SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/3389 18. Wahlperiode 2015-10-07 Kleine Anfrage des Abgeordneten Johannes Callsen (CDU) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Situation der Schleifischer und Vergrämung von Kormoranen Vorbemerkung: Auf der Veranstaltung des traditionellen "Aaalutsetten an der Schlei" am 29. Juli 2015 hat der Ministerpräsident im Zusammenhang mit den Problemen der Schleifischer durch Kormoranschäden Verbesserungen in Aussicht gestellt. 1. Welche Maßnahmen hat der Ministerpräsident eingeleitet, um im Sinne der Schleifischer Erleichterungen zur Vergrämung der Kormorane umzusetzen? Die Staatskanzlei hat sich mit dem zuständigen Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MELUR) mit der Bitte in Verbindung gesetzt, eine Stellungnahme in der Angelegenheit zu erarbeiten. 2. Gab es auf fachlicher Ebene innerhalb der Landesregierung Erörterungen zu diesem Thema, wenn ja, zwischen wem und wann? Die Stellungnahme wurde durch das für den Artenschutz wie auch für die Fischerei zuständige MELUR erarbeitet und an die Staatskanzlei weitergeleitet. Drucksache 18/3389 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 3. Welche Ergebnisse haben diese Gespräche ggfs. gehabt? 4. Welche weiteren Schritte wird die Landesregierung zur Vergrämung der Kormorane unternehmen? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Der Auffassung, dass als Hauptursache für den Rückgang der Aalbestände und einiger anderer Fischarten der Kormoran verantwortlich gemacht werden müsse, kann aus artenschutzfachlicher Sicht nicht gefolgt werden. Unbestritten ist der Umstand, dass Kormorane unter anderem Aale und zahlreiche andere Fischarten fressen. Weiterhin wird anerkannt, dass die dabei entstehenden Schäden so erheblich sein können, dass die Voraussetzungen für die Erteilung von Ausnahmen auf der Grundlage des Naturschutzrechts (Abschuss in einem Umkreis von 300m ab der Uferlinie gemessen) berechtigt erscheinen. Über die genaue Höhe dieser Schäden bezogen auf die einzelnen Fischarten oder in bestimmten Gewässern liegen aber keine exakten Angaben vor. Für den Rückgang der Population des Aals gibt es eine Reihe von bekannten Einzelfaktoren, die sich negativ auf den Aalbestand auswirken (ozeanische Faktoren, wie geänderte Meeresströmungen und Änderungen im Nahrungsangebot im Laichgebiet, aber auch kontinentale Faktoren, wie Verluste durch Fischerei, Prädatoren und Wasserkraftwerke, mangelnde Durchlässigkeit der einstmals besiedelten Binnengewässer, weitere Lebensraumverluste usw. sowie nicht zuletzt Krankheiten und eingeschleppte Parasiten). Es ist jedoch völlig ungeklärt, ob und ggf. in welcher Weise diese Faktoren zusammenwirken und welches letztlich die entscheidenden Ursachen für den Rückgang sind bzw. waren. Wahrscheinlich handelt es sich um ein Zusammenspiel aller Faktoren. Aufgrund der oben genannten Sachverhalte wurde der Aal mittlerweile im Washingtoner Artenschutzabkommen (WA) in Anhang II und den entsprechenden EU-Verordnungen zur Umsetzung des WA ebenso berücksichtigt wie in speziellen fischereirechtlichen Schutzinstrumenten der Europäischen Union. Mit der Landesverordnung zur Abwendung von Schäden durch Kormorane (Kormoranverordnung) wurde ein Instrument geschaffen, das geeignet erscheint , die durch den Kormoran verursachten Probleme zu minimieren. Insbesondere mit Blick auf den Aal wurden weitreichende Sonderregelungen für den Bereich der Schlei getroffen, obwohl das Gebiet als EU-Vogelschutzgebiet gemeldet wurde. 3 Die schleswig-holsteinische Kormoranverordnung läuft zum 28. März 2016 aus. Aus Sicht des MELUR hat sich die Verordnung in den vergangenen Jahren bewährt. Zum einen ist der Landesbestand – wie im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) im Falle von Ausnahmen gefordert – nicht zurückgegangen , zum anderen haben sich die Kormoranbrutbestände von besonders sensiblen Gewässern im Binnenland an insgesamt unproblematischere Standorte in den Küstenregionen verlagert. 