SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/ 4211 18. Wahlperiode 12.07.2016 Kleine Anfrage der Abgeordneten Anita Klahn (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Pädagogische Modelle von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen: Stufenmodelle , Punktesysteme, Kontaktverbote, Überwachung der Kommunikation- Nachfrage zu Drs. 18/3627 Vorbemerkung: Auf eine Einhaltung der Frist des § 36 Absatz 2 GO wird ausdrücklich verzichtet. Vorbemerkung der Landesregierung: Zur Beantwortung der vorliegenden kleinen Anfrage hat das Landesjugendamt eine Auswertung auf der Grundlage einer repräsentativen Stichprobe von knapp 9,5 % aller Heimeinrichtungen (ohne Kindergärten und kindergartenähnliche Einrichtungen, Tagesgruppen, sonstige betreute Wohnformen, Ferieneinrichtungen etc.) durchgeführt . Die Größe dieser Stichprobe ist aus empirischer Sicht für eine repräsentative Erhebung hinreichend, da es um die Auswertung einzelner Kennzahlen und nicht um die Korrelation verschiedener Kennzahlen geht. Für die Stichprobe wurde zunächst der Grundgesamtheit der 846 laut Heimverzeichnis am 04.03.2016 in Schleswig- Holstein vorhandenen Heimeinrichtungen eine eindeutige Zahl zwischen 2 und 847 zugeordnet. Sodann wurden mittels eines online verfügbaren Zufallsgenerators 80 Zahlen ausgewählt und die Akten der entsprechenden Heimeinrichtungen im Anschluss gesichtet und zur Beantwortung der vier gestellten Fragen herangezogen. Dieses Vorgehen wurde mit der fragestellenden Abgeordneten abgesprochen. Beim Landesjugendamt als Erlaubnisbehörde liegt keine Fallzuständigkeit für einzelne Kinder und Jugendliche. Insofern sind in der Regel diejenigen Informationen über eine Einrichtung aktenkundig, die im Rahmen des Erlaubnisverfahrens vom Träger Drucksache 18/ 4211 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 übermittelt werden müssen. Dies betrifft in Bezug auf die vorliegenden Fragen insbesondere die Inhalte der Konzeption. Darüber hinaus gehende Kenntnisse erlangt das Landesjugendamt allenfalls in Einzelfällen im Rahmen von beispielsweise örtlichen Prüfungen. Die folgenden Ergebnisse sind anhand einer Durchsicht und Prüfung des vorhandenen Akteninhaltes erarbeitet worden. Hinsichtlich der Anzahl an Einrichtungen, für die die einzelnen Fragen mit „ja“ zu beantworten waren, unterscheiden sich die ermittelten Ergebnisse von denen aus einer ähnlich gestellten großen Anfrage aus Hamburg aus dem Jahr 2015. In Hamburg besteht aufgrund der Eigenschaft als Stadtstaat eine deutlich engere Verbindung zwischen Landesjugendamt und den einzelfallzuständigen Jugendämtern . Insofern stand zur Beantwortung der dortigen großen Anfrage eine umfangreichere Datengrundlage zur Verfügung als dem Landesjugendamt des Flächenlandes Schleswig-Holstein. 1. Wie viele Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen in Schleswig-Holstein haben ein- Stufen- oder Phasenmodell in ihrer pädagogischen Konzeption? Antwort: Vier der geprüften Einrichtungen arbeiten nach Kenntnis des Landesjugendamtes aktuell mit Stufen- und Phasenmodellen, das entspricht 5 %. Keines der in der Konzeption dieser Einrichtungen vorgesehenen Modelle wird kritisch bewertet. Bei der Beantwortung dieser Frage wurden jegliche Arten von Stufen- und Phasenmodellen berücksichtigt. Die Begriffe „Stufen- und Phasenmodell“ sind nicht abschließend definiert und insbesondere nicht ausschließlich negativ belegt. In diesen Einrichtungen gibt es z.B. pädagogisch begründet zu Beginn der Maßnahme eine Orientierungs- oder Eingewöhnungsphase, nach deren Abschluss die Kinder und Jugendlichen einem ihren persönlichen Bedürfnissen entsprechenden Wohnbereich zugeordnet werden. Auch gibt es Einrichtungen, in denen zum Abschluss der Maßnahme eine Phase der Verselbständigung vorgesehen ist, in der die / der Jugendliche in eine dafür eingerichtete Trainingswohnung (sonstige betreute Wohnform ) zieht. 