SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/3249 18. Wahlperiode 04.08.2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Heiner Garg (FDP) und Antwort der Landesregierung - Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Fachkräfte in stationären Einrichtungen nach dem Elften Sozialgesetzbuch in Schleswig-Holstein 1. Wie hat sich die Fachkraftquote in den stationären Einrichtungen nach dem SGB XI in Schleswig-Holstein seit 2009 im Landesdurchschnitt entwickelt? Bitte getrennt nach Jahren 2009 bis 2014 angeben. Antwort: In der zweijährlichen Pflegestatistik wird das Pflegepersonal in stationären Pflegeeinrichtungen nach Berufsabschluss und Tätigkeitsbereich erfasst. Aus diesen Daten lässt sich rechnerisch eine Pflegefachkraftquote für das Land ermitteln (in stationären Einrichtungen im Bereich Pflege und Betreuung eingesetzte Altenpflegerinnen und Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und Gesundheits - und Krankenpfleger sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger im Verhältnis zur Gesamtzahl des dort eingesetzten Personals). Diese betrug 2009 47,1%, 2011 44,9% und 2013 45,0%. Personen mit anderen Berufsabschlüssen, die gemäß § 11 Abs. 2 und 3 Selbstbestimmungsstärkungsgesetz (SbStG) im Einzelfall den Fachkräften zugerechnet werden, sind in der vorstehenden Berechnung nicht einbezogen. Drucksache 18/3249 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 2. Wie hat sich die Fachkraftquote in den stationären Einrichtungen nach dem SGB XI in Schleswig-Holstein seit 2009 in den Kreisen und kreisfreien Städten seit 2009 im Durchschnitt entwickelt? Bitte jeweils nach Kreisen und kreisfreien Städten getrennt nach Jahren 2009 bis 2014 die jeweiligen geometrischen Mittel (hilfsweise arithmetische Mittel) angeben. Antwort: Nach § 18 Abs. 4 SbStG berichten die zuständigen Aufsichtsbehörden alle zwei Jahre über ihre Tätigkeit. Dabei teilen die Aufsichtsbehörden mit, wie viele der in dem 2-Jahres-Zeitraum geprüften Einrichtungen die Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Satz 2 u. 3 SbStG-DVO erfüllen (sogenannte „Fachkraftquote“, FKQ). Danach ist zur Leistungserbringung mindestens eine Fachkraft zu beschäftigen. Darüber hinaus müssen in stationären Einrichtungen mit mehr als vier pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohnern oder in stationären Einrichtungen mit mehr als 20 nicht pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohnern insgesamt mindestens die Hälfte des weiteren mit den Leistungsträgern vereinbarten Personals für Betreuung und Pflege Fachkräfte sein. Diese Angaben in den Tätigkeitsberichten sind nicht nach Berichtsjahren und Art der Einrichtung (Pflegeeinrichtungen , Einrichtungen der Eingliederungshilfe) aufgeschlüsselt. Werden einzelne Einrichtungen in dem Zeitraum mehrfach geprüft, sind sie mehrfach in der Gesamtzahl enthalten. Die folgenden Zahlen geben daher nicht die Gesamtsituation in den Kreisen und kreisfreien Städten wieder, da nur geprüfte Einrichtungen erfasst sind. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3249 3 Kreis/ kreisfreie Stadt Anteil der Einrichtungen mit erfüllter FKQ an der Gesamtzahl der geprüften Einrichtungen 2009/2010 2011/2012 2013/2014 Flensburg 100,0% 84,0% 91,3% Kiel 95,0% 85,0% 73,5% Lübeck 100,0% 82,5% 87,5% Neumünster 83,3% 83,3% 77,8% Dithmarschen 89,6% 80,0% * Hzgt. Lauenburg 97,1% 87,9% 83,3% Nordfriesland 90,9% 90,0% 52,8% Ostholstein 93,4% 76,7% 80,0% Pinneberg 79,7% 78,4% 80,4% Plön 95,2% 95,3% * Rendsburg-Eckernförde 87,3% 78,6% 83,3% Schleswig-Flensburg 92,7% 85,8% 93,0% Segeberg 75,0% 75,0% * Steinburg 95,1% 81,3% * Stormarn 94,0% 86,6% 82,9% Schleswig-Holstein insgesamt 90,7% 82,7% 83,1% * Die Angaben liegen noch nicht vor. Daten zur Höhe der Fachkraftquote in einzelnen stationären Einrichtungen nach SGB XI liegen bei den Aufsichtsbehörden in den Kreisen und kreisfreien Städten vor und können im Rahmen der Fachaufsicht vom MSGWG ggf. anlassbezogen angefordert werden. 