SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/3440 18. Wahlperiode 2015-10-21 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Abschiebungen aus Schleswig-Holstein seit dem Jahr 2010 Vorbemerkung der Landesregierung: Der Begriff Abschiebung umschreibt nur die zwangsweise Rückführung. Die Landesregierung präferiert jedoch vorrangig die freiwillige Ausreise, wie es auch in der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die gemeinsamen Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) vorgesehen ist. Deshalb wurden neben den Abschiebungen auch die Überstellungen nach dem Dublin-Verfahren und die freiwilligen Ausreisen erhoben. Ohne diese Angaben wäre das Lagebild unvollständig. Insbesondere hat die Anzahl der freiwilligen Ausreisen, die die Ausländerbehörden in eigener Regie organisiert haben, deutlich zugenommen. In der Vergangenheit wurden praktisch alle Ausreisen über das Landesamt für Ausländerangelegenheiten abgewickelt . Dies hat sich seit 2014 signifikant geändert. Deshalb werden nunmehr regelmäßig auch diese Angaben bei den Ausländerbehörden erhoben. Gemäß der Kleinen Anfrage sind die Rückführungen in Relation zu den in den jeweiligen Jahren gestellten Erstanträgen gestellt worden. Aus fachlicher Sicht sind diese prozentualen Verhältnisse aber wenig aussagekräftig, weil die Asylsuchenden nach Ablehnung der Asylanträge in der Regel erst in den darauf folgenden Jahren vollziehbar ausreisepflichtig werden. Zudem stehen die Schutzquote und die Rückführbarkeit in einer starken Abhängigkeit zu den jeweiligen Herkunftsstaaten. Deshalb wurden ergänzend Angaben zu den Ausreisepflichtigen beigefügt, deren Aufenthalt geduldet wurde. Drucksache 18/3440 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 1. Wie viele Personen ohne Aufenthaltsberechtigung sind seit 2010 jeweils in den einzelnen Jahren aus Schleswig-Holstein abgeschoben worden? Antwort: In der Anlage 1 sind die Abschiebungen entsprechend den jeweiligen Kalenderjahren aufgeschlüsselt worden. Ergänzend werden auch Angaben zu den Überstellungen nach der Dublin-Verordnung und den freiwilligen Ausreisen aufgeführt. 2. In welchem prozentualen Verhältnis verhält sich die unter 1. jeweils für die einzelnen Jahre ganannte Zahl zu der Zahl der jeweils in diesen Jahren in Schleswig-Holstein gestellten Erstanträge auf Asyl (bitte mit Angabe der Zahl der jeweiligen Asylanträge)? Antwort: Wie bereits in der Vorbemerkung erwähnt, bestehen Bedenken, eine Rückführungsquote aus den Abschiebungen und den im gleichen Zeitraum gestellten Asylerstanträgen zu errechnen. Für einen aussagekräftigeren Vergleich sind zusätzlich die Zahlen der Ausreisepflichtigen mit einer Duldung in Relation zu den durchgeführten Rückführungen gesetzt worden. Die Übersicht ist als Anlage 2 beigefügt. 3. Wie verteilen sich die unter 1. genannten Abschiebungen in den jeweiligen Jahren auf die Kreise und kreisfreien Städte, in denen die betroffenen Personen bis dahin ihren Wohnsitz hatten? Antwort: Die Verteilung der Rückführungen auf die Kreise und kreisfreien Städte ist als Anlage 3 beigefügt. In der zur Verfügung stehenden Zeit ist es nicht möglich, die Rückführungen des Monats September 2015 auf die Ausländerbehörden aufzuschlüsseln. Die Übersicht enthält aus dem gleichen Grund auch nur freiwillige Ausreisen, die das