2. Wie viele Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen in Schleswig-Holstein arbeiten mit einem Punktesystem? Antwort: Vier der geprüften Einrichtungen arbeiten nach Kenntnis des Landesjugendamtes aktuell mit einem Punktesystem, das entspricht wiederum 5 %. Punkte- und Tokensysteme sind durchaus gängige Verfahren in der Verhaltenstherapie und werden vielfach von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen angewandt, die ihre Arbeit entsprechend ausgerichtet haben. Grundsätzlich können derartige Systeme dabei helfen, sozial auffällige Kinder- und Jugendliche nachhaltig positiv zu beeinflussen . Welche pädagogische Ausrichtung eine Einrichtung für sich wählt, ist grundsätzlich im Rahmen der Trägerautonomie durch diesen selbst festzulegen. Das Landesju- Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4211 3 gendamt berät Träger intensiv bei der Erstellung und Weiterentwicklung von Konzepten . Es gibt sowohl Systeme, die ausschließlich mit Belohnungen arbeiten, als auch Systeme, die daneben unerwünschtem Verhalten mit Punktabzügen begegnen. Negative , d.h. ausschließlich bestrafende Punktesysteme werden jedoch als rechtlich unzulässig eingestuft. Keine der vier Einrichtungen mit Punktesystem haben ein solches System in ihrer Konzeption vorgesehen. 3. Wie viele Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen in Schleswig-Holstein arbeiten auch nach der Eingangsphase mit Kontaktverboten nach außen? Antwort: Aktuell konzeptionell verankerte „Kontaktverbote“ konnten nicht festgestellt werden. Kontaktverbote können beispielsweise aufgrund familiengerichtlicher Entscheidungen bestehen oder auf individuelle Vereinbarungen mit den Personensorgeberechtigten und dem zuständigen Jugendamt zurück zu führen sein. An derartige Entscheidungen ist die jeweilige Einrichtung entsprechend gebunden. Insofern kann man aber in den genannten Fällen nicht von einer Arbeit mit Kontaktverboten sprechen, da die Entscheidung darüber nicht bei der Einrichtung liegt. Über derartige Einzelfallentscheidungen erhält das Landesjugendamt in der Regel keine Kenntnis, da hier keine Einzelfallzuständigkeit liegt. 4. Wie viele Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen in Schleswig-Holstein schränken die Kommunikation der untergebrachten Kinder und Jugendlichen nach außen auch nach der Eingangsphase ein oder unterbinden eine Kommunikation? Antwort: Im Rahmen der Stichprobe sind keine aktuell konzeptionell verankerten Kommunikationseinschränkungen identifiziert worden. Der Begriff „Einschränkung der Kommunikation“ ist unter Beachtung von § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII in Bezug auf Beschwerden in persönlichen Angelegenheiten zu verstehen . Kinder und Jugendliche müssen demnach die Möglichkeit haben, mündlich und/oder schriftlich, Kontakt zu Personen außerhalb der Einrichtung zu erhalten. Konzeptionell verankerte und/oder gelebte Kommunikationseinschränkungen sind insofern nicht zulässig. Von konzeptionell verankerten Kommunikationseinschränkungen zu unterscheiden sind Regelungen im Einzelfall zwischen Jugendamt, Personensorgeberechtigten und Einrichtung. Hierzu zählen beispielsweise temporäre Handyverbote zu Nacht- und Schulzeiten mit erzieherischem Hintergrund. Auch Zeiten der Internet- und Mediennutzung insgesamt werden in Einrichtungen vielfach aus pädagogischen Gründen beschränkt. Sofern dem Landesjugendamt Fälle unzulässiger Kontakteinschränkungen oder – verbote bekannt werden, werden diese untersagt.