SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/ 3517 18. Wahlperiode 15-11-10 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie Sicherheit der geplanten westlichen Elbquerung (A20) bei Glückstadt 1. Die Tunnelrichtlinie 2004/54/EG vom 29. April 2004 legt in Erwägungsgrund 12 den besonderen Augenmerk u.a. auf die Rettung von Menschen mit Behinderung . Im Sicherheitskonzept der geplanten westlichen Elbquerung (A20) wird aber lediglich ein Zeitfenster vorgesehen, das es dieser Personengruppe nicht ermöglicht sich selbst zu retten (Fluchtgeschwindigkeit von 1,3 m/s). Warum wurde die Rettung von Menschen mit Behinderung als Worst CaseSzenario nicht untersucht? Wird dies als „Akzeptiertes Risiko“ hingenommen? 2. Nach EU-Tunnelrichtlinie, Ziffer 2.4.1, ist mindestens alle 1.500 m eine von den Einsatzdiensten nutzbare Querverbindung zwischen den beiden Röhren vorzusehen. Hierauf verzichtet der Planfeststellungsbeschluss und sieht lediglich in 3.000 m Entfernung zwei befahrbare Querschläge vor. a) Wie ist die Aussage im Planfeststellungsbeschluss zu verstehen, die relevante Richtlinie sei die RABT 2006? Ist die EU-Tunnelrichtlinie nicht verbindliches Recht und vom Land zu beachten, während die RABT 2006 lediglich eine in der Normenhierarchie nachrangige Verwaltungsvorschrift darstellt? b) Ist die Abweichung von der EU-Tunnelrichtlinie Gegenstand der Gerichtsverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 zusammen beantwortet : Vorgaben der „Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über Mindestanforderungen für die Sicherheit von Tunneln im transeuropäischen Straßennetz „ (2004/54/EG)(EG-Tunnelrichtlinie) wurden national in den „Richtlinien für die Ausstattung und Betrieb von Straßentunneln“ (RABT), Ausgabe 2006, umgesetzt. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat die RABT 2006 erstellt und die zuständigen Auftragsverwaltungen der Länder mit dem Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau (ARS) Nr. 10/2006 gebeten, dieses nach dem in der Bundesauftragsverwaltung üblichen Verfahren verbindlich anzuwenden. Die RABT 2006 stellen somit die verbindlichen und geltenden Grundlagen für die Planung der westlichen Elbquerung dar. Die im Rahmen der RABT 2006 für die A20-Elbquerung, auf Grund der Charakteristik , notwendig gewordenen Risikoanalyse stellt nicht auf die individuelle Situation unterschiedlicher Nutzergruppen ab. Die Planungen der westlichen Elbquerung sehen Querschläge in Abständen von untereinander maximal 291 m vor. Die Forderung eines Maximalabstandes von 300 m gemäß RABT 2006 ist eingehalten und liegt somit oberhalb der Anforderung der EG-Tunnelrichtlinie, Ziffer 2.4.1. Eine explizite Befahrbarkeit wird in der EG-Tunnelrichtlinie nicht gefordert. Die von Klägerseite vorgetragenen Abweichungen von der EG-Tunnelrichtlinie sind Gegenstand der Gerichtsverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss der westlichen Elbquerung (A 20) bei Glückstadt. 