßig. 4. Minderjährige sind Träger des Grundrechts aus Art. 10 GG. Eltern sind, abhängig vom Alter des Kindes, kraft ihres Sorgerechts nach §§ 1626, 1631 BGB zwar grundsätzlich gerechtfertigt, wenn sie die an ihre Kinder gerichtete Post öffnen und kontrollieren . Eine schrankenlose Berechtigung zur Verletzung des Briefgeheimnisses wird heute aber nicht mehr eingeräumt. a) Inwiefern dient § 5 Abs. 5 der Erreichung des Regelungsziels von Ziffer 1.5? Antwort: § 5 Abs.5 der Vereinbarung dient wie der Ziffer 1.5. dem Ziel, das Briefgeheimnis zu sichern. Eine schrankenlose Berechtigung zur Kontrolle eingehender Post der Betreuten wird nicht eingeräumt. Das Grundrecht des Art. 10 GG richtet sich allerdings an dem jeweiligen Reifegrad des Kindes aus. Wenn die Personensorgeberechtigten hinreichende Anhaltspunkte für eine Fehlentwicklung oder gar eine Gefährdung des Kindeswohls sehen, sind sie zu korrigierenden Interventionen berechtigt und verpflichtet . Unter dieser Voraussetzung ist eine Verletzung des Briefgeheimnisses nicht rechtswidrig. Bei § 5 Abs. 5 der Vereinbarung handelt sich um eine abgestufte Regelung , die es den Sorgeberechtigten ermöglicht, entsprechend dem jeweiligen Entwicklungsstand und dem Schutzbedürfnis der Kinder und Jugendlichen zu entscheiden , welche Post diese erhalten können, ohne das Kindeswohl zu gefährden. Die Entscheidung war gemäß § 5 Abs. 5 der Vereinbarung in Zweifelfällen nicht von der Einrichtung, sondern von den Personensorgeberechtigten zu treffen. b) Nach welcher Rechtsgrundlage ist eine privat-gewerbliche Trägerin zu solchen Eingriffen berechtigt? Antwort: Auch hier ergibt sich die Berechtigung aus § 1631 i.V.m. § 1688 BGB. c) Wie begründet die Landesregierung die Rechtmäßigkeit unbeschränkter Postkontrollen ohne einen Zustimmungsvorbehalt durch den Betreuten, Personensorgeberechtigen oder das Familiengericht? Ist die Landesregierung der Auffassung, dass hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist? Drucksache 18/3220 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Antwort: Wie ausgeführt war es Ziel der Vereinbarung, uneingeschränkte Postkontrollen zu verhindern. 5. Inwiefern bezweckt die Vereinbarung die Verwirklichung der Regelungsziele der UN-Kinderrechtskonvention, insbesondere die Sicherung des Kindeswohles i.S.v. Art. 3 Abs. 1 KRK, das Recht auf Umgang i.S.v. Art. 9 Abs. 3 KRK und den Schutz der Privatsphäre i.S.v. Art. 16 KRK? Bitte begründen. Antwort: Die Vereinbarung verfolgt primär den Zweck, durch vertraglich bindende Regelungen bestehende Berechtigungen des Trägers gegenüber den in der Einrichtung betreuten Kindern und Jugendlichen einzuschränken. Die jeweiligen einschränkenden Regelungen sind gerade deshalb geschaffen worden, um unzulässige Eingriffe in die grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Betreuten zu verhindern und damit gleichzeitig der Sicherung des Kindeswohls i.S.v. Art. 3 Abs. 1 KRK, der Sicherung des Umgangs mit den Eltern i.S.v. Art. 9 Abs. 3 KRK und dem Schutz der Privatsphäre i.S.v. 16 KRK zu dienen. Jede einzelne vertragliche Regelung ist dabei an den grundrechtlichen Schutzpositionen der Kinder und Jugendlichen und dem Schutz des Kindeswohls in der durch die UN-Kinderrechtskonvention festgelegten Ausprägung orientiert und differenziert ausgestaltet. 6. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die in der Vergleichsvereinbarung formulierten Standards dem Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen genügen? Bitte begründen. Antwort: Die in den Vergleichsvereinbarungen formulierten Standards entsprechen den Möglichkeiten der Heimaufsicht nach dem SGB VIII. Die Landesregierung ist der Auffassung , dass hier bundesgesetzliche Verbesserungen erforderlich sind. 7. Welche Mindestanforderungen an Konzept- und Strukturqualität sind nach Ansicht der Landesregierung für eine Erlaubniserteilung i.S.v. § 45 SGB VIII zu erfüllen? Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die in der Vergleichsvereinbarung formulierten Standards den Mindestanforderungen genügen? Bitte begründen. Antwort: Mindestanforderungen an Konzept- und Strukturqualität ergeben sich aus räumlichen Vorgaben, Anforderungen an die Gruppengrößen und das erforderliche Fachpersonal sowie darüberhinausgehende pädagogische Anforderungen zur Sicherung des Kindeswohls und der Partizipation der Kinder und Jugendlichen. Die detaillierte Darstellung insbesondere der pädagogischen Anforderungen an die Konzeption derartiger Einrichtungen hängt auch von den Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppe ab. Die in der Vergleichsvereinbarung formulierten Standards entsprechen in Verbindung mit der Konzeption den Mindestanforderungen für den Betrieb einer bereits genehmigten Einrichtung. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII ist die Erlaubnis zurückzu- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3220 5 nehmen, wenn das Wohl der Kinder in der Einrichtung gefährdet ist und der Träger der Einrichtung nicht bereit oder in der Lage ist, die Gefährdung abzustellen. Die vereinbarten Standards verfolgen das Ziel, Kindeswohlgefährdung zu verhindern. 8. Besitzen noch weitere Einrichtungen mit Konzepten, die dem vom Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung genehmigtem Konzept der Einrichtungen der Barbara Janssen GmbH gleichen oder entsprechen, derzeit eine Betriebserlaubnis i.S.v. § 45 SGB VIII? Wenn ja, welche? Antwort: Diese Frage betrifft Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Träger und kann im Rahmen einer kleinen Anfrage nicht beantwortet werden.