3. Wie viele stationäre Einrichtungen nach dem SGB XI in Schleswig-Holstein erfüllten 2014 die Fachkraftquote gemäß Landesverordnung über stationäre Einrichtungen nach dem Selbstbestimmungsstärkungsgesetz (SbStG-DVO) nicht? Antwort: Im Zeitraum 2013/2014 erfüllten nach den vorliegenden 11 Tätigkeitsberichten 172 der insgesamt 1.017 geprüften Einrichtungen (vollstationäre Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe) die Fachkraftquote nicht. Drucksache 18/3249 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 4. Sofern Frage 3 mit >0 beantwortet: Welchen konkreten Handlungsbedarf sieht die Landesregierung? Antwort: Die Sicherung des Fachkräftebedarfs gehört zu den vorrangigen pflegepolitischen Schwerpunkten der Landesregierung. Folgende Handlungsfelder ergeben sich: • Die Sicherstellung einer kostenfreien Altenpflegeausbildung. Hierfür wurden die Haushaltsmittel deutlich von rd. 4,2 Mio. Euro in 2012 bis heute auf 6,1 Mio. Euro erhöht. Dadurch konnte die Zahl der landesgeförderten schulischen Ausbildungsplätze in der Altenpflege in den Jahren 2013, 2014 und 2015 jeweils um 200 Plätze auf aktuell 1.800 Plätze erhöht werden, wodurch erste Erfolge zur Fachkräftesicherung erzielt wurden. • Die Förderung der Durchlässigkeit der Pflegeberufe von der Helferausbildung bis zum Studium. Hierzu wurden folgende Maßnahmen getroffen: a. Einführung einer Externenprüfung in der Altenpflegehilfe. b. Erweiterung der Verkürzungsmöglichkeiten der Ausbildung im (Bundes-) Altenpflegegesetz (2013), um u.a. Personen, die bereits über einschlägige Berufsabschlüsse bzw. pflegerische Vorerfahrungen verfügen, als Zielgruppe für Umschulungen in der Altenpflege zu erschließen. c. Einrichtung eines Bachelor-Studienganges „Pflege Sc“ zum Wintersemester 2014/15 an der Universität Lübeck, der alle drei Ausbildungsberufe der Pflege abdeckt und das Hochschulstudium mit der Ausbildung verbindet. • Aus den Veränderungen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt wie auch aus den sich veränderten Versorgungsstrukturen und Betreuungsbedarfen ergibt sich die Notwendigkeit, die Pflegeausbildungen weiterzuentwickeln und zukunftsgerecht aufzustellen. Deshalb unterstützt die Landesregierung die auf Bundesebene angestrebte Reform der Pflegeausbildungen zu einer einheitlichen generalistisch ausgerichteten Pflegeausbildung. • Die Strategien der Fachkräfteinitiative des Landes Schleswig-Holstein und des Branchendialogs Pflege haben u.a. Willkommenskulturen für ausländische Fachkräfte zum zentralen Gegenstand ihrer Arbeit gemacht. Thematisiert wurden ebenso eine vertikale und horizontale Durchlässigkeit des Personals zur Betreuung und Pflege in den ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3249 5 • Eine sinnvolle Reduzierung der Dokumentationsaufgaben führt zu mehr Zeit für Pflegeaufgaben. Die Einführung des Strukturmodells des Bundes für die Pflegedokumentation wird in Schleswig-Holstein aktiv begleitet und unterstützt . Bislang nehmen ca. 24% mit steigender Tendenz (N= 255 Stand 10.07.15) der