SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/3392 18. Wahlperiode 09.10.2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Kubicki (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Psychiatrische und psychische Versorgung von Strafgefangenen in SchleswigHolstein 1. Wie viele Strafgefangene erhalten in den Justizvollzugsanstalten des Landes Schleswig-Holstein eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung? Bitte aufschlüsseln nach Einzel- beziehungsweise Gruppentherapie. Antwort Gefangene mit psychiatrischen Auffälligkeiten werden zunächst dem jeweiligen Anstaltsarzt vorgestellt, der dann gegebenenfalls die Überweisung an einen Psychiater vornimmt. Dazu gibt es in den Anstalten entweder eine fest eingerichtete Sprechstunde (JVA Neumünster) oder Vereinbarungen mit ortsansässigen Psychiatern. Bisher wurden in diesem Jahr 200 Gefangene einem Psychiater vorgestellt. Es wurden immer Einzelgespräche geführt. Zur Behandlung von Sexual- und Gewaltstraftätern gibt es darüber hinaus psychotherapeutische Angebote. 77 Gefangene befinden sich in Einzeltherapie, 74 Gefangene in Gruppentherapie. Drucksache 18/3392 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 2. In wie vielen Fällen findet vor beziehungsweise während der Inhaftierung eine Begutachtung statt und inwiefern findet die Begutachtung Eingang in die Vollzugsplanung ? Wie hoch ist der durch die Begutachtungen ermittelte Behandlungsbedarf bei Strafgefangenen in den Justizvollzugsanstalten des Landes Schleswig-Holstein? Antwort Jeder Gefangene, der eine längere Freiheitsstrafe zu verbüßen hat (ab 1 Jahr) durchläuft ein Aufnahmeverfahren, in dem der bei ihm bestehende Behandlungsbedarf festgestellt wird. An diesem Aufnahmeverfahren sind verschiedene Fachkräfte beteiligt, bei Bedarf auch Psychologen. Die Behandlungsuntersuchung konkretisiert sich in einem Vollzugsplan, der die wesentlichen Behandlungserfordernisse festlegt. In dem Aufnahmeverfahren werden auch im Strafverfahren gefertigte Gutachten, die Hinweise auf notwendige Behandlungsmaßnahme geben, berücksichtigt. Wie viele Gutachten in Auftrag gegeben worden sind, wird statistisch nicht erfasst. Für die Behandlung von psychiatrisch erkrankten Gefangenen in der JVA Neumünster werden Kurzgutachten durch das Zentrum für integrative Psychiatrie beim UKSH (ZIP) erstellt. Diese dienen vorrangig zur Ermittlung der medizinischen Behandlungserfordernisse . Sie geben aber auch für die Vollzugsplanung wertvolle Hinweise für den weiteren Umgang mit dem Gefangenen, z.B. für seine Verhaltensweisen aufgrund einer Medikation. Im laufenden Jahr sind bisher 71 Begutachtungen erfolgt. Darüber hinaus werden Gutachten zur Vorbereitung von Lockerungsentscheidungen bei Gewalt- und Sexualstraftätern erstellt. Diese dienen vorrangig der Bewertung, ob eine Vollzugslockerung vertretbar ist. Diese Gutachten geben aber auch Hinweise darauf, welche weiteren Behandlungsschritte sinnvoll oder geboten sind. Im laufenden Jahr sind bisher 38 Gutachten erstellt worden Gutachten werden auch zu der Frage einer vertretbaren Strafrestaussetzung zur Bewährung gefertigt. In der Regel werden diese Gutachten von der Strafvollstreckungskammer in Auftrag gegeben und sollen die Entscheidung absichern. Wie viele Gutachten in Auftrag gegeben worden sind, wird statistisch nicht erfasst. Durch die seit vielen Jahren bestehende intensive Einbindung von externen Therapeuten (vgl. im Folgenden die Antwort zu der Frage 3) bestehen gute Behandlungsangebote bei der Gruppe der Sexual- und Gewaltstraftäter. Dabei ist zu berücksichtigen , dass die Gefangenen eine Therapiebereitschaft mitbringen müssen. Fehlt diese Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3392 3 Therapiebereitschaft können Therapiemaßnahmen nicht durchgeführt werden. In diesen Fällen ist es die vorrangige Aufgabe des Vollzuges, die Therapiebereitschaft zu fördern. Auch wenn in den Anstalten ein gut ausgebautes Therapieangebot vorhanden ist, reichen diese Maßnahmen bei manchen Gefangenen nicht aus. Es besteht die Planung , in der JVA Neumünster und der JVA Lübeck jeweils 24 Sozialtherapieplätze neu zu errichten. 3. In welchem Umfang erfolgt die unter Frage 1 dargestellte Behandlung durch anstaltseigene beziehungsweise externe Therapeuten? Antwort Die Behandlung von psychiatrisch auffälligen Gefangenen erfolgt ausschließlich durch externe Psychiater. Auf die Antwort zu der Frage 1 wird verwiesen. In der Justizvollzugsanstalt Lübeck erfolgen psychotherapeutische Einzelbehandlungen durch anstaltsinterne Therapeuten, gruppentherapeutische Behandlungen sowohl durch interne als auch durch externe Therapeuten. Berechnet nach Arbeitszeitanteilen sind 5 interne und 1 externe Vollzeitäquivalente vorhanden. In der Justizvollzugsanstalt Neumünster erfolgen psychotherapeutische Einzel- sowie Gruppenbehandlungen durch externe Therapeuten. Berechnet nach Arbeitszeitanteilen sind 2,7 Vollzeitäquivalente vorhanden. In der Justizvollzugsanstalt Kiel erfolgen psychotherapeutische Einzel- sowie Gruppenbehandlungen durch externe Therapeuten. Berechnet nach Arbeitszeitanteilen sind 0,5 Vollzeitäquivalente vorhanden. In der Jugendanstalt Schleswig erfolgen psychotherapeutische Einzel- und Gruppenbehandlungen durch zwei interne Therapeuten. Berechnet nach Arbeitszeitanteilen sind 1,7 Vollzeitäquivalente vorhanden. Des Weiteren steht für psychotherapeutische Einzel- und Gruppenbehandlungen eine externe Therapeutin mit einem Arbeitszeitanteil von 0,6 Vollzeitäquivalenten zur Verfügung. 