SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/3826 18. Wahlperiode 2016-02-16 Kleine Anfrage des Abgeordneten Anita Klahn (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Situation von Frauen in Flüchtlingsunterkünften 1. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, wie viele Frauen 2014 und 2015 in Schleswig-Holstein bei der Asylantragstellung oder zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe vorgetragen haben? Antwort: Der Landesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 2. Werden Frauen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes über ihre Rechte, insbesondere in Bezug auf geschlechterspezifische Gewalt, aufgeklärt ? Wenn ja, wann und in welcher Weise? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Vielfältige behördliche Informationsschreiben, z.B. gemäß § 23 Abs. 2 Satz 3 AsylG, § 47 Abs. 4 AsylG, sowie mit der Aufnahme verbundener Mitteilungen , z.B. Hausordnungen, Lagepläne, liegen vor. Ergänzend werden in den Einrichtungen durch die Teams der Betreuungsverbände regelmäßige Frauentreffen in geschützter Atmosphäre angeboten.Hierzu zählen auch mündliche Information durch Betreuungsverbände oder die Polizei, Aushänge , Flyer von Hilfeeinrichtungen oder Kurzvorträge, die die Frauen über Art. 3 GG und ihre Rechte in Deutschland informieren. Drucksache 18/3826 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 3. Wie ist die Erlass- und Konzeptlage mit Bezug zum Thema psychische, körperliche und sexualisierte Gewalt gegen Frauen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes? Antwort: Das Landesamt für Ausländerangelegenheiten (LfA) stellt sicher, dass auch auf geschlechterspezifische Auseinandersetzungen durch Fachpersonal reagiert werden kann. Hierzu wird in den Ausschreibungen, mit denen Betreuungsverbände geworben werden, eine Konfliktberatung gefordert . Daneben werden von Betreuungsverbänden in Kooperation und Beteiligung des LfA, ggfs. der Polizei und des Ärztlichen Dienstes in betroffenen Einzelfällen individuelle Lösungen erarbeitet. Konzepte werden in mehreren Unterkünften erarbeitet. Es wird angestrebt, diese zu vereinheitlichen. Zur Erlasslage wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 4. Welche Vorkehrungen werden in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes bei geschlechterspezifischer Gewalt getroffen? Welche Interventions - und Schutzmaßnahmen bei geschlechterspezifischer psychischer, körperlicher und sexualisierter Gewalt gibt es in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes? Antwort: Bei Erkenntnissen über geschlechterspezifische Gewalt werden bei Bedarf Einzelzimmer vergeben und es erfolgt eine Klärung des Konfliktes. Frauen werden, auch mit Kindern, ggf. in abgetrennten Bereichen der Einrichtung untergebracht und erfahren einen besonderen Schutz durch die Polizei und den Sicherheitsdienst vor Ort. Eine Verlegung in andere Einrichtungen, auch Frauenhäuser, findet in Abstimmung mit den Betroffenen ebenfalls statt. Auch dann bleibt die Betreuung und Begleitung durch die Einrichtung, ggf. gemeinsam mit dem Jugendamt, bestehen. 5. Gibt es Frauenschutzräume in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes ? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie viele und in welchen Einrichtungen ? Antwort: In allen Landesunterkünften wird bei der Zimmerzuweisung alleinreisender Frauen, ggfs. mit Kindern, auf eine adäquate Unterbringung geachtet. Regelmäßig werden entsprechende Räume, z.B. durch abgetrennte Flure, oder ein ganzes Gebäude (derzeit Putlos) für diese Personengruppe vorgehalten . Ausschließlich in der EAE Kiel ist noch kein aktueller Schutzraum nachweisbar. Daher erfolgt dort die Unterbringung in einem Container in räumlicher Nähe der Polizei bzw. des Wachdienstes. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/3826 3 6. Werden in den Erstaufnahmeeinrichtungen zur Prävention geschlechterspezifischer Gewalt Betreuer oder Sozialpädagogen eingesetzt? Wenn ja, wie viele? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Die Prävention von Gewalt, aber auch die Deeskalation von Konflikten ist eine Aufgabe, die in allen Unterkünften von den jeweiligen Hausbetreuer Innen, der Sozialberatung und den Konfliktberatenden, die unterschiedliche berufliche Qualifikationen vorweisen, wahrgenommen wird. Daher lassen sich die Stellenanteile nicht gesondert aufschlüsseln. 7. Gibt es in den jeweiligen Landesvorschriften zur Aufnahme von Flüchtlingen Regelungen zur Umverteilung von Bewohnerinnen bei geschlechterspezifischer Gewalt? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Explizite Regelungen zur Umverteilung von Bewohnerinnen bei geschlechterspezifischer Gewalt enthält das Landesrecht nicht. Gleichwohl werden die Belange alleinstehender Frauen und ihre Schutzbedürfnissen nach § 7 Abs. 3 Satz 2 Ausländer- und Aufnahmeverordnung insoweit berücksichtigt , als dass diesen bei der Zuweisung Rechnung getragen wird. 8. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse über Fälle geschlechterspezifischer psychischer, körperlicher und sexualisierter Gewalt in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes vor? Wenn ja, welche und mit welchen Gewaltschutzmaßnahmen wurde (durch die Polizei, die Familiengerichte oder die Einrichtungen) darauf reagiert? Antwort: Die Erkenntnisgewinnung im Sinne der Fragestellung über die erfassten Inhalte im Vorgangsbearbeitungssystem @rtus würde eine Sichtung einer Vielzahl von potentiell relevanten Sachverhalten, die der Polizei bekannt geworden sind, erfordern. Dies liegt an dem Umstand, dass seit dem 4. Quartal 2015 Fälle mit einer Ausprägung „Flüchtlingsrelevanz“ gesondert erfasst werden. Vorfälle mit zusätzlichen Bezügen zu „Häuslicher Gewalt“ oder „Gewalt im sozialen Nahraum“ sind damit nur durch Sichtung jedes einzelnen Vorganges feststellbar. Selbst in dem genannten beschränkten Zeitraum dürfte die Anzahl der grundsätzlich zu sichtenden Sachverhalte im zumindest mittleren vierstelligen Bereich liegen, wobei lediglich in einer davon geringen Teilmenge eine Relation zur Fragestellung vorliegen dürfte . Eine Beantwortung der zweiten Fragestellung ist über das Vorgangsbearbeitungssystem @rtus ebenfalls praktisch nicht zu realisieren. Die Bearbeitung von psychischer, körperlicher und/oder sexueller Gewalt gegen Frauen in Erstaufnahmeeinrichtungen durch die Polizei orientiert sich an den in diesen Aufgabenbereichen grundsätzlich jeweils zu tätigenden Arbeitsabläufen. Drucksache 18/3826 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Auf jegliche Fälle der Gewalt im sozialen Nahraum finden die Ziele und Maßnahmen des Erlasses zum „polizeilichen Einschreiten in Fällen von häuslicher Gewalt“ Anwendung. Der Erlass wurde am 29.04.2015 durch die Handlungsleitlinie „Der Sonderfall Häusliche Gewalt in Flüchtlings- und Asylunterkünften“ ergänzt und am 28.01.2016 durch den Vordruck „Betretungsverbot und Wegweisungsverfügung “ in 10 Sprachen erweitert.