Landesamt für Ausländerangelegenheiten organisiert hat. 4. Wie erklärt die Landesregierung die laut Bericht der Zeitung DIE WELT vom 26. August 2015 ("Diese Bundesländer schieben am meisten ab") festzustellenden erheblichen Unterschiede in der Abschiebepraxis der einzelnen Bundesländer - wenn z.B. berichtet wird, Baden-Württemberg weise für den bisherigen Verlauf des Jahres 2015 mit einer Quote von 7,1 Prozent (durchgeführter Abschiebungen in Relation zu den im gleichen Zeitraum gestellten Erstanträgen auf Asyl) den höchsten Wert auf, Schleswig-Holstein hingegen mit 1,8 Prozent den drittniedrigsten Wert ? Antwort: Neben den Bedenken, eine Rückführungsquote aus den Abschiebungen und den im gleichen Zeitraum gestellten Asylerstanträgen zu errechnen, ist zudem fraglich, ob die Zahlen wirklich belastbar sind. Die Angaben zu den Abschiebungen der einzelnen Länder stammen offensichtlich aus einem früheren Arti- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3440 3 kel der Zeitung DIE WELT vom 7. August 2015, wonach Schleswig-Holstein im 1. Halbjahr 2015 nur 115 Personen abgeschoben haben soll. Diese Zahl ist nach hiesiger Kenntnis von der Bundespolizei erhoben worden und setzt sich aus den Abschiebungen und den Überstellungen nach der Dublin-Verordnung zusammen. Nach den Erhebungen des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten sind in dem Zeitraum aber 156 Personen (144 Abschiebungen und 12 Überstellungen) zwangsweise zurückgeführt worden. Die Differenz zwischen beiden Angaben konnte nicht geklärt werden. 5. Gibt es nach Kenntnis der Landesregierung Ursachen dafür, dass aus Schleswig-Holstein im Vergleich zu anderen Bundesändern relativ wenige Abschiebungen erfolgen? Wenn ja: Um welche Ursachen handelt es sich nach Auffassung der Landesregierung? Antwort: Es wird auf die hohe Anzahl freiwilliger Ausreisen hingewiesen, durch die eine zwangsweise Rückführung obsolet wird. Gemäß der Anlage 1 haben in den ersten neun Monaten des Jahres 2015 insgesamt 946 ausreisepflichtige Personen aus Schleswig-Holstein das Bundesgebiet verlassen. Zudem haben Recherchen ergeben, dass die Gesamtzahl der in SchleswigHolstein lebenden Personen mit einer Duldung im Bundesvergleich unter dem nach dem Königsteiner Schlüssel (3,39% für SH) zu errechnenden Soll liegt. Danach müssten ca. 4.800 Personen im Besitz einer Duldung sein. Tatsächlich sind es lediglich 4.140 Ausreisepflichtige, was einer Quote von 2,92% entspricht . Laut Statistik des Ausländerzentralregisters hielten sich am 30. September 2015 141.642 Personen mit einer Duldung im Bundesgebiet auf. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die Dauer der Asylverfahren in Schleswig-Holstein zu lang ist. Anhand des Ausländerzentralregisters wurde festgestellt, dass für Schleswig-Holstein 13.959 Personen mit einer Aufenthaltsgestattung registriert sind. Bei 288.695 Aufenthaltsgestattungen bundesweit entspricht dies 4,95% und einem Plus von 4.172 Asylsuchenden gegenüber den Vorgaben des Königsteiner Schlüssels. Durch den hohen Zugang von Asylsuchenden hat zwangsläufig auch die Notwendigkeit von Aufenthaltsbeendigungen zugenommen. Die Koordinierungsstelle des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten ist bereits verstärkt worden. Weiterer Personalzuwachs wird folgen. Gleiches muss für die