SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4110 18. Wahlperiode 2016-04-29 Kleine Anfrage des Abgeordneten Jens-Christian Magnussen (CDU) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schallemissionsprognose bei Windenergieanlagen Vorbemerkung des Fragestellers: Am 28. September 2015 veröffentlichte das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) ein Interimsverfahren zur Prognose der Geräuschemissionen von Windkraftanlagen . Nach Aussage des DIN können mit diesem Interimsverfahren gewonnene Ergebnisse bei der Beurteilung der Anlagengeräusche von Windkraftanlagen im Rahmen der Anwendung der „Technischen Anwendung-Lärm“ verwendet werden. 1. Auf Grundlage welcher wissenschaftlicher Erkenntnisse hinsichtlich der Emissionsbelastung durch Infraschall und tieffrequente Geräusche bewertet die Landesregierung zurzeit Windkraftanlagen im Genehmigungsverfahren? Schall bzw. Geräusche von Windkraftanlagen (WKA) sind im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durch die zuständigen Behörden auf Grundlage der rechtlichen Vorgaben zu beurteilen und konkret insbesondere nach der sechsten allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) in Verbindung mit den einschlägigen geltenden Normen und den Hinweisen der Bund / Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) zum „Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen“ zu bewerten . Die Vorschriften sind hergeleitet aus den Ergebnissen einer Vielzahl wissenschaftlicher Lärmschutz- und Lärmwirkungsuntersuchungen. Drucksache 18/4110 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 In einer Studie des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW über Schallausbreitungsuntersuchungen an WKA wurde festgestellt, dass bei hohen Windkraftanlagen in größeren Abständen systematische Abweichungen zwischen den gemessenen und berechneten Schallimmissionen auftraten. Die gemessenen Schallpegel lagen dabei zwar in der gleichen Größenordnung, waren aber signifikant höher als die berechneten. Als Reaktion darauf hat der Normenausschuss Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik (NALS), Unterausschuss „Schallausbreitung im Freien“, eine Anpassung des Prognoseverfahrens der DIN ISO 9613-2 an die Besonderheiten hoher Windenergieanlagen erarbeitet und diese als „Interimsverfahren “ publiziert und zur Anwendung empfohlen. Angesichts dieser Erkenntnis wurde von der LAI ein ad-hoc-Arbeitskreis für die Überprüfung und ggfs. erforderliche Fortschreibung der LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windenergieanlagen eingerichtet. Die Fortschreibung orientiert sich dabei auch am genannten Interimsverfahren. Der Abschluss der Arbeiten auf Fachebene und der bundesweiten Abstimmung wird für Mitte 2016 erwartet. Es ist davon auszugehen, dass die LAI danach zeitnah den Vorschlag des Facharbeitskreises berät und, sofern das Ergebnis dieses zulässt, zur bundesweit einheitlichen Anwendung empfiehlt. Die LAI hat bis zur Bekanntgabe neuer Hinweise die Heranziehung der bisherigen empfohlen. Das genannte Interimsverfahren wird nach momentaner Kenntnis in keinem Bundesland angewendet. Sobald die überarbeiteten LAI- Hinweise vorliegen, ist beabsichtigt, diese auch bei den zuständigen Immissionsschutzbehörden in Schleswig-Holstein verbindlich einzuführen. 2. Plant die Landesregierung, die Auswirkungen des Ausbaus der Windenergie auf den Menschen stärker zu berücksichtigen? Falls ja, wie? Falls nein, warum nicht? Die Errichtung von WKAs kann neben Eingriffen in Natur und Landschaftsbild auch Auswirklungen auf den Menschen haben. Diese zu minimieren ist seit je Ziel des Immissionsschutzes. Eine Gefährdung der Menschen wird nach dem aktuellen Wissensstand ausgeschlossen. Die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf den Menschen werden sowohl bei der Raumplanung als auch bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsprüfung auf der Basis vorhandener und allgemein anerkannter rechtlicher Regelungen und Beurteilungsgrundlagen berücksichtigt. Im Immissionsschutz werden Schallleistungspegel von leistungsstärkeren und / oder höheren Anlagen im konkreten Genehmigungsverfahren auf Basis der konkreten immissionsschutzrechtlichen Rahmenbedingungen beurteilt und können dann ggf. höhere Abstanderfordernisse und/oder Auflagen zu einem schallreduzierten Betrieb zur Folge haben. 3 3. Auf Grundlage welcher Forschungsergebnisse bewertet die Landesregierung zurzeit die möglichen gesundheitlichen Folgen von Infraschall auf den Menschen ? Die Landesregierung bewertet neben den unter Frage 2 genannten rechtlichen Rahmenbedingungen die möglichen gesundheitlichen Folgen von Infraschall auf den Menschen auch unter Berücksichtigung jeweils aktuell vorliegender Erkenntnisse. Dabei nutzt die Landesregierung auch Veröffentlichungen und Bewertungen anderer sachverständiger Institutionen. Exemplarisch seien hier die Ergebnisstudie „Tieffrequente Geräusche inkl. Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen“ der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (Bericht über Ergebnisse des Messprojekts 2013-2015), die „Machbarkeitsstudie zu Wirkungen von Infraschall“ Entwicklung von Untersuchungsdesigns für die Ermittlung der Auswirkungen von Infraschall auf den Menschen durch unterschiedliche Quellen des Umweltbundesamtes, die Studie des Bayerischen Landesamtes für Umwelt und des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit „Windenergieanlagen – beeinträchtigt Infraschall die Gesundheit?“, sowie das „Faktenpapier Windenergie und Infraschall“ des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung genannt. 4. Kennt die Landesregierung das Interimsverfahren für die Schallberechnung? Falls ja, wendet die Landesregierung dieses Verfahren an bzw. plant sie, dieses Verfahren anzuwenden? Falls nein, welche Gründe sprechen gegen die Anwendung des Interimsverfahrens ? Das Interimsverfahren ist der Landesregierung bekannt. Im Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.