SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4204 18. Wahlperiode 2016-05-26 Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Vogt (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Auswirkungen der Geruchsimmissionsrichtline (GIRL) auf landwirtschaftlich geprägte Gemeinden Vorbemerkungen der Landesregierung: Die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) wurde durch die Gremien der Bund / Länderarbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) erarbeitet. Sie wurde als gemeinsamer Erlass des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume und des Innenministeriums 2009 in Schleswig-Holstein verbindlich eingeführt. Die Gültigkeit des Erlasses wurde 2014 verlängert. Zu den Luftverunreinigungen nach dem Bundes -Immissionsschutzgesetz zählen u.a. auch Gerüche. Die GIRL legt - differenziert nach Nutzungsgebieten - Immissionswerte (IW) fest, bei deren Überschreiten in der Regel eine erhebliche Belästigung vorliegt. Die IW werden angegeben als relative Häufigkeiten der Geruchsstunden und betragen für: Wohn-/Mischgebiete: 0,10, Gewerbe- / Industriegebiete: 0,15 und Dorfgebiete: 0,15. 1. Welche Auswirkungen hat die Geruchsimmissionsrichtline (GIRL) nach Ansicht der Landesregierung auf die Entwicklung landwirtschaftlich geprägter Gemeinden? 2. Führt die Anwendung der GIRL nach Erkenntnissen der Landesregierung zu Problemen bei der Weiterentwicklung von Kommunen mit Viehhaltung? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Drucksache 18/4204 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Die GIRL gibt Vorgaben, die bei Vorliegen von Geruchsimmissionen ein verträgliches nebeneinander unterschiedlicher Nutzungen regeln sollen und beschreibt dazu die zulässigen Belastungen. Landwirtschaftlich geprägte Gemeinden sind zumeist Dorfgebiete und für sie gilt nach der GIRL ein Immissionswert von 0,15. Das heißt, dass in der Regel in insgesamt bis zu 15 Prozent der Jahresstunden Geruchsbelastungen zulässig sind. Ist dieser Wert bereits überschritten, bedeutet dies für die weitere Entwicklung der Gemeinden, dass zusätzliche Erweiterungen der landwirtschaftlichen Betriebe nur möglich sind, wenn es gelingt, die Projekte so zu gestalten, dass insgesamt eine Verbesserung der Situation eintritt. Die Dorfstrukturen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Die Gemeinden in Schleswig-Holstein haben nahezu flächendeckend Flächennutzungspläne aufgestellt, um die städtebauliche Entwicklung zu ordnen. Die Anwendung der GIRL führt in einer Flächennutzungsplanung durchaus zur Vermeidung von Konfliktlagen und es können je nach Fallkonstellation Entwicklungsmöglichkeiten für Tierhaltungen und Wohnbebauung geschaffen werden. 3. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, ob und inwiefern geruchsimmissionsintensive landwirtschaftliche Betriebe durch die Anwendung der GIRL aus dem Innenbereich verdrängt werden? Wenn ja, welche? Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Bekannt ist jedoch, dass viele Schweinehaltungsbetriebe aus hygienischen Gründen wegen möglicher Infektionsgefahr die Produktionsbereiche Sauenhaltung , Ferkelaufzucht und Schweinemast räumlich voneinander trennen. Es wird beispielsweise so verfahren, das Wohnhaus und einen Teil der Anlagen im Dorf zu behalten und einen anderen Teil außerhalb des Dorfes anzusiedeln . Bei deutlichen Vergrößerungen des Viehbestandes bleibt oft schon allein wegen des Platzbedarfes nur der Weg der Aussiedelung in den Außenbereich . 4. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse über finanzielle Mehrbelastungen für Landwirte durch die GIRL vor? Wenn ja, welche? Nein, hierzu liegen der Landeregierung keine Daten vor. