SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/ 4202 18. Wahlperiode 27.05.2016 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Kubicki (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Kontrolle von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen in Schleswig-Holstein 1. Gibt es eine Handreichung oder eine Richtlinie für die Durchführung von Kontrollen i.S.v. § 46 SGB VIII von Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht betreut werden? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Es gibt Arbeitshilfen in Form von Checklisten für die örtlichen Prüfungen, aber keine Richtlinie, da der Prüfauftrag und der Prüfungsumfang immer vom jeweiligen Prüfungsanlass abhängig sind. Die Prüfung orientiert sich an den Erfordernissen des Einzelfalls (§ 46 Abs.1, S.1SGB VIII). 2. Gibt es über Kontrollbesuche hinaus eine Begleitung von Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht betreut werden, über einen längeren Zeitraum? Wenn ja, wie sieht eine solche Begleitung aus und in wie vielen Fällen wurde im Jahr 2015 und bislang im Jahr 2016 so verfahren? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Das Landesjugendamt ist nach § 85 Abs. 2 Nr. 7 auch zuständig für „die Beratung der Träger von Einrichtungen während der Planung und Betriebsführung“. Dementsprechend erfolgt eine Beratung der Träger kontinuierlich und entsprechend den Bedarfen der Träger. Über die Meldepflichten nach § 47 SGB VIII können besondere Beratungsbedarfe durch das LJA im Einzelfall erkannt und zielgerichtet beraten werden . Diese Aufgaben der Heimaufsicht sind quantitativ nicht abzuschätzen. Eine Begrenzung der Beratungstätigkeit auf einzelne Träger findet nicht statt. Drucksache 18/ 4202 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 3. Gibt es derzeit eine bestimmte Gruppe von Einrichtungen, die wegen der schon in der Konzeption beschriebenen besonderen Risiken (etwa Stufen- oder Phasenmodell , Punktesystem, Kontaktverbote in der Eingangsstufe und/oder beschränkter Bewegungsradius , längere heiminterne Beschulung), von der Heimaufsicht einer besonders intensiven Überprüfung unterzogen wird bzw. enger beobachtet wird? Wenn ja, wie viele und nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl der Einrichtungen? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Einrichtungen mit eher intensivpädagogischen Betreuung bzw. eher hochstrukturierenden Angeboten werden bereits im Betriebserlaubnisverfahren einer intensiven Überprüfung unterzogen. In derartigen Einrichtungen werden auch Meldungen über besondere Vorkommnisse oder Beschwerden besonders aufmerksam verfolgt. Es handelt sich aber für das Landesjugendamt nicht um eine eindeutig definierbare Gruppe, da die Grenzen der Maßnahmen fließend sind. Eine Bezifferung ist deshalb nicht möglich. Auf die Ausführungen zu Frage 2 zur Beratungstätigkeit des LJA wird verwiesen. 4. Werden bei Einrichtungen mit schon in der Konzeption beschriebenen besonderen Risiken Auflagen gegebenenfalls regelmäßig nachgeprüft? Wenn ja, in welcher Weise ? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Wie bereits zu Frage 3 ausgeführt, gibt es keine schon anhand der Konzeptionen eindeutig definierbare Gruppe von Einrichtungen mit besonderen Risiken, allenfalls Risikofaktoren unterschiedlicher Intensität. Deshalb erfolgt eine regelmäßige Prüfung von Auflagen nur in begründeten Einzelfällen. 5. Wird bei Einrichtungen mit schon in der Konzeption beschriebenen besonderen Risiken die für den Einzelfall notwendige medizinisch-psychiatrische Versorgung regelmäßig nachgeprüft? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Nein, die Prüfung der notwendigen medizinisch-psychiatrischen Versorgung für die einzelnen Betreuten ist Aufgabe des Trägers in Zusammenarbeit mit dem entsendenden Jugendamt. Nur die entsendenden Jugendämter verfügen über Informationen zu den von ihnen untergebrachten Kindern und Jugendlichen, die eine Beurteilung möglich macht ,welche Versorgung im Einzelfall notwendig ist. 6. Wie beurteilt die Landesregierung Konzepte und Methoden, die zur sogenannten konfrontativen Pädagogik gehören? Ist die Landesregierung der Auffassung, dass entsprechende Konzepte und Methoden besondere strukturelle Risiken beinhalten, die einer besonderen Kontrolle durch das Landesjugendamt bedürfen? Wenn ja, in wie vielen Fällen gibt es eine solche Kontrolle und wie ist diese ausgestaltet? Wenn nein, warum nicht? Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4202 3 Antwort: Nicht jede sogenannte konfrontative Pädagogik widerspricht grundsätzlich pädagogischen Standards, hierzu gehört z.B. auch der Täter-Opfer-Ausgleich. Davon ausgehend , dass der Täter-Opfer-Ausgleich oder auch das Anti-Aggressions-Training (AGT) im Rahmen eines „konfrontativen Elementes“ im eigentlichen Sinn keine pädagogischen , sondern therapeutische Methoden zur Behandlung u.a. tiefsitzender Persönlichkeitsstörungen sind, ist eine solche Methode nur unter der Voraussetzung therapeutischer Begleitung anzuwenden. Als Vergleichsmaßstab und mögliche Alternativen sind fachlich therapeutische Verfahren heranzuziehen. In diesem Sinne erfolgt auch die Beratung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Heimaufsicht bereits im Rahmen des Betriebserlaubnisverfahrens. Von Einrichtungen, die derartige Methoden in ihrer Konzeption ausweisen, wird deshalb ein therapeutisches Setting mit entsprechend ausgebildeten Fachkräften verlangt. 7. Wie beurteilt die Landesregierung Konzepte und Methoden, die ein Stufen- oder Phasenmodell, ein Punktesystem, Kontaktverbote in der Eingangsstufe und/oder einen beschränkten Bewegungsradius für die Bewohnerinnen und Bewohner beinhalten ? Ist die Landesregierung der Auffassung, dass entsprechende Konzepte und Methoden besondere strukturelle Risiken beinhalten, die einer besonderen Kontrolle durch das Landesjugendamt bedürfen? Wenn ja, in wie vielen Fällen gibt es eine solche Kontrolle und wie ist diese ausgestaltet? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Aus pädagogischen Erwägungen heraus sollen Punktesysteme nur zur positiven Verstärkung und als Anreiz eingesetzt werden. Kontaktverbote in der Eingangsstufe oder sogar ein beschränkter Bewegungsradius für die Betreuten können in bestimmten Einzelfällen sinnvoll sein. Das fallzuständige Jugendamt hat die Zweckmäßigkeit der Maßnahme hinsichtlich der Förderung und Entwicklung des Betreuten im jeweiligen Einzelfall, d.h. im Rahmen der Hilfeplanung zu überprüfen. Stufen- oder Phasenmodelle sind ebenfalls vielschichtig zu bewerten, da die zunehmende Verselbstständigung insbesondere der Jugendlichen regelmäßig derartige Phasenmodelle, z.B. von der Wohngruppe hin zu einer sonstigen betreuten Wohnform mit nur noch zeitweiliger Betreuung vorsieht. Eine standardisierte Kontrolle und/oder pauschale Bewertungen dieser Methoden und Ansätze können insoweit nicht erfolgen.