SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/3798 18. Wahlperiode 2016-02-12 Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Vogt (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Einrichtung von Kitesurfzonen in Schleswig-Holstein Vorbemerkung der Landesregierung: Ostsee und Nordsee sind Bundeswasserstraßen. Nach dem Bundeswasserstraßengesetz ist allein der Bundesverkehrsminister ermächtigt, in Naturschutzgebieten und Nationalparks Befahrensregelungen aus Gründen des Naturschutzes durch Bundesverordnung festzusetzen. Die Landesregierung beantragt den Erlass bzw. die Änderung einer Befahrensverordnung beim Bundesverkehrsminister. 1. Auf welcher gutachterlichen Grundlage begründet die Landesregierung die geplante Einrichtung von Kitesurfzonen? Die Landesregierung hat für neun Naturschutzgebiete, die Flächenanteile in der Ostsee haben, den Erlass einer Befahrensverordnung bei dem zuständigen Bundesverkehrsministerium beantragt. Für die folgenden acht Naturschutzgebiete wurde der Antrag bereits 2011 gestellt und nach Aufforderung durch den Bund 2015 erneuert: „Halbinsel Holnis“, „Geltinger Birk“, ,„Schwansener See“, „Bottsand“, „Sehlendorfer Binnensee mit Umgebung“, „Graswarder/Heiligenhafen“, „Krummsteert-Sulsdorfer Wiek/Fehmarn“ und „Grüner Brink“. Dieser Antrag fußt auf dem Gutachten „Erfassung und Bewertung seewärtiger Störungen in Ostsee- Naturschutzgebieten“ des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR). Für das Naturschutzgebiet „Schleimündung“ wurde der Antrag bereits 2009 gestellt und ebenfalls 2015 erneuert. Dazu liegt folgendes gesondertes Gutachten vor: „Begründung der Erforderlichkeit einer Befahrens- Drucksache 18/3798 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 regelung in Teilbereichen des FFH-Gebietes Schlei incl. Schleimünde und vorgelagerte Flachgründe sowie des Vogelschutzgebietes Schlei“. Für die drei Wattenmeer-Nationalparke in Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen wurde schon 2006 ein gemeinsamer Antrag der Bundesländer beim zuständigen Bundesverkehrsministerium auf Novellierung der bestehenden Befahrensverordnung gestellt. Die Gespräche für eine Erneuerung dieses Antrags wurden 2015 wieder aufgenommen mit dem Ziel, einen wiederum gemeinsamen Antrag einzureichen. Darin soll auch eine Regelung für Kitesurfen und Parasailing erfasst werden. Dies entspricht dem Handlungsauftrag aus dem trilateralen Wattenmeerplan (gleichzeitig Managementplan für die Natura 2000-Gebiete im Wattenmeer), der 2010 auf der Trilateralen Regierungskonferenz zum Schutz des Wattenmeeres in Westerland/Sylt verabschiedet wurde. Der Wattenmeerplan stellt fest, dass das Kitesurfen natürliche Werte, insbesondere die Rastplätze für Vögel, beeinträchtigen kann und daher ein harmonisiertes Konzept für das Kitesurfen auf der Basis einer Zonierung, in deren Rahmen diese Aktivität unter bestimmten Bedingungen erlaubt ist, angestrebt wird. Über die Auswirkungen des Kitesurfens auf Wasser- und Watvögel hat der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten - und Naturschutz - Staatliche Vogelschutzwarte - eine Übersicht mit Auswertung etlicher international vorliegender Gutachten erarbeitet, die in Kürze in der Schriftenreihe „Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen“ erscheinen wird. Die darin zusammengestellten Ergebnisse von Untersuchungen über die Störwirkung des Kitesurfens ergeben ein klares Erfordernis für den Schutz von Lebensräumen für Wasser- und Watvögel. Eine ungeregelte Ausübung des Kitesurfens gefährdet den Erhaltungszustand der jeweiligen Gebiete sowie der darin vorkommenden Arten und Lebensgemeinschaften. Für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer liegen langjährige Kartierungen aller wichtigen Brut- und Rastplätze von Vögeln entlang der Küste und den Inseln vor. Die Auswahl der Kitesurfgebiete im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer erfolgt in Gesprächen der Nationalparkverwaltung vor Ort gemeinsam und einvernehmlich mit den jeweiligen Gemeinden. Nach den bisherigen Gesprächen kann die Kulisse als grundsätzlich geeint angesehen werden . Von keinem Vertreter der Kite-Verbände kam ein Einwand zu den Kulissen . 2. Wo in Schleswig-Holstein plant die Landesregierung die Einrichtung von Kitesurfzonen? Im schleswig-holsteinischen Teil der Bundeswasserstraße Ostsee werden lediglich in den o.g. neun Naturschutzgebieten Einschränkungen des Befahrens, u.a. für Kitesurfer, vorgesehen. Es handelt sich um 0,29% der schleswigholsteinischen Ostsee (12 sm-Zone). Die restlichen Flächen der Ostsee können weiterhin von Kitesurfern genutzt werden. Im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer sind nach Ergebnissen der bisherigen Gespräche mit den Akteuren vor Ort rund 20 großräumige Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3798 3 Kitesurfgebiete vorgeplant. Darin sind alle touristisch bedeutenden, attraktiven und intensiv genutzten Kite-Spots im Nationalpark enthalten. 