SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/3615 18. Wahlperiode 2015-12-14 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Axel Bernstein (CDU) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Auswirkungen aktueller terroristischer Bedrohungen auf die Sicherheitsbehörden in Schleswig-Holstein 1. Plant die Landesregierung Strukturveränderungen im Bereich der Terrorismusbekämpfung und wenn ja, welche? Antwort: Im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes sind aktuell keine Organisationsveränderungen für den Bereich der Terrorismusbekämpfung geplant. Allerdings ist eine gezielte Personalsteuerung in die phänomenrelevanten Bereiche für gefahrenabwehrrechtliche und strafrechtliche Ermittlungen, sowie Aufklärungsmaßnahmen beabsichtigt bzw. realisiert. Weiter wurde in einer bundesweiten Projektgruppe der Aufgabenvollzug und die Ausstattung der Spezialeinheiten betrachtet. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen bzw. Veränderungen werden zurzeit umsetzungsorientiert betrachtet. Für den Bereich des Verfassungsschutzes hat es in den vergangenen vier Jahren nach Aufdeckung der Verbrechen des NSU bereits umfassende Überlegungen zu Strukturveränderungen im Bereich der Terrorismusbekämpfung gegeben. Phänomenbereichsübergreifend wurde erkannt, dass die in der Drucksache 18/3615 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Vergangenheit eher organisationsbezogene Beobachtung auch terroristischer Bestrebungen bereits im frühen Vorfeld durch eine stärker personen- und einzelfallorientierte Beobachtung ersetzt werden müsste. Dabei bestand Einigkeit, dass eine personenbezogene Beobachtung personalressourcenintensiver sein würde. Bundesweit war daher die Priorisierung der nachrichtendienstlichen Arbeit auf gewaltorientierte Bestrebungen Hauptaugenmerk im Zusammenhang mit allen Maßnahmen, die strukturelle Veränderungen beinhalteten. Damit einher gingen Bemühungen, das nachrichtendienstliche Informationssystem des Verfassungsschutzes von einer Hinweisdatei zu einer vollwertigen gemeinsamen Arbeitsdatei fortzuentwickeln. Mit Inkrafttreten der Änderungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes am 21. November 2015 ist dies nunmehr der Fall. In Schleswig-Holstein hat der neue Beobachtungsansatz dazu geführt, dass die beiden Phänomenbereiche, die aktuell am ehesten Bezüge zum Terrorismus erwarten lassen (islamistischer Extremismus und Rechtsextremismus), im Jahr 2014 jeweils als gesonderte Referate in der Abteilung Verfassungsschutz des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten organisiert worden sind. Der personenbezogene Beobachtungsansatz wird in beiden Referaten mit besonderem Nachdruck verfolgt und durch entsprechende Veränderungen in den operativen Bereichen begleitet. Darüber hinaus werden beide Terrorismusabwehrzentren in Berlin und Köln wöchentlich mit Verbindungsbeamten aus Schleswig-Holstein besetzt. Diese in der jüngsten Vergangenheit vorgenommenen Veränderungen sind nach Auffassung der Landesregierung zum jetzigen Zeitpunkt ausreichend. 2. Plant die Landesregierung im Bereich der Terrorismusabwehr Maßnahmen mit finanziellen Auswirkungen, die für den Haushalt 2016 relevant sind und wenn ja, welche? Antwort: Das LKA plant Maßnahmen im Bereich der Terrorismusabwehr mit relevanten finanziellen Auswirkungen für den Haushalt 2016. Dabei sind die der beabsichtigten Personalsteuerung folgenden logistischen Mehraufwände (z.B. Fahrzeuge, IT-Technik) zu berücksichtigen. Das Landeskriminalamt vervollständigt zudem im Bereich der Terrorismusabwehr das seit 2014 in der Umsetzung befindliche Konzept „TE“ mit einer Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3615 3 Erweiterung der Führungs- und Einsatzmittel in den Spezialeinheiten SEK und MEK. Dazu gehören u. a. ballistische Schutzausstattungen, Waffen und Aufklärungstechnik . Durch den personellen Mehrbedarf des Verfassungsschutzes Schleswig- Holstein (siehe Punkt 3) ist eine Erweiterung des Sicherheitsbereichs innerhalb des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten notwendig. Zusätzlich sind im Zuge der Stellenmehrung erforderliche Ausstattungen und weitere Ausrüstungen nötig. 