SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4005 18. Wahlperiode 2016-03-30 Kleine Anfrage des Abgeordneten Oliver Kumbartzky (FDP) und Antwort der Landesregierung - Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Entwicklung von invasiven Arten in Schleswig-Holstein Vorbemerkung der Landesregierung: Neobiota sind alle Arten, die nach 1492 durch menschliche Aktivitäten in unser Areal eingebracht wurden. Eine kleine Untergruppe dieser gebietsfremden Arten sind diejenigen, die invasiv wirken, das heißt gemäß Bundesnaturschutzgesetz und EU-Verordnung Nr. 1143/2014 nicht heimisch sind und zudem eine Gefährdung für die Biologische Vielfalt und die Ökosystemdienstleistungen darstellen. Die Antworten auf die Fragen beziehen sich auf Arten, die dieser Definition entsprechen . Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat im Jahr 2015 eine Liste von Arten erstellt , die als invasiv bewertet werden. Im Jahr 2014 ist von der EU die Verordnung Nr. 1143/2014 verabschiedet worden, in der die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung von invasiven gebietsfremden Arten behandelt wird. Die EU-Kommission führt eine „Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung“ (sog. „Unionsliste“), für die unmittelbarer Handlungsbedarf nach der oben genannten Verordnung besteht. Auf diese beiden Dokumente beziehen sich die folgenden Antworten im Wesentlichen . Drucksache 18/4005 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 1. Welche Neozoen, die nach Schleswig-Holstein eingewandert sind, sind der Landesregierung bekannt? Welche Probleme verursachen diese Arten? Zu den negativen Auswirkungen invasiver Arten auf die Artenvielfalt zählen: Verdrängen von heimischen Arten durch interspezifische Konkurrenz, Töten von heimischen Arten durch Prädation und Herbivorie, Verlust von heimischen Arten durch Hybridisierung, die Übertragung von Krankheiten- und Parasiten und negative ökosystemare Auswirkungen. In der Tabelle 1 wurden alle invasiven Arten der Unionsliste und der Liste des BfN zusammengestellt, die bisher in Schleswig-Holstein nachgewiesen wurden. Auf der Unionsliste stehen 13 Arten, die in den letzten 25 Jahren in Schleswig- Holstein nachgewiesen wurden, von den wahrscheinlich sieben aktuell im Land vorkommen. Sogenannte Zooflüchtlinge, wie Roter Nasenbär und Muntjak, haben sich wahrscheinlich nur kurz in Freiheit befunden. Von den Arten, die das BfN als invasiv bewertet hat, sind bisher 23 in Schleswig- Holstein festgestellt worden. Der Blaubandbärbling, der auf der Unionsliste geführt wird, wird vom BfN aktuell nur als potentiell invasiv eingestuft. Tab. 1: Liste invasiver Tierarten nach EU-Verordnung und BfN-Einstufung mit Vorkommen in Schleswig-Holstein inkl. Zooflüchtlinge (Angaben zu Vorkommen nach Roten Listen; LLUR (2014): Neobiota in deutschen Küstengewässern; Expertenauskunft). Gruppe / Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Funde Nr. Unionsliste BfN* ein bis mehrere zahlreiche WIRBELLOSE TIERE Nematoden 1 x Anguillicola crassus Schwimmblasenwurm X Molluscen 2 x Ensis directus Amerikanische Scheidenmuschel X 3 x Dreissena polymorpha Wandermuschel X 4 x Corbicula fluminalis Feingerippte Körbchenmuschel X 5 x Crassostrea gigas Japanische Felsenauster X Crustacea 6 x x Eriocheir sinensis Chinesische Wollhandkrabbe X 7 x x Orconectes limosus Kamberkrebs X 8 x x Pacifastacus leniusculus Signalkrebs X 9 x x Procambarus clarkii Roter Amerikanischer Sumpfkrebs ? 