ambulanten und stationären Einrichtungen in Schleswig-Holstein an dem bundesweiten Vorhaben teil. • Zur Stärkung der Attraktivität des Pflegeberufes gehört u.a. eine bessere demokratische Beteiligung der Pflegeberufe an berufs- und pflegepolitischen Entscheidungen, die nunmehr durch die vom Landtag beschlossene Errichtung einer Pflegekammer erreicht werden kann. • Im Hinblick auf die Personalintensität der stationären Pflege initiiert und unterstützt die Landesregierung darüber hinaus Maßnahmen zur Umsetzung des Vorrangs der häuslichen Pflege, zumal dies dem Wunsch der meisten älteren Menschen entspricht. Die Stärkung der häuslichen Pflege ist zudem aktuelles Schwerpunktthema im Landespflegeausschuss Schleswig-Holstein. 5. Sofern Frage 3 mit >0 beantwortet: Welche theoretischen Möglichkeiten sieht die Landesregierung, dem Unterschreiten der Fachkraftquote zu begegnen ? Antwort: In Gesundheits- und Pflegeberufen geht die Bundesagentur für Arbeit von einem flächendeckenden Fachkräftemangel auf allen Qualifikationsebenen aus. Das betrifft insbesondere die Berufsgruppe der Gesundheits- und Krankenpflegefachkräfte sowie die Altenpflegefachkräfte. Die Herausforderung zur Gewinnung von Fachkräften besteht darin, junge Menschen für die Ergreifung eines Berufes in den Bereichen Gesundheit und Pflege zu begeistern und die Attraktivität des Standortes so zu steigern, dass die benötigten Fachkräfte sich im Land niederlassen oder im Land bleiben. Die gesellschaftliche Bedeutung des Berufsfelds Pflege ist in der Öffentlichkeit stärker hervorzuheben. Eine größere öffentliche Anerkennung der pflegerischen Tätigkeit fördert die Identifikation mit dem Berufsfeld und trägt dazu bei, mehr Menschen für den Beruf zu interessieren. Trotzdem wird die Gewinnung von ge- Drucksache 18/3249 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 6 eigneten und gut qualifizierten Pflegefachkräften aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmend schwieriger werden. Zur Sicherung einer guten und nachhaltigen Personalausstattung in den Einrichtungen sind deshalb attraktive Rahmenbedingungen notwendig. Hier ist insbesondere die Führungsebene der Einrichtungen gefordert, die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigen zu überprüfen, zu optimieren und damit zu einer stärkeren Bindung der Fachkräfte an den eigenen Betrieb beizutragen. Pflegekräfte müssen die Gelegenheit erhalten, den Umgang mit schwierigen Situationen und Krisen zu erlernen, und die Fähigkeit zur Selbstreflexion muss geschult werden. Selbstständiges Handeln, Abwechslung und Anerkennung sind bei Pflegekräften wichtige positive Ressourcen für die Arbeitszufriedenheit. Durch flexible Arbeitszeit- und verlässliche Dienstplangestaltung können z.B. die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Wiedereinstieg deutlich verbessert werden. 6. Trifft es zu, dass beim Unterschreiten der Fachkraftquote, stationäre Einrichtungen nach dem SGB XI mit einem Belegungsstopp belegt werden müssen? Antwort: Die Anordnung eines Belegungsstopps (§ 23 Abs. 4 SbStG) unterliegt dem Ermessen der zuständigen Aufsichtsbehörden. Die Anordnung setzt voraus, dass aufgrund der festgestellten Mängel die Betreuung weiterer Bewohnerinnen und Bewohner nicht sichergestellt werden kann. Das Unterschreiten der Fachkraftquote allein führt nicht zwingend zu einem Belegungsstopp. 