3. Welchen personellen Mehrbedarf in Folge der aktuellen Gefährdungslage durch den Terrorismus sieht die Landesregierung bei der Landespolizei und beim Verfassungsschutz jeweils? Antwort: Nach Bewertung der aktuellen Sicherheitslage für Deutschland und insbesondere für Schleswig-Holstein wird derzeit kein personeller Mehrbedarf in Folge der aktuellen Gefährdungslage durch den Terrorismus für die Landespolizei festgestellt. Beim Verfassungsschutz Schleswig-Holstein werden aufgrund der aktuellen Gefährdungslage 20 zusätzliche Stellen für erforderlich gehalten. 4. Von welcher Mehrbelastung der Landespolizei und des Verfassungsschutzes aufgrund der aktuellen Gefährdungslage durch den Terrorismus geht die Landesregierung aus. Antwort: Entsprechende polizeiliche Einsatzszenarien wurden bereits vorbereitet und werden fortlaufend aktualisiert. Im Zusammenhang mit den Ereignissen wurden Handlungsanweisungen erteilt. Generelle Präsenzerhöhungen sind für die Landespolizei nicht angeordnet worden, veranstaltungs- und lagebezogene Präsenzerhöhungen werden durch die Polizeidirektionen nach eigener Einschätzung vorgenommen werden. Die Maßnahmen des LKA Schleswig-Holstein bewegen sich aufgrund der unverändert hohen abstrakten Gefährdung durch den religiös motivierten Terrorismus anhaltend auf einem hohen, Ressourcen bindenden Niveau. Es wird hier auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Drucksache 18/3615 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Der Verfassungsschutz verzeichnet aufgrund der Pariser Anschläge vom 13. November 2015 bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine signifikante Mehrbelastung. Neben der Überprüfung der eingehenden Hinweise in der Folge der Anschläge sind mögliche Folge-, Nachahmungs- und Resonanztaten stetig und intensiv zu prüfen und zu bewerten, um sie ggf. anschließend den zuständigen Gefahrenabwehr- oder Strafverfolgungsbehörden zugänglich machen zu können. Zur Früherkennung der genannten Gefährdungsmomente bedarf es eines deutlichen Ausbaus der technischen Fähigkeiten der Verfassungsschutzbehörde , vor allem auf dem Gebiet der Internet-Überwachung (Internet- Monitoring und sogenannte Open Source Intelligence – OSINT sowie die operative Nutzung des Internets – ONI), insbesondere in den Phänomenbereichen des islamistischen Terrorismus und Rechtsextremismus. Gleiches gilt für den Bereich der Telekommunikationsüberwachung. Ferner müssen gerade für eine engmaschige Überwachung „rund um die Uhr“ von Syrien-Rückkehrern die Observationskräfte der Verfassungsschutzabteilung gestärkt werden. Dies führt automatisch zu erwarteten zusätzlich anfallenden Informationen, die zwangsläufig zu einem erhöhten Auswertungsbedarf führen. Gleichwohl wird mit der erforderlichen Personalverstärkung eine Priorisierung der Beobachtung verfassungsschutzrelevanter Phänomene erfolgen müssen, so dass Lücken in der Beobachtung nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. 5. Wie plant Landesregierung insgesamt, die Mehrbelastungen und Überbelastungen mit Blick auf die Krankenstände in der Landespolizei zu kompensieren? Antwort: Ein Zusammenhang zwischen der aktuellen Sicherheitslage und Entwicklungen der Krankenstände in der Landespolizei wird nicht gesehen. Insofern finden die in der Landespolizei etablierten Standards zur Gesundheitsprävention unverändert Anwendung. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3615 5 6. Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung die Gesundheit der Polizistinnen und Polizisten konkret fördern bzw. schützen? Antwort: Schleswig-Holstein hat in den vergangenen Jahren viel in eine neue oder verbesserte Ausstattung seiner Polizistinnen und Polizisten investiert, die fortlaufend überprüft und weiterentwickelt wird. Den Polizistinnen und Polizisten, die im Außendienst Vollzugsmaßnahmen durchführen, steht als Schutzausrüstung die persönliche Schutzweste der Schutzklasse 1 und das ballistische Schild (Schutz entsprechend der Schutzklasse 1) zur Verfügung. Durch entsprechende Aus- und Fortbildungskonzepte bzw. im Rahmen des regelmäßigen und verpflichtenden Einsatztrainings wird die professionelle Handlungsfähigkeit und psychische Stabilität der Einsatzkräfte gewährleistet, um auch in gefährlichen Situationen schnell, sicher und angemessen reagieren zu können.