SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4282 18. Wahlperiode 22.06.2016 Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Kubicki (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Ersatzfreiheitsstrafe in Schleswig-Holstein 1. In wie vielen Fällen wurde im Jahr 2015 und bislang im Jahr 2016 in den Justizvollzugsanstalten des Landes Schleswig-Holstein eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt? Anstalt 2015 2016 Itzehoe 3 0 Flensburg 76 27 Kiel 357 166 Lübeck-Männer- 213 133 Lübeck -Frauen- 92 49 Neumünster 25 29 JA Schleswig 4 1 Gesamt 770 405 Bemerkung: Doppelerfassungen sind durch Verlegungen der Inhaftierten innerhalb Schleswig-Holsteins nicht ausgeschlossen. Drucksache 18/4282 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 2. In wie vielen Fällen wurde die Umwandlung in eine Ersatzfreiheitsstrafe nachträglich wegen verspäteter oder ausbleibender Ratenzahlungen betrieben ? Voraussetzung für die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe ist, dass die Geldstrafe nicht beigebracht werden kann (§ 459e StPO). Entsprechend unterscheidet sich die Fragestellung zu Zf. 2. von der Frage zu Zf. 1. lediglich im Hinblick darauf, dass nicht die vollstreckten Ersatzfreiheitsstrafen nachgefragt werden, sondern die Anzahl der Fälle, in denen die Umwandlung einer Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe „betrieben“, also angeordnet worden ist. Im Rahmen der insoweit allein möglichen und durchgeführten Datenrecherche in MESTA wurden die Fälle ausgewertet, bei denen entweder eine Ladung zum Strafantritt erfolgte oder ein Haftbefehl erlassen wurde. Für die nachgefragten Zeiträume ergeben sich insoweit folgende Fallzahlen: Zeitraum (Datum Ladung/Haftbefehl) Anzahl (Kopfzählung) 01. Jan. – 31. Dez. 2015 3884 01. Jan. – 31. Mai 2016 3272 3. In wie vielen Fällen erfolgte die Ersatzfreiheitsstrafe direkt im Anschluss an eine Freiheitsstrafe? Anstalt 2015 2016 Itzehoe 0 0 Flensburg 1 1 Kiel 19 5 Lübeck-Männer- * * Lübeck -Frauen- * * Neumünster 6 4 JA Schleswig 1 0 Gesamt 27 10 *= Die JVA Lübeck teilt mit, dass die Frage mit Hilfe des Fachprogramms „BASIS WEB“ nicht ermittelbar ist. Die Prüfung durch Einsichtnahme in die Gefangenenpersonalakten wäre mit einem erheblichen personellen Aufwand verbunden. 4. Welche Kosten sind durch die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafen im Jahr 2015 und bislang im Jahr 2016 entstanden? Der auf Grundlage eines bundeseinheitlichen Berechnungsschemas ermittelte Tageshaftkostensatz für 2015 betrug 131,62 € je belegungsfähigem Haftplatz. Bei einer durchschnittlichen Belegung von 71 Gefangenen mit Ersatzfreiheitsstrafen im Jahr 2015 und 73 Gefangenen im Jahr 2016 betrugen die Kosten Drucksache 18/4282 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 3 3.410.932 € im Jahr 2015 und 1.460.456 € bis einschl. Mai 2016. 5. In wie vielen Fällen überstiegen die Haftkosten die Höhe der Geldstrafe, an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe getreten war? Der höchste im Zeitraum 01.01.2015 bis 13.06.2016 gerichtlich fest gesetzte Tagessatz lag in Fällen, in denen eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wurde, bei 65 €. Ausgehend von einem Tageshaftkostensatz i.H.v. 131,62 € überstiegen die Tageshaftkosten somit in allen Fällen den gerichtlich festgesetzten Tagessatz. Hierbei ist zu bedenken, dass der o.g. Tageshaftkostensatz einen sehr hohen Fixkostenanteil enthält, sodass nicht alle Kosten entfallen, wenn ein Haftplatz nicht mit einem Gefangenen mit Ersatzfreiheitstrafe belegt ist. Unmittelbar eingespart werden Kosten i.H.v. ca. 20 €. Dieser Satz würde sich erhöhen, wenn der Wegfall der vollstreckbaren Ersatzfreiheitsstrafen zu Abteilungsschließungen führen würde. 