SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/344 18. Wahlperiode 2012-12-10 Kleine Anfrage des Abgeordneten Jürgen Weber (SPD) und Antwort der Landesregierung - Innenminister „Sicherheitsspiel“ Flensburg-Kiel Vorbemerkung des Fragestellers Laut Informationen auf den Internetseiten der Vereine ETSV Weiche Flensburg und Holstein Kiel sowie der Berichterstattung der Kieler Nachrichten vom 21.11.2012 hat die Polizei das Regionalliga Punktspiel „Weiche Flensburg – KSV Holstein“ am 1.12.2012 zu einem „Sicherheitsspiel“ erklärt. Damit verbunden ist eine drastische Senkung der zugelassenen Zuschauerkapazität bzw. Beschränkung der Zahl der Besucher aus der Anhängerschaft der KSV Holstein. Vorbemerkung der Landesregierung Im Zuge der Regionalligazulassung wurde für das Manfred-Werner-Stadion des ETSV Weiche eine Kapazität von 1.500 Zuschauern festgelegt. Diese Anzahl gilt auch für „Spiele mit erhöhtem Risiko“. Entgegen der Vorbemerkung des Fragestellers erfolgte für das Regionalligaspiel am 01.12.2012 keine Beschränkung der Zuschauerkapazität bzw. eine Absenkung der Kapazität im Gästefanbereich. 1. Aufgrund welcher rechtlichen Grundlage erfolgen die Einstufung als Sicherheitsspiel und die daraus abgeleiteten Auflagen? Antwort: Rechtliche Grundlage ist die an den Voraussetzungen des Landesverwaltungsgesetzes ausgerichtete Gefahrenprognose der Polizei. Auch Erkenntnisse des Norddeutschen Fußballverbandes (NFV) werden dabei berücksichtigt; näheres siehe § 9 der Spielordnung des NFV1. Drucksache 18/344 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 2. Welche Gründe liegen der Entscheidung zugrunde und teilt die Landesregierung diese Gründe? a) Gibt es Informationen über eine besondere Rivalität der Anhänger beider Vereine, die eine solche Maßnahme begründen? Antwort: Mit dem diesjährigen Aufstieg des ETSV Weiche in die Regionalliga sind zwei Fangruppen bei Heimspielen mehrfach durch in der Antwort zu 2 c) beschriebene Verhaltensweisen aufgefallen, die polizeiliches Einschreiten erforderlich machten. Problemfans von Holstein Kiel fielen bei Auswärtsspielen wiederholt durch in der Antwort zu 2 b) und d) beschriebene Verhaltensweisen auf. Auch hier waren jeweils polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr bzw. Strafverfolgung erforderlich. Nach einem Sicherheitsgespräch hat die Polizei deshalb im Einvernehmen mit der Vereinsführung des ETSV Weiche beim NFV beantragt , das Regionalligaspiel am 01.12.2012 als „Spiel mit erhöhtem Risiko “ einzustufen. Vorkommnisse mit gewaltbereiten Kieler Fans, die bereits in der Nacht zum 01.12.2012 eine Auseinandersetzung mit Flensburger Fans suchten , aber auch unmittelbar während des Spiels, haben bestätigt, dass diese Entscheidung absolut sachgerecht war. b) Hat es in der Vergangenheit Auseinandersetzungen beim Aufeinandertreffen beider Vereine gegeben? Antwort: Bedingt durch die unterschiedliche Spielklassenzugehörigkeit hat es in der Vergangenheit ein unmittelbares Aufeinandertreffen nur anlässlich von Turnieren gegeben. Bei Turnieren in Flensburg wurden regelmäßig besondere polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Beim Hallenfußballturnier am 22.01.2012 in Flensburg randalierten ca. 25 Ultras von Holstein Kiel bereits bei der Anreise im Zug. Um weitere Sicherheitsstörungen zu verhindern , hat die Polizei die Kieler Fans auf dem Weg zur Halle