3. Vorgutachten untersuchen den Brandfall eines LKW mit 100 MW Brandlasten und dadurch resultierenden Brandüberschlägen. Ein späteres Gutachten, auf das dann in der Hauptsache im Planfeststellungsbeschluss Bezug genommen wird, wertet nur 30 MW Brandlasten ohne Brandüberschläge aus, obwohl sich aufgrund des späten Eintreffens der Löschkräfte und fehlender Brandbekämpfungsanlage die Brandherde nach über 12 Minuten in über 50 MW-Brände entwickeln können. a) Warum wurde bei Vorgutachten und dem letzten Gutachten unterschiedlich vorgegangen? Antwort: Alle Gutachten, die erstellt worden sind, bauen aufeinander auf und sind in sich konsistent. b) Hat das Land oder der Bund auf die untersuchten Szenarien Einfluss genommen ? Antwort: Nein. c) Ist es fachgerecht, nicht den Brandfall eines LKW mit 100 MW Brandlast und Brandüberschläge ab 30 MW als Worst Case-Szenario zu untersuchen? Die Untersuchungen haben auf der Grundlage der RABT 2006 genau dieses Szenario beinhaltet. Es wurde ein Brandfall eines LKW mit 100 MW Brandlast als Worst Case-Szenario simuliert. Die bei der Ermittlung der Risiken zu berücksichtigenden Brandlasten (5 MW, 30 MW, 100 MW) sind in der Quantitativen Risikoanalyse (QRA) beschrieben sowie jeweils als Szenario und Simulation aufgeführt. Im Textteil der QRA sind nur Beispiele für eine Brandleistung von 30 MW aufgeführt, da diese Brandleistung EU-weit als Regelbemessungsgröße angesetzt wird. Die Auswertungen über eine Brandleistung von 100 MW sind im Anhang zur QRA zu finden. 4. Im Planfeststellungsbeschluss wird darauf abgestellt, dass eine gesonderte Betrachtung des Ausfalls der lebensrettenden Betriebseinrichtungen nicht notwendig sei, weil es sich nicht um ein außergewöhnliches Risiko handele. Auf der anderen Seite begründen Ausnahmen und Abweichungen von Standards jedoch erhöhte Risiken des geplanten Tunnels, aufgrund derer den lebensrettenden Betriebseinrichtungen eine gesteigerte Bedeutung zukommt. Wurde eine Common Cause-Analyse durchgeführt (Ausfall Strom, Wassereinbruch etc.) und wo sind ggf. deren Ergebnisse dokumentiert? Antwort: Nein, weil Mehrfachereignisse gemäß EG-Tunnelrichtlinie und RABT 2006 nicht verlangt werden. 5. Im Fall des Hauptstadtflughafens BER entstehen sehr hohe Mehrkosten durch erforderliche sicherheitstechnische Nachbesserungen. Wie soll ohne sicherheitstechnische Bewertung des hierzulande geplanten Tunnelbauwerks und Ermittlung der erforderlichen technischen Ausrüstung im Einklang mit der IEC 61508 sichergestellt werden, dass das Bauwerk ausreichend dimensioniert wird, um die nötige technische Ausrüstung installieren und betreiben zu können (z.B. die erforderliche Verkabelung der Brandmeldeanlage, ausreichend dimensionierte Notstromaggregate oder die Verrohrung und Installation der ggf. notwendigen Brandbekämpfungsanlage, Pumpanlage etc.)? Antwort: Die Planung erfolgte entsprechend der RABT 2006. Diese stellt sicher, dass die erforderliche technische Ausrüstung installiert und betrieben werden kann. Auch die gegebenenfalls notwendige Nachrüstung einer Automatischen Brandbekämpfungsanlage ist technisch möglich. 6. Warum wurde für die Bauphase von mindestens 5 Jahren keine Risikoanalyse durchgeführt, obwohl Tunnelbauverfahren des gleichen Typs in der Vergangenheit bereits zu Toten und Verletzten geführt haben (Nord-Süd-Bahn Tunnel Köln: Einsturz des Stadtarchivs) und dem Küsten- und Deichschutz ein besonderer Stellenwert zukommt? Antwort: Sämtliche bis zum Zeitpunkt der Planfeststellung notwendigen Risikoanalysen wurden angefertigt. 7. Um letztlich die verbliebenen Restrisiken richtig bewerten und verantworten zu können, muss an einer Stelle resümiert werden. Warum verzichtet der Planfeststellungsbeschluss auf eine zusammenfassende Darstellung der verbleibenden Restrisiken? Antwort: Entscheidend ist, dass Risikoanalysen nach den gültigen Regelwerken und dem Stand der Technik vom Vorhabenträger durchgeführt wurden. Eine zusammenfassende Darstellung ist nicht erforderlich.