4. Wie haben sich die in Frage 1, 2 und 3 genannten Zahlen seit 2010 entwickelt? Drucksache 18/3392 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Antwort Mehrere Anstalten berichten, dass sich nach ihrer Wahrnehmung die Zahl der psychiatrisch auffälligen Gefangenen erhöht hat. Die Justizvollzugsanstalt Neumünster hat daher den Vertrag mit dem Zentrum für Integrative Psychiatrie von 3 auf 6 Stunden wöchentlich erhöht. Genaue Behandlungszahlen für die vergangenen Jahre konnten die Anstalten in der für die Beantwortung dieser Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermitteln. Die Behandlungszahlen für die psychotherapeutische Behandlung von Gewalt- und Sexualstraftätern haben sich seit 2010 nicht nennenswert verändert. 5. Mit welchen Behandlungskonzepten und mit welchen Maßnahmen begegnet der schleswig-holsteinische Strafvollzug den psychischen Erkrankungen der Gefangenen ? Antwort Bis 2010 gab es die Möglichkeit, im Schlei-Klinikum in Schleswig bis zu 10 Gefangene stationär unterzubringen. In den vergangenen 5 Jahren sind psychiatrisch schwer erkrankte Gefangene in die Justizvollzugsanstalten anderer Länder verlegt worden. In den Jahren 2012 – 2014 wurden jährlich bis zu 8 Gefangene stationär in der JVA Brandenburg, der JVA Würzburg oder im Maßregelvollzug der Freien und Hansestadt Hamburg behandelt. Im Jahr 2015 wurden bisher 8 Verlegungen in andere Bundesländer durchgeführt. Bemühungen, eine vertraglich gebundene Kooperation mit anderen Bundesländern zwecks Unterbringung und Behandlung von psychiatrisch erkrankten Gefangenen zu schließen, scheiterten vorrangig an den dortigen mangelnden Kapazitäten. Auch der Maßregelvollzug des Landes Schleswig-Holstein sieht aufgrund von Kapazitätsgrenzen keine Möglichkeiten, psychiatrisch erkrankte Gefangene des Justizvollzuges im Wege der Amtshilfe aufzunehmen. Es ist daher geplant, in der JVA Neumünster eine besondere Abteilung für psychiatrisch erkrankte Gefangene einzurichten. Die Abteilung wird den Charakter einer psychiatrischen Tagesklinik haben. Die Abteilung wird eine Aufnahmekapazität für 20 bis 25 Gefangene haben. Die Planung sieht kurzfristig die Einrichtung zur Jahresmitte 2016 vor. Langfristig ist eine weitere Einrichtung in der Justizvollzugsanstalt Lübeck mit Fertigstellung 2021/2022 geplant. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3392 5 6. In wie vielen Justizvollzugsanstalten gibt es spezielle Behandlungsstationen für psychisch erkrankte Strafgefangene und wie sind diese konzeptionell ausgestaltet ? Antwort Es gibt derzeit keine speziellen Behandlungsstationen. Bezüglich der Planungen wird auf die Antwort zu der Frage 5 verwiesen. 7. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, wie lang die Wartezeiten in den Justizvollzugsanstalten für Strafgefangene zur Behandlung psychischer Krankheiten sind? Wenn ja, wie haben sich die Wartezeiten seit 2010 entwickelt? Wenn nein, warum nicht? Antwort In der JVA Neumünster sind wöchentliche Sprechstunden eingerichtet. In der JVA Lübeck kommt ein Psychiater alle 2 Wochen in die Anstalt. In den anderen Anstalten werden Psychiater bei Bedarf hinzugezogen. Es werden in den Anstalten keine Statistiken über Wartezeiten geführt. In der Regel kann ein Gefangener zeitnah einem Psychiater vorgestellt werden. 8. Gibt es in den Justizvollzugsanstalten des Landes Schleswig-Holstein Substitutionsplätze für Heroinabhängige? Wenn ja, wie viele und in welchen Justizvollzugsanstalten ? Antwort Es gibt für alle Gefangene, die einer Substitution bedürfen, die Möglichkeit, eine ärztlich begleitete Substitution zu erhalten. In allen Justizvollzugsanstalten sind Ärzte eingesetzt, die die besondere suchttherapeutische Qualifikation für Substitutionen besitzen. Es gibt keine Begrenzung bei der Substitutionsbehandlung. 9. Welche Beratungs- und Therapieangebote gibt es in den Justizvollzugsanstalten des Landes für drogenabhängige Häftlinge? Drucksache 18/3392 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 6 Antwort In den Justizvollzugsanstalten gibt es Suchtberatungen für legale und illegale Drogen . Die Suchtberater sind Mitarbeiter externer Träger. Die Suchtberatungen begleiten die Gefangenen bei der Therapieanbahnung nach der Haftentlassung. Suchttherapien innerhalb der Justizvollzugsanstalt werden nicht durchgeführt.