6. Wie viele Haftbefehle, die erlassen wurden, um eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstrecken, sind derzeit offen? Für die Antwort zu Zf. 6. sind im Rahmen der vorgenommenen Datenrecherche die Fälle ausgewertet worden, in denen ein Haftbefehl erlassen, aber weder ein Strafbeginn, eine Gefangenenbuchnummer noch ein Strafende in MESTA erfasst worden ist. Für die nachgefragten Zeiträume ergeben sich insoweit folgende Fallzahlen: Zeitraum (Datum Haftbefehl) Anzahl (Kopfzählung) 01. Jan. – 31. Dez. 2015 244 01. Jan. – 31. Mai 2016 851 7. Wie bewertet die Landesregierung Forderungen nach einer Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe? Eine etwaige Neugestaltung der Ersatzfreiheitsstrafe bedarf einer eingehenden und vertieften Prüfung. Bei der diesjährigen Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister ist daher zu TOPII.11 - „Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten – Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen“ mit der Stimme Schleswig-Holsteins beschlossen worden, in einer Bund-Länder- Arbeitsgruppe diese Frage sowie weitere Verbesserungen des bestehenden Instrumentariums zur Haftvermeidung eingehend zu prüfen und in diese Prüfung auch neue Vorschläge sowohl zur Anordnung als auch zur Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen beispielsweise durch eine Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 57 StGB oder eine noch nachdrücklichere Geldstrafenvollstreckung einzubeziehen. Auch der Frage nach alternativen Drucksache 18/4282 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Sanktionsmöglichkeiten soll unter Einbeziehung rechtsvergleichender Erkenntnisse nachgegangen werden. Das Ergebnis dieser Prüfung bleibt abzuwarten . 8. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag, die Pfändungsfreigrenze bei der Vollstreckung außer Acht zu lassen? Möglichkeiten einer nachdrücklicheren Geldstrafenvollstreckung werden ebenfalls durch die Bund-Länder- Arbeitsgruppe geprüft werden. Das Ergebnis der Prüfung bleibt abzuwarten. 9. Sieht die Landesregierung andere Möglichkeiten, die Zahl der in Haft befindlichen Personen, die Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen, zu reduzieren? Wenn ja, welche? Eine in Schleswig-Holstein erfolgreich praktizierte Möglichkeit zur Vermeidung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen ist die Vermittlung in freie Arbeit, ggf. mit einer Begleitung bei Ratenzahlungen. In allen vier Landgerichtsbezirken sorgen von der Landesregierung beauftragte freie Träger für die Vermittlung von Probandinnen und Probanden in geeignete Einsatzstellen sowie für ihre Betreuung und Begleitung während der Ableistung der freien Arbeit. Ergänzend wird diese Leistung auch von den Gerichtshilfen bei den Staatsanwaltschaften erbracht. In der Justizvollzugsanstalt Kiel wird die Zahl der in Haft befindlichen Personen , die bereits eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, zudem durch das Projekt ASSTRA (Arbeit statt Strafe) reduziert. Bei Genehmigung durch die zuständige Vollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft) können Inhaftierte im geschlossenen oder im offenen Vollzug durch die Ableistung freier Arbeit anteiligen Hafterlass erwirken. Das Verfahren ist in der Landesverordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit (ErsFrhStrAbwV SH) vom 12.02.1993 (GVOBl. 1993, 129), zuletzt geändert am 15.06.2004 (GVOBl. 2004, 153), geregelt. Die Förderung der beteiligten freien Träger der Straffälligenhilfe ist Gegenstand der Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen der Freien Straffälligenhilfe und von Maßnahmen des Opferschutzes 2016 - 2018 (Amtsbl. S-H 2016, 16). Gemäß MESTA Auswertung für das Jahr 2015 konnten so insgesamt 18.346 Hafttage (1.922 Hafttage im Projekt ASSTRA der JVA Kiel) vermieden werden . Dies entspricht bei einem Haftkostentagessatz i.H.v. 131,62 EUR (siehe zu Zf. 5.) einer Ersparnis von 2.414.700,52 EUR.