5. Sieht die Landesregierung die Möglichkeit weiterer Ausnahmeregelungen im Sinne von Artikel 9 Vogelschutzrichtlinie? Wenn ja, welche? Die Regelungen des Artikels 9 der EU-Vogelschutzrichtlinie müssen jeweils in nationales Recht umgesetzt werden. Dies geschieht im Rahmen der Ausnahmevorschriften des § 45 Abs. 7 BNatSchG. Die artenschutzrechtlichen Bestimmungen des BNatSchG sind unmittelbar geltendes Recht. Entsprechende Ergänzungen wären nur über eine Novellierung des BNatSchG möglich. Die Zuständigkeit hierfür liegt bei der Bundesregierung. 6. Gibt es Unterschiede beim Kormoranschutz und bei der Nutzung von Ausnahmemöglichkeiten gem. Art. 9 Vogelschutzrichtlinie in den Bundesländern Schleswig-Holstein und Bayern? Wenn ja, welche? Eine direkte Nutzung der Ausnahmemöglichkeiten gemäß Artikel 9 der EUVogelschutzrichtlinie ist nicht möglich. Ausnahmen können nur auf der Grundlage der entsprechenden Regelungen des BNatSchG (§ 45 Abs. 7 BNatSchG) genehmigt werden. Nachfolgend ein Vergleich der entsprechenden Regelungen in Bayern und Schleswig-Holstein: Drucksache 18/3389 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Tabelle: Ausnahmeregelungen Schleswig-Holstein und Bayern im Vergleich (Abweichungen jeweils grau unterlegt): Schleswig-Holstein: Landesverordnung zur Abwendung von Schäden durch Kormorane Bayern: Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten Ausnahmegrund: Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der heimischen Tierwelt Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der heimischen Tierwelt Vergrämungsart: Abschuss in einem Umkreis von 300 m ab der Uferlinie gemessen Abschuss in einem Umkreis von 200 m um Gewässer Ausgenommen: Befriedete Bezirke Naturschutzgebiete und Nationalpark Wattenmeer Europäische Vogelschutzgebiete mit Ausnahme von Großer Plöner See und Selenter See (1. August bis 30. Sep- tember) Schlei westlich Ra- belsund in einem Umkreis von 300 m von Fischereigeräten (1. Januar bis 31. März) Östliche Kieler Bucht und Ostsee östlich Wagrien in einem Umkreis von 300 Me- tern von Bundgarnen und ähnlichen Gerä- ten (1. August bis 14. Oktober) befriedete Bezirke Naturschutzgebiete und Nationalparke Europäische Vogelschutzgebiete Zeitraum/Orte: Küstengewässer oder oberirdische Gewässer, die als Fischschonbezirke ausgewiesen sind Küstengewässer oder oberirdische Gewässer, die fischereiwirtschaftlich genutzt werden. Erwerbsfischerinnen und Erwerbsfischer können in einem Umkreis von 3 Kilometern um das von ihnen fischereiwirtschaftlich genutzte Gewässer die Neugründung oder Wiederbesetzung von Kormorankolonien durch Fischschonbezirke – 16. August bis 14. März Geschlossene Gewässer – 16. August bis 31. März In der Zeit von eineinhalb Stunden vor bis eineinhalb Stunden nach Sonnenaufbzw . -untergang 5 Störungen in der Koloniebildungsphase bis zum 31. März verhindern (Ausnahme: Nationalpark und Naturschutzgebiete). 1. August bis 31. März eineinhalb Stunden vor bis eineinhalb Stunden nach Sonnenauf - bzw. -untergang. Sicher als Jungvögel erkannte Kormorane dürfen auf einem Betriebsgelände von Teichwirtschaftsbetrieben ganzjährig zur Tageszeit getötet werden. Getötete Kormorane sind von den Besitzverboten ausgenommen . Berechtigte Personen Jagdausübungsberechtige sowie Jagdscheininhaber , die seitens der Jagdausübungsberechtigten zum Abschuss ermächtigt wurden. Die untere Jagdbehörde kann auf Antrag der Fichereirechtsinhaber einer Jagdscheininhaberin oder einem Jagdscheininhaber die Berechtigung zum Abschuss erteilen, wenn innerhalb der Erlaubniszeiträume kein Abschuss durch den Jagdausübungsberechtigten bzw. durch die von ihm ermächtigte Personen getätigt worden ist. Jagdausübungsberechtigte Meldepflichten Abschussort (Gewässer, Gewässerabschnitt , Teichwirtschaftsbetrieb ), Abschussdatum , Anzahl geschossener Kormorane einschließlich der Ringnummern bei beringten Tieren. Meldung bis zum 15. April Entsprechendes gilt für Störungen innerhalb der Koloniebildungsphase Abschussort (Jagdrevier, Gewässer oder Gewässerabschnitt sowie Gewässertyp ), Abschussdatum, Anzahl geschossener Kormorane, einschließlich Ringnummern bei beringten Tieren. Meldung bis zum 10. April