SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/3555 18. Wahlperiode 2015-12-03 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Einwendungsausschluss (Präklusion) im Landesverwaltungsgesetz europarechtswidrig - wann erfolgt Abhilfe? Vorbemerkung: Mit Urteil vom 15. Oktober 2015 (Az. C-137/14) hat der Gerichtshof der Europäischen Union unter anderem § 73 Abs. 4 VwVfG für europarechtswidrig erklärt, wonach im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs lediglich solche Einwendungen geltend gemacht werden können, die vorher im Verwaltungsverfahren erhoben wurden . Zulässig sei lediglich der Ausschluss z. B. eines missbräuchlichen oder unredlichen Vorbringens. 1. Ist § 140 Abs. 4 S. 3 LVwG, der ebenfalls einen Ausschluss von Einwendungen nach Ablauf einer bestimmten Frist vorsieht, europarechtswidrig und nicht anwendbar? 2. Welche weiteren landesrechtlichen Vorschriften sehen einen fristgebundenen Einwendungsausschluss vor? 3. Sind weitere landesrechtliche Vorschriften von dem Urteil betroffen? 4. Wie ist der Zeitplan der Landesregierung, um das Landesverwaltungsgesetz und eventuell weitere Gesetze in Einklang mit Europarecht zu bringen? Drucksache 18/3555 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Antwort zu Fragen 1 bis 4: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 hat einen Verstoß gegen zwei EU-Richtlinien festgestellt. Dies sind - die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten und - die Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung). Neben anderen Verstößen im Bundesrecht wird insbesondere gerügt, dass § 2 Abs. 3 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz ) und § 73 Abs. 4 VwVfG die Klagebefugnis und den Umfang der gerichtlichen Prüfung auf Einwendungen beschränken, die bereits innerhalb der Einwendungsfrist im Verwaltungsverfahren, das zur Annahme der Entscheidung geführt hat, eingebracht wurden. Die Wirkungen des Urteils des EuGH sind insbesondere auf diese Normen zu konzentrieren. § 140 Abs. 4 LVwG, der § 73 Abs. 4 VwVfG landesrechtlich entspricht, ist als allgemeine Regelung nicht grundsätzlich europarechtswidrig; ein Verstoß gegen EU-Recht kann hier nur dann vermutet werden, wenn es um Einwendungen geht, die in den speziellen umweltrechtlichen Zuständigkeitsbereich der oben genannten Richtlinien fallen („soweit“). Dies betrifft auch recherchierte Vorschriften im Landeswassergesetz (§ 118 e Absatz 3 Satz 2), im Tierschutz-Verbandsklagerecht (§ 1 Absatz 3), in den Staatsverträgen zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Schleswig-Holstein über die Errichtung eines Freien-Elektronen-Lasers im Röntgenlaserbereich (§ 5 Absatz 6 Satz 1) und über die Errichtung eines Linearbeschleunigers (§ 5 Absatz 6 Satz 1), der Landesbauordnung (§ 72 Absatz 1) und des Straßen- und Wegegesetzes Schleswig-Holstein (§ 8 Absatz 4 i.V.m. Absatz 3 Satz 2). Es wird derzeit in Bund und Ländern geprüft, ob eine generelle Anpassung des § 73 VwVfG (respektive § 140 LVwG für Schleswig-Holstein) sinnvoll oder Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3555 ob eine spezialgesetzliche Korrektur, beispielsweise im Umweltrechtsbehelfsgesetz , zielführender ist. Die Prüfung und ein mögliches weiteres Vorgehen erfolgen in enger Abstimmung mit den anderen Ländern und dem Bund, um die im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht übliche und bewährte Simultangesetzgebung zu wahren. Einen konkreten Zeitplan gibt es nicht. 5. In welchen gerichtlichen Verfahren zur A20 (bitte Planfeststellungsabschnitt und gerichtliches Aktenzeichen angeben) beruft sich das Land derzeit auf die Präklusion von Einwendungen? Antwort: Die Landesregierung äußert sich nicht zu laufenden Verfahren. 6. Ist im derzeit in der Bearbeitung befindlichen Entwurf eines Planfeststellungsbeschlusses für die A20, Abschnitt B431-A23, vorgesehen, dass sich die Planfeststellungsbehörde auf die Präklusion von Einwendungen beruft? Wenn ja, wird dies bis zum Erlass des Beschlusses noch geändert werden? Antwort: Die Landesregierung äußert sich nicht zu laufenden Verfahren.