10 x Chelicorophium curvispinum Schlickkrebs X 11 x Dikerogammarus villosus Großer Höhlenflohkrebs X Pisces 12 x Acipenser baerii Sibirischer Stör X Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4005 3 Gruppe / Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Funde Nr. Unionsliste BfN* ein bis mehrere zahlreiche 13 x Pseudorasbora parva Blaubandbärbling X 14 x Ctenopharyngodon idella Graskarpfen X Amphibia 15 x x Lithobates (Rana) catesbeianus Nordamerikanischer Ochsenfrosch X, Bestand erloschen Reptilia 16 x x Trachemys scripta Nordamerikanische Schmuckschildkröte X Aves 17 x x Oxyura jamaicensis Schwarzkopf-Ruderente X 18 x x Threskiornis aethiopicus Heiliger Ibis X Mammalia 19 x x Muntiacus reevesi Chinesischer Muntjak (X) 20 x x Myocastor coypus Nutria X, Bestand erloschen 21 x Nasua nasua Roter Nasenbär (X) 22 x x Procyon lotor Waschbär X 23 x Neovison vison Mink X 24 x Rattus norvegicus Wanderratte X 25 x Ondatra zibethicus Bisamratte X *: BfN (2015): Scheibner, C., Roth, M., Nehring, S., Schmiedel, D., Wilhelm, E.-G. & Winter, S. (2015): Management-Handbuch zum Umgang mit gebietsfremden Arten in Deutschland: Band 2: Wirbellose Tiere und Wirbeltiere. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 141(2): 626 S. 2. Welche Neophyten, die nach Schleswig-Holstein eingewandert sind, sind der Landesregierung bekannt? Welche Probleme verursachen diese Arten? Von den 14 Arten der Unionsliste wurde bisher keine in Schleswig-Holstein festgestellt . In der Liste des BfN stehen 25 Arten, die nach aktueller Roter Liste und Neobiota- Studie (LLUR 2014) auch in Schleswig-Holstein mit unbeständigen Vorkommen nachgewiesen wurden oder seit längerem fest etabliert sind (Tabelle 2). Tab. 2: Liste invasiver Pflanzenarten nach EU-Verordnung und BfN-Einstufung mit Vorkommen in Schleswig-Holstein (Angaben nach Roten Liste; LLUR (2014): Neobiota in deutschen Küstengewässern ; Expertenauskunft). Gruppe / Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Vorkommen Nr. EU Liste BfN** unbeständig etabliert Pflanzen Niedere Pflanzen Drucksache 18/4005 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Gruppe / Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Vorkommen Nr. EU Liste BfN** unbeständig etabliert 1 x Coscinodiscus wailesii Wailes-Kieselalge X 2 x Gracilaria vermiculophylla Besentang X 3 x Sargassum muticum Japanischer Besentang X 4 x Campylopus introflexus Kaktusmoos X Höhere Pflanzen 5 x Acer negundo Eschenahorn X 6 x Azolla filiculoides Großer Algenfarn X 7 x Crassula helmsii Nadelkraut X 8 x Elodea canadensis Kanadische Wasserpest X 9 x Elodea nuttallii Schmalblättrige Wasserpest X 10 x Fallopia bohemica Bastard-Staudenknöterich X 11 x Fallopia japonica Japan-Staudenknöterich X 12 x Fallopia sachalinensis Sachalin-Flügelknöterich X 13 x Heracelum mantegazianum Riesen-Bärenklau X 14 x Lupinus polyphyllus Vielblättrige Lupine X 15 x Pinus strobus Weymouth-Kiefer X 16 x Populus canadensis Bastard-Pappel X 17 x Prunus serotina Späte Traubenkirsche X 18 x Pseudotsuga menziesii Douglasie X 19 x Quercus rubra Rot-Eiche X 20 x Robinia pseudoacacia Robinie X 21 x Rosa rugosa Kartoffelrose X 22 x Solidago canadensis Kanadische Goldrute X 23 x Solidago gigantea Späte Goldrute X 24 x Spartina anglica Englisches Schlickgras X 25 x Syringa vulgaris Gewöhnlicher Flieder X **: BfN (2015): Scheibner, C., Roth, M., Nehring, S., Schmiedel, D., Wilhelm, E.-G. & Winter, S. (2015): Management-Handbuch zum Umgang mit gebietsfremden Arten in Deutschland: Band 1: Pilze, Niedere Pflanzen und Gefäßpflanzen. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 141(1): 709 S. Die negativen Auswirkungen entsprechen den unter Ziffer 1 genannten, mit Ausnahme der Prädation und Herbivorie. Für den marinen Bereich wurde im Rahmen der Zustandsbewertung nach Meeresstrategie -Rahmenrichtlinie in 2012 eine Übersicht der bekannten nichteinheimischen Arten erstellt (BLMP, 20121). In 2014 wurde vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein eine Übersicht über eingeschleppte und kryptogene Tier- und Pflanzenarten an der deutschen Nord- und Ostseeküste veröffentlicht2. 