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4204 3 5. Welche Auswirkungen hat die GIRL auf bauliche Maßnahmen wie Neu- oder Umbauten und Erweiterungen, wenn die zulässigen Immissionswerte nur unerheblich überschritten werden, die Baumaßnahme aber insgesamt eine Verbesserung der Geruchssituation herbeiführt? Es wird davon ausgegangen. dass sich der Begriff „bauliche Maßnahmen“ in der Frage auf Tierhaltungsanlagen bezieht. Wenn es sich um gewachsene Dorfstrukturen handelte, fand bislang immer eine Einzelfallbetrachtung statt. Die sogenannte „Ortsüblichkeit“ wurde berücksichtigt. Hierauf weist die GIRL auch in ihren Erläuterungen hin. In immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren findet der Rechtsgedanke des § 6 Abs.3 BImSchG Anwendung. Danach ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Änderungsgenehmigung auch bei Nichteinhaltung von Immissionswerten möglich, wenn der Immissionsbeitrag der Anlage deutlich und spürbar reduziert wird (sog. Verbesserungsgenehmigung). Die Gerichte haben in den letzten Jahren bei ihren Einzelfallentscheidungen jedoch zunehmend Wert auf die Einhaltung der Immissionswerte gelegt. Nach einem jüngeren Urteil des OVG Lüneburg (Az. 1 LC 25/14) vom 9. Juni 2015 sei eine Anlagengenehmigung bei bereits überschrittenem Immissionswert nur dann erlaubt, wenn die damit verbundene Verbesserung so weitreichend ist, dass die Immissionswerte eingehalten werden. Dieses Urteil führte dann auch zu einem eher restriktiven Handeln der Baubehörden bei baurechtlichen Verfahren in Schleswig-Holstein. Ein aktueller Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG 4 B37.15)/(4C 3.16) vom 07.04.2016 hat bezüglich des vorgenannten restriktiven Urteils des OVG Lüneburg die Revision zugelassen . Aufgrund des Beschlusses des BVerwG ist davon auszugehen, dass zumindest in vergleichbaren Konstellationen die Erteilung einer Baugenehmigung regelmäßig zulässig sein sollte. 6. Welche Auswirkungen hat die GIRL bei einem Überschreiten der zulässigen Grenzwerte auf immissionsschutzrechtlich genehmigungsfreie Bauvorhaben von Anwohnern? Welchen Einfluss hat die GIRL bei einem Überschreiten der zulässigen Werte auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Wohnhäusern im maßgeblichen Umfeld der Immissionsquelle? Sind die Immissionswerte überschritten und bewertet die Behörde diese Überschreitung als erheblich, kann dies im Einzelfall dazu führen, dass Bauvorhaben nicht genehmigt werden können. Das OVG Schleswig hat mit seinem Beschluss vom 06. Mai 2016 (Az. 1 LA 3/14) zum Verhältnis zwischen Bauleitplanung und geruchsemittierenden Be- Drucksache 18/4204 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 trieben folgendes entschieden: Wenn bisher unbebaute Flächen in der Nähe eines geruchsemittierenden Rinderhaltungsbetriebes für eine Bebauung geöffnet werden sollen, müssen insbesondere nach Maßgabe der GIRL ausreichende Abstände gewahrt bleiben, „um eine zumutbare Geruchsbelastung des künftigen Baugebiets zu gewährleisten. Insbesondere bei einer Neuplanung von bisher unbebauten Flächen kommt dem Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG als Element geordneter städtebaulicher Entwicklung eine besondere Bedeutung zu (OVG Lüneburg, U.v. 25. Juni 2001 – 1 K 1850/00-, NVwZ-RR 2002, 172; Beschl. d. Senats v. 09.11.2011 – 1 MR 5/11-). … Sofern – ausnahmsweise – eine Trennung nebeneinander liegender, miteinander unverträglicher Nutzungen unterbleiben soll, muss dies durch besondere Umstände städtebaulich begründet sein. Bei einer Neuüberplanung „auf der grünen Wiese“ gelten insoweit strengere Anforderungen als bei einer Planung im „Bestand“ oder in dicht besiedelten Gebieten.“. 7. In Ziffer 4.6 enthält die schleswig-holsteinische GIRL eine Faktorenregelung für Geruchsimmissionen aus der Tierhaltung. Hat die Landesregierung empirische Untersuchungen zu den Gewichtungsfaktoren vorgenommen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Gibt es derzeit Überlegungen, die Faktorenregelungen zu ändern und wie beurteilt die Landesregierung Vorschläge aus der Landwirtschaft, die Faktoren etwa bei Milchvieh- und Rinderhaltung von 0,5 auf 0,4 abzusenken? Die Faktoren wurden im Rahmen der Erarbeitung der GIRL durch die LAI- Gremien entwickelt. Hierzu waren keine separaten Untersuchungen des Landes Schleswig-Holstein erforderlich. Die oberste Immissionsschutzbehörde des Landes überprüft zurzeit unter anderem die Gewichtungsfaktoren für Rinder . Schon jetzt kann dazu jedoch gesagt werden, dass die vorgeschlagene Änderung von 0,5 auf 0,4 für Milchvieh- und Rinderhaltung keine großen Effekte erzielen wird.