begleitet und Maßnahmen zur Fantrennung in der Halle durchgeführt. c) Sind Anhänger des ETSV Weiche in dieser Saison bei Heimspielen in erheblichen Maß durch Sicherheit gefährdendes Handeln auffällig geworden ? Wenn ja: Bei welchen Spielen? Und wie viele Delikte wurden dabei zur Anzeige gebracht? Antwort: Die Ultra-Fangruppierung der SG Weiche-Handewitt (Handball), nachfolgend Ultras genannt, zeigt sich in der aktuellen FußballRegionalligasaison regelmäßig bei Spielen des ETSV Weiche. Aus Sicht der Ultras besteht eine Feindschaft zu allen Kieler Vereinen. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/ 344 3 11.08.2012 ETSV Weiche: SV Meppen Ultras haben einen Fan des SV Meppen irrtümlich angegriffen, da er für einen Kieler Fan gehalten wurde. Nur durch rechtzeitiges polizeiliches Einschreiten konnte der Angriff gestoppt werden. 13.10.2012 ETSV Weiche: VfB Oldenburg Anlässlich des Spiels traten Ultras am Bahnhof Weiche provozierend in Erscheinung. Zur Lageberuhigung musste die Polizei Platzverweise erteilen . 10.11.2012 ETSV Weiche : VfB Lübeck Die neu gegründete ETSV-Fangruppierung „Nordblock 2012“ trat aus Anlass des Spiels am Bahnhof Weiche mit Provokationen in Erscheinung . Die Polizei musste mit Identitätsfeststellungen und Platzverweisen eingreifen. Stark alkoholisierte Problemfans des VfB Lübeck verhielten sich aggressiv und provokant. Neben einem Angriff auf eine Diensthundeführerin wurden weitere Polizeibeamte mit Bierbechern beworfen. Zusätzliche Einsatzkräfte mussten in den Einsatz gebracht werden. d) Sind Anhänger der KSV Holstein in dieser Saison bei Auswärtsspielen in erheblichem Maß durch Sicherheit gefährdendes Handeln auffällig geworden? Wenn ja: Bei welchen Spielen? Und wie viele Delikte wurden dabei zur Anzeige gebracht? Antwort: Entsprechende Sachverhalte von Einzelpersonen oder von Kleingruppen hat die Polizei in der laufenden Saison mehrfach dokumentiert: 26.08.2012 VfR Neumünster : Holstein Kiel Fünf Problemfans mit bundesweitem Stadionverbot versuchen über den Zaun in den Gästebereich zu gelangen. 23.09.2012 SW Rehden : Holstein Kiel Beleidigung eines Beamten der Bundespolizei durch einen Problemfan, der in der Erkenntnisdatei „Gewalttäter Sport“ erfasst ist. 03.10.2012 TSV Havelse : Holstein Kiel Lautstarkes Rufen von „Sieg Heil“ während der Bahnrückreise. Im Verlauf der weiteren Bahnfahrt beschädigten Problemfans die Beleuchtung des Wagons. Außerdem wurden im Zug das Rauchverbot ignoriert und Verunreinigungen hinterlassen. 10.11.2012 FC Oberneuland : Holstein Kiel Während des Spiels beleidigte ein Fan einen Polizeibeamten mit dem Ausspruch „ACAB“. Weiterhin wurden Becher und ein Feuerzeug geworfen . Nach Ankunft in Kiel konnten körperliche Auseinandersetzungen zwischen sieben Fans und zwei Deutschen mit Migrationshintergrund durch die Bundespolizei verhindert werden. Drucksache 18/344 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 23.11.2012 SC Victoria Hamburg : Holstein Kiel Im Gästeblock wurde Rauchpulver gezündet. Nach dem Spiel kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen von 15-20 Personen beider Vereine. Ein stark angetrunkener Problemfan wurde in Gewahrsam genommen . Während der Rückreise beleidigte ein Fan einen Beamten der Bundespolizei massiv. 3. Wie viele weitere Heimspiele des ETSV Weiche in dieser Saison sind bisher zu Sicherheitsspielen erklärt worden? Antwort: Bislang keine. 