SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4141 18. Wahlperiode 2016-05-11 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schallprognose und Schallmessungen bei Windkraftanlagen 1. Warum wird in Schleswig-Holstein das Interimsverfahren des Unterausschusses für Normung NA 001-02-03-19 UA für die Prognose der zu erwartenden Schallimmission bei Windkraftanlagen nicht angewandt? In einer Studie des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW über Schallausbreitungsuntersuchungen an Windkraftanlagen (WKA) wurde festgestellt , dass bei hohen Windkraftanlagen in größeren Abständen systematische Abweichungen zwischen den gemessenen und berechneten Schallimmissionen auftraten. Die gemessenen Schallpegel lagen dabei zwar in der gleichen Größenordnung , waren aber signifikant höher als die berechneten. Als Reaktion darauf hat der Normenausschuss Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik (NALS), Unterausschuss „Schallausbreitung im Freien“, eine Anpassung des Prognoseverfahrens der DIN ISO 9613-2 an die Besonderheiten hoher Windenergieanlagen erarbeitet und diese als „Interimsverfahren“ publiziert und zur Anwendung empfohlen. Angesichts dieser Erkenntnis wurde von der LAI ein ad-hoc-Arbeitskreis für die Überprüfung und ggfs. erforderliche Fortschreibung der LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windenergieanlagen eingerichtet. Die Fortschreibung orientiert sich dabei auch am genannten Interimsverfahren. Die Fortschreibung bleibt i.S. eines bundeseinheitlichen Vollzugs abzuwarten. Der Abschluss der Arbeiten auf Fachebene und der bundesweiten Abstimmung wird für Mitte 2016 erwartet. Es ist davon auszugehen, dass die LAI danach zeitnah den Vorschlag des Facharbeitskreises berät und, sofern das Ergebnis dieses Drucksache 18/4141 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 zulässt, zur bundesweit einheitlichen Anwendung empfiehlt. Die LAI hat bis zur Bekanntgabe neuer Hinweise die Heranziehung der bisherigen empfohlen. Das genannte Interimsverfahren wird nach momentaner Kenntnis bundesweit einheitlich nicht angewendet. Sobald die überarbeiteten LAI-Hinweise vorliegen, ist beabsichtigt, diese bei den zuständigen Immissionsschutzbehörden in Schleswig-Holstein verbindlich einzuführen . 2. Wie erfüllt die Landesregierung die Vorsorgepflicht, die Bürgerinnen und Bürger vor potenziell gesundheitlich belastendem Lärm von Windkraftanlagen zu schützen? Die Auswirkungen von potenziell gesundheitlich belastendem Lärm von WKA auf die Bürgerinnen und Bürger werden bei der immissionsschutzrechtlichen Prüfung der Genehmigungsanträge auf der Basis vorhandener und allgemein anerkannter rechtlicher Regelungen und Beurteilungsgrundlagen berücksichtigt. Die Schallleistungspegel werden auf Basis der konkreten Rahmenbedingungen beurteilt und können dann ggf. höhere Abstanderfordernisse und / oder Auflagen zu einem schallreduzierten Betrieb zur Folge haben. 3. Wird es ein Messprogramm zur Erfassung der tatsächlichen Schallimmission durch Windkraftanlagen geben und wann wird es gestartet? Die Landesregierung plant ein Messprogramm an hohen WKA durchzuführen. Der Untersuchungsumfang für die angestrebten akustischen Untersuchungen befindet sich derzeit in der Aufstellung. Die Auftragsvergabe ist für Sommer 2016 geplant. 4. Wie wird sichergestellt, dass auch im Frequenzbereich zwischen 0,1 und 8 Hz gemessen und ausgewertet wird? In der akustischen Untersuchung sollen auch Aussagen zu tieffrequenten Geräuschen und Infraschall getroffen werden. Messungen ab 1 Hz und Schmalbandspektren werden in der Ausschreibung berücksichtigt. Die Schmalbandspektren sollen eine Auflösung von 0,1 Hz haben. Das erscheint aus fachlicher Sicht ausreichend. Die Notwendigkeit einer höheren Auflösung von z.B. 0,001 Hz kann von Seiten der Landesregierung nicht nachvollzogen werden. 5. Wie wird sichergestellt, dass dieser Bereich mit genügend feiner Frequenzauflösung analysiert wird, z. B. mindestens mit 0,001 Hz? Es wird auf die Beantwortung der Frage 4 verwiesen. 6. Welchen Umfang wird das Messprogramm haben (nach Dauer der Messung, Jahreszeit, Anzahl, Bereich, Messausrüstung usw.)? 3 Die akustischen Untersuchungen sollen Ende des Jahres abgeschlossen sein. Es sollen normkonforme Emissionsmessungen im Nahbereich von WKA und gleichzeitig normkonforme Immissionsmessungen in verschiedenen Abständen durchgeführt werden. Die Dauer und Anzahl der Messungen ist von der Qualität der Messergebnisse abhängig. Es sollen an unterschiedlichen Standorten verschiedene WKA-Typen mit unterschiedlicher Nabenhöhe und unterschiedlichem Rotordurchmesser untersucht werden. Ein geeignetes Mess-Equipment ist durch den Gutachter bereit zu halten. 7. Welche Maßnahmen sollen gewährleisten, dass bis zur Auswertung der oben genannten Messungen keine gesundheitliche Beeinträchtigungen von den Windkraftanlagen ausgehen können? Es wird auf die Beantwortung der Frage 1 und 2 verwiesen. 8. Soll in Genehmigungen, die bis zu den Ergebnissen der Messungen erteilt werden, durch Auflage oder anders sichergestellt werden, dass die Erkenntnisse aus den Messungen auch in Bezug auf diese Anlagen umgesetzt werden (z.B. durch eingeschränkten Betrieb oder Rückbau der Anlage)? Dies ist nicht erforderlich. Im Immissionsschutzrecht bestehen sogenannte dynamische Betreiberpflichten, die dazu führen, dass der Betreiber auch nachträgliche Anordnungen befolgen muss. Durch den § 17 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG) besteht bereits eine von der Landesregierung als ausreichend angesehene Rechtsgrundlage für nachträgliche Anordnungen.