1 abrufbar unter www.meeresschutz.info 2 https://www.umweltdaten.landsh.de/nuis/wafis/kueste/neobiota.pdf Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4005 5 3. Welche Ursachen sieht die Landesregierung für die Ausbreitung der in Frage 1 und 2 genannten Arten? Zu den Einfuhr- und Ausbreitungsvektoren invasiver Arten, die in Schleswig- Holstein nachgewiesen wurden, zählen absichtliche Einbringungen und Ausbreitungen durch Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Küstenschutz, Aquakulturen, Jagd, Fischerei, Garten- und Landschaftsbau, Zierhandel, private Einfuhr und Angelsport . Zu den unabsichtlichen Einbringungs- und Ausbreitungswegen zählen Ballastwasser , Aquakultur, Verkehr, Schiffsrümpfe, Handel, Entkommen ins Freiland /Freiwasser aus Botanischen Gärten, Tierparken und der Tierzucht, zudem Verunreinigungen von Erdreich, Verbringen von Gartenabfällen, Verunreinigungen von Saatgut, Futtermitteln und Vogelfutter und schließlich die Selbstausbreitung nach der Einfuhr. 4. Welche Gegenmaßnahmen ergreift die Landesregierung um die Ausbreitung der in Frage 1 und 2 genannten Arten zu verhindern? Eine vollständige Kontrolle aller Einfuhr- und Ausbreitungswege von invasiven Arten ist mit einem vertretbaren Einsatz von finanziellen und personellen Mitteln nicht möglich. Eine Beseitigung von Vorkommen ist nur in der Anfangsphase der Ausbreitung einer invasiven Art aussichtsreich. Das Land entwickelt seine Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung von invasiven Arten ständig weiter und ergreift zudem auch Maßnahmen gegen Neobiota, die zwar keine Bedrohung für die Artenvielfalt darstellen, aber ökonomische Schäden verursachen. Zu den wichtigsten vor- und nachsorgenden Maßnahmen der Landesregierung, die zur Vermeidung der Ausbreitung von invasiven Arten getroffen wurden, gehören : Benennung der zuständigen Behörden für die Umsetzung der Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes § 40 Abs. 3. Förderung der Erfassung von Daten zur Verbreitung von invasiven Arten. Entwicklung und Anwendung eines Monitoringprogramms für Häfen, um den Status quo vorkommender Neobiota zu ermitteln („rapid assessment“). Unterstützung der Betreuung von Datenbanken verschiedener Expertengruppen , die neue Fundpunkte von invasiven Arten melden, auf Plausibilität prüfen und dem Land zur Verfügung stellen. Erteilung von Abschussgenehmigungen. Beseitigung von Vorkommen beim ersten Auftreten. Bekämpfung und Eindämmung von verbreiteten invasiven Arten in Schutzgebiete. Aufnahme von invasiven Tierarten in das Landesjagdgesetz. Erlass einer Genehmigungspflicht für Besatzmaßnahmen in Gewässern. Vorübergehender Genehmigungsentzug für eine Tierhaltung, aus der mehrfach invasive Arten entkommen waren. Drucksache 18/4005 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 6 Öffentlichkeits- und Informationsarbeit zur Akzeptanzsteigerung und Lenkung des privaten Engagements. Für den marinen Bereich ist z.B. die Ratifizierung des internationalen Ballastwasser -Übereinkommens zur Kontrolle und Behandlung von Ballastwasser und Sedimenten von Schiffen (BGBl. 2013 II S. 42) durch Deutschland von Bedeutung. Damit wurde auch ein Auftrag aus der trilateralen Regierungskonferenz zum Schutz des Wattenmeeres 2010 auf Sylt erfüllt. Das Übereinkommen ist international noch nicht in Kraft. Es regelt die Bedingungen und Kontrollpflichten für das Einleiten von Ballastwasser in die Meeresumwelt und fordert die Behandlung von Ballastwasser an Bord jedes Schiffes durch entsprechende Behandlungssysteme vor der Abgabe in die Meeresumwelt. Zur Umsetzung der EU-Verordnung 1143/2014 werden weitere Maßnahmen erforderlich , die sich zurzeit in der Abstimmung mit dem Bund und anderen Bundesländern befinden.