7. Wer stellt Ordnungswidrigkeiten gemäß § 50 Ziffer 12 SbStG-DVO fest und wer leitet daraus zu ziehende Konsequenzen ein? Antwort: Zuständige Behörden für die Durchführung der aufgrund des Selbstbestimmungsstärkungsgesetzes erlassenen Durchführungsverordnung – und damit auch für die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten nach § 50 Ziffer 12 SbStG- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3249 7 DVO – sind gemäß § 30 Abs. 1 SbStG die Landrätinnen und Landräte sowie die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der kreisfreien Städte. Diese führen die Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung durch. 8. Wurden bereits stationäre Einrichtungen nach dem SGB XI in SchleswigHolstein – auch temporär – mit einem Belegungsstopp wegen Unterschreitens der Fachkraftquote belegt? Falls ja, wie viele Einrichtungen wurden – auch temporär – mit einem Belegungsstopp belegt? Antwort: Nach § 23 Abs. 4 SbStG kann die zuständige Behörde in der Regel nicht länger als drei Monate die Aufnahme weiterer Bewohnerinnen und Bewohner untersagen , wenn aufgrund der festgestellten Mängel die Betreuung weiterer Bewohnerinnen und Bewohner nicht sichergestellt werden kann (Belegungsstopp).Siehe auch Antwort zu Frage 6. Gründe für Anordnungen nach § 23 Abs. 4 SbStG werden nicht gesondert erfasst , Daten über Anordnungen von Belegungsstopps aus Anlass der Unterschreitung der Fachkraftquote liegen daher nicht vor. Auch eine Trennung der Daten nach SGB XI/SGB XII-Einrichtungen erfolgt nicht. Eine Abfrage bei den zuständigen Aufsichtsbehörden ist innerhalb der gesetzten Frist zur Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht möglich. Im vollständig ausgewerteten Berichtszeitraum 2011/2012 wurden bei 1.042 stationären Einrichtungen (gesamt SGB XI und SGB XII) 27 Belegungsstopps angeordnet . 9. Trifft es zu, dass eine personelle Unterversorgung in stationären Einrichtungen nach dem SGB IX in Schleswig-Holstein zu Kürzungen bei der Vergütung führt? Antwort: § 115 Abs. 3 SGB XI sieht vor, dass bei einer Pflegeeinrichtung, die ihre gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere ihre Verpflichtung zu einer qualitätsgesicherten Leistungserbringung aus dem Versorgungsvertrag, ganz Drucksache 18/3249 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 8 oder teilweise nicht einhält, die vereinbarte Pflegevergütung für die Dauer der Pflichtverletzung entsprechend zu kürzen ist. Das Bundessozialgericht hat dazu mit Urteil vom 12.09.2012 (B 3 P 5/11) festgestellt, dass mit der rückwirkenden Kürzung der Pflegevergütung grundsätzlich nur die Verletzung gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten geahndet werden kann, die zu Qualitätsmängeln bei der Pflege geführt haben. Das Bundessozialgericht hat weiter ausgeführt, dass Qualitätsmängel unwiderlegbar vermutet werden, wenn ein Personalabgleich ergeben hat, dass die vereinbarte Personalausstattung über mehrere Monate hinweg um jeweils mindestens 8 v. H. unterschritten worden ist oder ein Heimträger die vereinbarte Personalausstattung planmäßig und zielgerichtet nicht zur Verfügung stellt. 10. Trifft es zu, dass die Nichterfüllung der Fachkraftquote – auch temporär – nach der SbStG-DVO zu einer Kürzung der Vergütung führt bzw. führen müsste? Falls ja, wie häufig ist dies in Schleswig-Holstein seit 2012 der Fall gewesen? Antwort: Aus der Antwort zu Frage 9 ergibt sich, dass eine Kürzung der Pflegevergütung nur dann in Betracht kommt, wenn Qualitätsmängel in der Einrichtung vorliegen. Die Nichterfüllung der Fachkraftquote nach der SbStG-DVO allein rechtfertigt danach nicht die Kürzung der Pflegevergütung.