SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4038 18. Wahlperiode 2016-04-06 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Heiner Garg (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Staatsbürgerliche Partizipation von Menschen unter Vollbetreuung 1. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, wie viele Menschen vom Wahlrechtsausschluss in § 7 Nummer 2 Landeswahlgesetz betroffen sind? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Antwort: In den Melderegistern der amtsfreien Gemeinden und der Ämter waren im Jahre 2015 insgesamt 2.967 Wahlrechtsausschlüsse gespeichert. Eingeschlossen in diese Zahl sind aber auch die - vereinzelt bestehenden - Wahlrechtsausschlüsse aufgrund Richterspruchs (§ 7 Nr. 1 LWahlG). Eine nach Wahlrechtsausschlussgründen getrennte Darstellung ist nicht durchgängig möglich. 2. Nach Ansicht der Bundesregierung (BT-Drs. 18/5933, S. 2 und 7) stehen die gesetzlichen Wahlrechtsausschlüsse von Personen unter Betreuungsvorbehalt im Einklang mit Artikel 29 UN-BRK. Teilt die Landesregierung diese Auffassung ? Wenn nein, warum nicht? Bitte begründen. Antwort: Der Bundesrat hatte mit den Stimmen Schleswig-Holsteins festgestellt, dass der Ausschluss vom Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen aufgrund einer Betreuung in allen Angelegenheiten im Hinblick auf die in Artikel 29 UN- BRK garantierte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am politischen Leben dringend einer politischen Überprüfung bedarf (Bundesrats-Drucksache 49/13 - Beschluss -). Drucksache 18/4038 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Der Wahlrechtsausschluss ist zu kritisieren, da die Anordnung einer „Totalbetreuung “ keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die tatsächliche Einsichts- und Wahlfähigkeit der Betroffenen zulässt. Das Verfahren zur Bestellung einer Betreuerin oder eines Betreuers ist nicht darauf ausgerichtet, die Einsicht der betroffenen Person in Wesen und Bedeutung von Wahlen zu prüfen. 3. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass der Wahlrechtsausschluss in § 7 Nummer 2 Landeswahlgesetz ersatzlos gestrichen werden muss? Bitte begründen . Antwort: Die Landesregierung stimmt der ersatzlosen Streichung des derzeit in § 7 Nr. 2 LWahlG normierten Wahlrechtsausschlussgrundes im Hinblick auf die erforderliche Umsetzung der UN-BRK, der die Bundesrepublik Deutschland mit Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 1419) zugestimmt hatte, zu. 4. Wenn sich die Landesregierung für eine ersatzlose Streichung des § 7 Nummer 2 Landeswahlgesetz ausspricht, wie soll nach Ansicht der Landesregierung verhindert werden, dass es bei Personen, die in Betreuungsverhältnissen leben, zu Manipulationen während der Stimmabgabe kommt? Antwort: Die Wahlhandlung erfordert die höchstpersönliche Stimmabgabe. Bei der Urnenwahl kann sich nur diejenige Person von einer Hilfsperson helfen lassen. die nicht lesen kann oder wegen einer körperlichen Behinderung gehindert ist, den Stimmzettel zu kennzeichnen und ihn in die Wahlurne zu legen (§ 36 Abs. 2 LWahlG, § 45 Abs. 1 LWO). Bei der Briefwahl hat die Hilfsperson an Eides Statt zu erklären, dass sie den Stimmzettel nach dem erklärten Willen der Wählerin oder des Wählers gekennzeichnet hat (§ 50 Abs. 2 Satz 3 LWO). Eine falsch abgegebene eidesstattliche Versicherung ist strafbar. Diese Rechtslage gilt im Übrigen auch schon für die Personen, für die nur in einzelnen Angelegenheiten eine Betreuung ausgesprochen wurde und deshalb ein Wahlrechtsausschlussgrund nicht besteht. Insofern bleiben auch Diejenigen , die zwar materiell wahlberechtigt sind, aber aufgrund ihrer Behinderung tatsächlich wahlunfähig sind und ihren höchstpersönlichen Willen zur Stimmabgabe nicht gegenüber der Hilfsperson eindeutig zum Ausdruck bringen können, von der Wahlteilnahme ausgeschlossen. 5. Wenn sich die Landesregierung für eine ersatzlose Streichung des § 7 Nummer 2 Landeswahlgesetz ausspricht, wie beurteilt die Landesregierung die Forderung nach einem differenzierten Verfahren, etwa die konkrete Überprüfung in bestimmten Fällen, ob der Einzelne in der Lage ist, eine Wahlentscheidung zu treffen, wobei die Feststellung von einem Arzt oder einem Richter getroffen wird? Antwort: Die Landesregierung erachtet die in der Antwort zu Frage 4 dargestellte Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4038 3 Rechtslage als ausreichend, um einer missbräuchlichen Stimmabgabe vorzubeugen .