1 SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/3296 18. Wahlperiode 15-08-31 Kleine Anfrage des Abgeordneten Johannes Callsen (CDU) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie Belastungen durch statistische Berichtspflichten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Schleswig-Holstein Vorbemerkung des Fragestellers: Insbesondere KMU empfinden die Auskunftspflicht zu den Statistiken oft als zu umfangreich und zu zeit- und kostenintensiv. 1. Wie groß ist jeweils der Anteil der statistischen Berichtspflichten, der auf Gesetze der Europäischen Union, des Bundes und des Landes zurückzuführen ist? Die Auskunftspflicht bei statistischen Erhebungen beruht mit über 90 % aller vom Statistikamt Nord durchgeführten Statistiken ganz überwiegend auf Europa- und Bundesrecht. Rund 55 % der dezentralen Bundesstatistiken beruhen auf reinem Bundesrecht, ca. 36 % beruhen unmittelbar oder mittelbar auf einer Rechtsgrundlage der Europäischen Union. Bei den vom Land Schleswig-Holstein angeordneten Statistiken handelt es sich größtenteils um sogenannte koordinierte Länderstatistiken (Statistiken der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, Justizgeschäftsstatistiken etc.). Da diese Erhebungen verwaltungsintern durchgeführt werden, ist die Wirtschaft hier nicht belastet. Im Bereich der Wirtschaftsstatistik verzichtet die Landesregierung SchleswigHolstein schon seit Jahren auf landesspezifische Erhebungen. Im Ergebnis sind die KMU in Schleswig-Holstein zum heutigen Zeitpunkt durch keine Statistiken belastet , die vom Landesgesetzgeber geregelt werden. Drucksache 18/3296 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 2. In welchen Wirtschaftsbereichen ist die Pflicht zur Erstellung von Statistiken besonders hoch und was sind die Gründe dafür? Bei den Unternehmen kommt es zu einer Bündelung von Auskunftspflichten, wenn diese in Wirtschaftszweigen tätig sind, die einem besonderen Datenbedarf der EU bzw. des Bundes unterliegen (z.B. Landwirtschaft, Energie, Industrie, Tourismus, etc.), oder wenn die wirtschaftlichen und/oder regionalen Gegebenheiten bei Stichprobenerhebungen die grundsätzlich vorgesehenen Rotation bei der Stichprobe einschränken. 3. Nach welchen Kriterien werden Unternehmen für die Erstellung von Statistiken ausgewählt? Die Datenerhebungen durch die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder erfolgen grundsätzlich aufgrund von gesetzlichen Anordnungen durch die jeweiligen Gesetzgeber. Die Fachstatistikgesetze regeln, in welcher Periodizität welche Merkmale von den Statistikämtern bei welchen auskunftspflichtigen natürlichen oder juristischen Personen zu erheben sind. Hierbei wird unterschieden nach der Auskunftspflicht im Rahmen - einer Vollerhebung (alle Betriebe/Unternehmen), - einer Vollerhebung mit Abschneidegrenze (z.B. alle Betriebe ab 20 Beschäftige ) - oder einer Stichprobe (repräsentativer Stichprobenplan, ggf. über die Zeit mit Rotation von Teilstichproben zur Entlastung). Um KMU von zu großen Belastungen durch die amtliche Statistik zu entlasten, hat der Gesetzgeber in § 6 Absatz 4 des Bundesstatistikgesetzes (BStatG) die zumutbare Anzahl von Stichprobenerhebungen mit Auskunftspflicht für kleinere Unternehmen wie folgt beschränkt: „(4) Ein Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten soll im Kalenderjahr in höchstens drei Stichprobenerhebungen für Bundesstatistiken mit Auskunftspflicht einbezogen werden. Dabei gelten mehrmals im Kalenderjahr durchgeführte Erhebungen als eine einzige Erhebung.“ 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Zeit- und Kostenbelastung der KMU durch statistische Berichtspflichten? Eine Auswertung des Unternehmensregisters der Statistischen Ämter1 ergab zum Stand Oktober 2004 folgende Belastung der deutschen Unternehmen (über alle Unternehmensgrößen) mit amtlichen Statistiken: - 84,8% der Unternehmen mit keiner Statistik, - 10,8% der Unternehmen mit einer Statistik, - 2,2% der Unternehmen mit zwei Statistiken, - 0,6% der Unternehmen mit drei Statistiken, - 1,6% der Unternehmen mit vier oder mehr Statistiken. Die Auswertung zeigt, dass die Meldepflichten tendenziell mit der Beschäftigtenzahl zunehmen. Weiterhin zeigt die Auswertung, dass im Jahr 2004 bei den meldepflichtigen Unternehmen im Schnitt ein Zeitaufwand von 12,7 Stunden für die 1 Stäglin, Pfeiffer, Stephan (2006): Die Bedeutung der Belastung der Wirtschaft durch amtliche Statistik , DIW Berlin: Politikberatung Kompakt 19. 3 Beantwortung der Statistik anfiel. Auch dieser Zeitaufwand steigt mit der Unternehmensgröße . Eine gute Wirtschaftspolitik ist auf eine Mindestversorgung mit qualitativ hochwertigen und repräsentativen Daten angewiesen, die Auskunft über die wirtschaftliche Lage geben. Angesichts des Nutzens der statistischen Daten für die Wirtschaftspolitik hält die Landesregierung die Belastung der KMU im Allgemeinen für verhältnismäßig. 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Entwicklung der statistischen Berichtspflichten und welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, diese statistischen Berichtspflichten für kleinere und mittlere Unternehmen auf ein ggf. angemesseneres Maß zurückzuführen? Um die Belastung der schleswig-holsteinischen Unternehmen mit Statistikpflichten so gering wie möglich zu halten, verzichtet die Landesregierung SchleswigHolstein schon seit Jahren auf landesspezifische Erhebungen von Wirtschaftsstatistiken . Alle derzeitigen amtlichen statistischen Erhebungen sind durch Bundesgesetz vorgeschrieben und beruhen zu einem großen Teil auf Anforderungen der Europäischen Union. Der Einfluss Schleswig-Holsteins auf die konkrete Ausgestaltung der bundesweit geltenden Berichtspflichten ist beschränkt. Zum einen sind die Länder an dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union zum Beschluss von Maßnahmen für die Erstellung von Statistiken, wenn dies für die Durchführung der Tätigkeiten der Union erforderlich ist, nach Artikel 338 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nur am Rande über den Bundesrat beteiligt. Zudem hat der Bund nach Artikel 73 Absatz 1 Nr. 11 Grundgesetz für die Statistik zu Bundeszwecken die ausschließliche Gesetzgebung . Zum Abbau dieser Statistiken ist (mindestens) eine Bundesratsmehrheit erforderlich. Im Zielkonflikt zwischen einer Entlastung der Wirtschaft von statistischen Berichtspflichten und dem Bedarf von Politik (einschließlich Parlamenten ) sowie Öffentlichkeit, Verbänden, Verwaltung, Wissenschaft und Medien nach belastbaren statistischen Informationen liegen hier die Interessenkoalitionen von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Die Landesregierung setzt sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten jedoch dafür ein, dass Belastungen für auskunftspflichtige Personen und Unternehmen so gering wie möglich gestaltet werden und Erhebungen, wenn möglich, gebündelt und technisch unterstützt werden, soweit dies in Bezug auf Datenbedarf, Datengenauigkeit oder –aktualität vertretbar ist. 6. Welche konkreten politischen Initiativen sind geplant? KMU sind von geplanten Gesetzesänderungen zu statistischen Berichtspflichten nicht betroffen.