4. Sind die Spiele des VFB Lübeck und des VFR Neumünster bei der ETSV Weiche zu Sicherheitsspielen erklärt worden? Wenn ja: Welche Erkenntnisse hat die Polizei bei diesen Spielen aus der Einstufung als Sicherheitsspiel gezogen ? Wenn nein: Aus welchen Gründen wird der Besuch der KSV Holstein in Flensburg anders bewertet als derjenige der anderen schleswigholsteinischen Vereine? Antwort: Nein. Die Einstufung als „Spiel mit erhöhtem Risiko“ ergibt sich aus der unter 2 b) – d) dargestellten, teils problematischen Entwicklung der Fanszene von ETSV Weiche und Holstein Kiel in der laufenden Saison. Sicherheitsmaßnahmen können deshalb nicht zu weit zurück genommen werden . 5. Wie viele Mitarbeiter der Polizei werden am 1.12. aufgrund der Einstufung als Sicherheitsspiel zusätzlich Dienst tun? Antwort: 177 Einsatzkräfte der Landespolizei waren zusätzlich im Dienst. 6. Viele zusätzliche Dienststunden von Polizeibeamten werden dadurch am 1.12. anfallen? (bitte eine Schätzung nach Erfahrungswerten) Antwort: Ca. 1.400. 7. Vor den Hintergrund der öffentlichen Debatten über einen tatsächlichen oder vermeintlichen bundesweiten Anstieg von Straftaten und gewalttätigen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Fußballspielen: Sieht die Landesregierung Anzeichen für einen Anstieg von Gewalt im Zusammenhang mit dem Regionalliga-Fußball in Schleswig-Holstein insgesamt? Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/ 344 5 Antwort: Aufgrund der Regionalligareform mit der Neubildung der bisherigen dreigeteilten Regionalliga in fünf regionale Ligen ab der Spielsaison 2012 / 2013 und dem daraus resultierenden Neuschnitt der zugehörigen Mannschaften ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine belastbare Aussage zu der Fragestellung möglich . 1 § 9 Spiele mit erhöhtem Risiko 9.1. Spiele mit erhöhtem Risiko sind Spiele, bei denen aufgrund allgemeiner Erfahrung oder aktueller Erkenntnisse die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine besondere Gefahrenlage eintreten wird. 9.2. Die Feststellung, dass ein Spiel mit erhöhtem Risiko gegeben ist, erfolgt in Abstimmung mit der Polizei und dem NFV. Die endgültige Entscheidung darüber, ob ein Spiel als Risikospiel festgelegt wird, obliegt der Polizei. Bei Spielen mit erhöhtem Risiko sind die vorstehenden allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen mit besonderer Sorgfalt durchzuführen; hierbei wird besonders auf Anhang 1 der SpO, Ziffer 2.3, hingewiesen . Dabei sind z.B. folgende Maßnahmen zu erwägen: - Begrenzung des Verkaufs der Eintrittskarten für die Stehplatzbereiche, - strikte Trennung der Anhänger in den Zuschauerbereichen durch Zuweisung von Plätzen entgegen dem Aufdruck auf den Eintrittskarten (zwangsweise Kanalisierung), - Verstärkung des Ordnungsdienstes, insbesondere an den Zu- und Ausgängen der Zuschauerberei- che, im Innenraum der Platzanlage und zwischen den Anhängern verfeindeter Zuschauergruppen, - striktes Freihalten der Auf- und Abgänge in den Zuschauerbereichen, - Bewachung der Platzanlage mindestens in der Nacht vor der Veranstaltung, - rechtzeitige Information der Zuschauer über den „Ausverkauf“ eines Spiels, - Begleitung der Gästefans durch Ordner des Gastvereins, - Einsatz des Stadionsprechers des Gastvereins, - Verbot des Verkaufs und der öffentlichen Abgabe von alkoholischen Getränken.