3. Welche Gefährdungen gehen von Kitesurfern für den Natur- und Tierschutz aus? Und was trägt ein Verbot von Kitesurfing in bestimmten Gebieten zum Natur- und Tierschutz bei? Durch das Kitesurfen werden Vögel gestört und beunruhigt. Wenn ein Kitesurfer sich einer Ansammlung von rastenden oder Nahrung suchenden Vögeln nähert, so fliegen diese auf und flüchten. Dieses Verhalten und dessen Auswirkungen sind allgemein bekannt, aber auch wissenschaftlich belegt. Naturschutzgebiete an der Küste sind Rückzugsorte u.a. für Strand- und Wasservögel , die dort rasten und fressen, aber auch brüten. Wenn Tiere in Schutzgebieten verscheucht werden, verlieren die Gebiete ihre Funktion. Speziell für den Nationalpark gilt, dass das Wattenmeer das vogelreichste Gebiet in Mitteleuropa und zentrale Drehscheibe auf dem Ostatlantischen Zugweg der Küstenvögel ist. 10 bis 12 Millionen Vögel nutzen das trilaterale Wattenmeer im Jahresverlauf, die meisten davon als überlebenswichtigen Rastplatz auf ihren Wanderungen zwischen den Brutgebieten im Norden und den Überwinterungsgebieten in Südeuropa und Afrika. Diese Bedeutung des Wattenmeeres für die Erhaltung der Biodiversität war ein wesentlicher Grund für die Ausweisung des Wattenmeeres als Weltnaturerbe der UNESCO. Neben seinem Status als Welterbe ist das Wattenmeer Natura 2000-Gebiet und Besonders Empfindliches Meeresgebiet (PSSA). Nach § 2 NPG dient der Nationalpark dem Schutz und der natürlichen Entwicklung des schleswigholsteinischen Wattenmeeres und der Bewahrung seiner besonderen Eigenart , Schönheit und Ursprünglichkeit. Es ist ein möglichst ungestörter Ablauf der Naturvorgänge zu gewährleisten. Der Nationalpark ist als Lebensstätte der dort natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenarten und der zwischen diesen Arten und den Lebensstätten bestehenden Lebensbeziehungen zu erhalten . Die geplante Neuregelung des Umgangs mit dem Kitesurfen wird Störungen im Schutzgebiet minimieren. 4. Inwieweit werden Windsurfer, Kayakfahrer u.ä. Wassersportarten von der geplanten Verordnung betroffen sein? In Teilen der oben genannten neun Ostsee-Naturschutzgebiete ist geplant, das Befahren für alle Wasserfahrzeuge mit Ausnahme der Erwerbsfischerei und – sofern Sicherheitsaspekte dies erfordern – kleiner, muskelbetriebener Wasserfahrzeuge, zu untersagen. In einigen Gebieten ist diese Regelung zudem jahreszeitlich begrenzt. Die derzeit gültige Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee (NPNordSBefV) regelt das Befahren der Bundeswasserstraßen in den drei Wattenmeer-Nationalparks mit Wasserfahrzeugen, Sportfahrzeugen und Wassersportgeräten. Sonderrege- Drucksache 18/3798 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 lungen gibt es u.a. für Seekajakfahrer und traditionelle Ausflugsfahrten. Zukünftig soll es auch Sonderregelungen für von einem Drachen gezogene Wassersport-Fahrzeuge (Kitesurfen, Parasailing) wegen ihrer besonderen Störwirkung im Küstensaum geben. Windsurfer können diese sensiblen Flachwasserbereiche weniger gut erreichen und sollen daher von der geplanten Regelung nicht erfasst werden. Die Vorbereitungen für eine Antragstellung sind noch nicht abgeschlossen. 5. Welche bürokratischen Lasten und anderen ökonomischen Auswirkungen (Tourismus, Handel etc.) werden durch die Festlegung von Kitesurfzonen in Schleswig-Holstein von Seiten der Landesregierung erwartet? Die Sperrflächen in den o.g. neun Ostsee-Naturschutzgebieten haben lediglich den geringen Anteil von 0,29 % an dem schleswig-holsteinischen Teil der Ostsee, daher werden die ökonomischen Auswirkungen dieser Sperrung hier minimal sein. Auch wird kein erhöhter bürokratischer Aufwand erwartet. Im Wattenmeer sollen die bisher durch Kitesurfer genutzten Gebiete wesentlich auch weiterhin für die Ausübung des Sports in Form von ausgewiesenen Kitesurfflächen zur Verfügung stehen. Daher ist nicht von nachteiligen ökonomischen Auswirkungen auszugehen. Der Verwaltungsaufwand für Antragstellung und Umsetzung der Novellierung der Befahrensverordnung erfolgt im Rahmen der Arbeit der zuständigen Behörden. Bürokratischer Aufwand für andere Beteiligte ist nicht zu erwarten. 6. Welche Kosten (Infrastrukturmaßnahmen, Personal etc.) plant die Landesregierung für die Errichtung von Kitesurfzonen ein? Die Kennzeichnung der Sperrzonen in der Nord- und Ostsee wird in Abstimmung mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, den Gemeinden und der Landesverwaltung erfolgen. Die Landesregierung wird in geeigneter Weise über die Regelungen informieren. Für den Nationalpark Wattenmeer plant die Nationalparkverwaltung darüber hinaus eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit mit Gemeinden, Kitesurfschulen/-vereinen sowie Naturschutz- und Tourismusverbänden . Dies erfolgt im Rahmen der bestehenden Aufgaben und des Personals der Nationalparkverwaltung.