Ausländerbehörden der Kreise und kreisfreien Städte gelten, die sich im Bereich der freiwilligen Ausreisen engagieren und die ggf. die Zwangsmaßnahmen anordnen, die das Landesamt dann erforderlichenfalls in Amtshilfe durchsetzt. Anlage 1 Rückführungen in den Jahren 2010 bis 2015 (bis 30. September) Abschiebungen Überstellungen nach Dublin-VO freiwillige Ausreisen Gesamt 2010 101 63 71 235 2011 169 58 195 422 2012 160 50 138 348 2013 215 31 208 454 2014 223 65 *297 585 bis 30.9.2015 358 23 **565 946 Gesamt 1.226 290 1.274 2.990 * Neben den 146 freiwilligen Ausreisen, die das Landesamt für Ausländerangelegenheiten vorbereitet hat, kommen 151 freiwillige Ausreisen hinzu, die die Ausländerbehörden der Kreise und kreisfreien Städte in eigener Regie organisiert haben. ** Neben den 141 freiwilligen Ausreisen, die das Landesamt für Ausländerangelegenheiten vorbereitet hat, kommen 424 freiwillige Ausreisen hinzu, die die Ausländerbehörden der Kreise und kreisfreien Städte in eigener Regie organisiert haben. Anlage 2 Verhältnis Erstanträge/Duldungen zu den Abschiebungen/Rückführungen Jahr Erstanträge Abschiebungen Rückführungen Duldungen Abschiebungen Rückführungen 2010 1.235 101 (8,18%) 235 (19,0%) 1.849 101 (5,5%) 235 (12,7%) 2011 1.510 169 (11,2%) 422 (27,9%) 1.862 169 (9,1%) 422 (22,7%) 2012 2.217 160 (7,2%) 348 (15,7%) 1.952 160 (8,2%) 348 (17,8%) 2013 3.756 215 (5,7%) 454 (12,1%) 2.203 215 (9,8%) 454 (20,6%) 2014 7.032 223 (3,2%) *585 (8,3%) 3.096 223 (7,2%) *585 (18,9%) 2015 (bis 30.9.) 10.199 358 (3,5%) **946 (9,3%) 4.140 358 (8,7%) **946 (22,9%) * Neben den 146 freiwilligen Ausreisen, die das Landesamt für Ausländerangelegenheiten vorbereitet hat, kommen 151 freiwillige Ausreisen hinzu, die die Ausländerbehörden der Kreise und kreisfreien Städte in eigener Regie organisiert haben. ** Neben den 141 freiwilligen Ausreisen, die das Landesamt für Ausländerangelegenheiten vorbereitet hat, kommen 424 freiwillige Ausreisen hinzu, die die Ausländerbehörden der Kreise und kreisfreien Städte in eigener Regie organisiert haben. Anlage 3 Verteilung der Rückführungen auf Kreise und kreisfreie Städte 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Gesamt ABH Absch. DÜ frw. Absch. DÜ frw. Absch. DÜ frw. Absch. DÜ frw. Absch. DÜ frw. Absch. DÜ frw. Absch. DÜ frw. HEI 0 0 0 8 0 0 1 0 0 21 0 10 11 0 5 0 0 0 41 0 15 FL 3 0 0 7 1 0 4 0 2 6 2 13 3 3 8 0 0 2 23 6 25 RZ 4 4 0 11 0 0 2 1 0 10 3 0 0 1 7 7 1 0 34 10 7 KI 23 4 1 18 1 0 15 0 3 33 0 1 7 2 1 17 2 3 113 9 9 HL 9 4 2 8 5 1 6 4 0 8 4 0 13 6 0 18 1 0 62 24 3 NF 7 1 0 5 0 4 0 0 0 6 1 4 26 11 39 14 0 12 58 13 59 NMS 9 7 1 10 2 0 10 5 0 3 2 0 4 0 0 7 0 0 43 16 1 OH 7 2 0 17 0 0 10 0 0 24 3 10 28 12 1 16 2 10 102 19 21 PI 1 1 0 1 0 0 9 2 0 2 0 0 6 6 1 0 2 7 19 11 8 PLÖ 0 0 0 0 0 8 8 0 1 16 4 0 2 0 0 9 1 11 35 5 20 RD 3 0 1 8 3 0 2 0 0 19 1 5 6 0 9 28 7 2 66 11 17 SE 5 0 0 7 1 1 8 0 5 12 0 3 12 4 6 17 0 5 61 5 20 SL 0 0 0 12 0 3 8 0 4 14 5 16 42 16 27 23 0 14 99 21 64 IZ 0 0 0 3 0 0 4 0 5 3 2 0 10 1 2 1 2 0 21 5 7 OD 2 0 0 4 1 1 10 0 2 3 0 6 1 1 1 11 3 0 31 5 10 Summen: 73 23 5 119 14 18 97 12 22 180 27 68 171 63 ## 168 21 66 808 160 286 Stand: 31. August 2015 Hinweis: Die Übersicht enthält ausschließlich Rückführungen, die vom Landesamt für Ausländerangelegenheiten organisiert wurden. 18-3440-KA474a KA Anlage 1 KA Anlage 2 KA Anlage 3