SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/ 4295 18. Wahlperiode 22.06.2016 Kleine Anfrage der Abgeordneten Anita Klahn und Dr. Heiner Garg (FDP) und Antwort der Landesregierung – Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Finanzierung des Fonds Sexueller Missbrauch Vorbemerkung der Fragesteller: Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Missbrauchs der Bundesregierung kritisiert 14 Länder, darunter Schleswig-Holstein, dass diese Länder sich weigern würden, in den Fonds Sexueller Missbrauch einzuzahlen. Vorbemerkung der Landesregierung: Der „Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs“ ist kein Organ der Bundesregierung, sondern organisatorisch am Bundesfamilienministerium als unabhängige Stelle zur Durchsetzung der Interessen der Betroffenen angesiedelt. 1. Was ist der Grund für die Weigerung Schleswig-Holsteins in den Fonds Sexueller Missbrauch einzuzahlen? Antwort: Abgeleitet aus den Empfehlungen des Abschlussberichtes des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ plante der Bund 2011 einen Fonds mit 100 Mio. Euro zur Finanzierung eines sogenannten „Ergänzenden Hilfesystems “ (EHS) für die Dauer von drei Jahren einzurichten. Er sollte von Bund und Ländern je hälftig finanziert werden. Leistungen aus dem EHS sollten sowohl Opfern sexuellen Missbrauchs in Institutionen als auch den Opfern familiären Missbrauchs zukommen. Auf Schleswig-Holstein wäre gemäß des Königsteiner Schlüssels zum damaligen Stand ein Anteil in Höhe von 1,682 Mio. € entfallen. Drucksache 18/ 4295 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 Mehrheitlich lehnten die Länder bereits 2011 grundsätzlich ein Fondsmodell ab und außer Bayern und Mecklenburg-Vorpommern haben sie sich daher nicht am „Fonds sexuellen Missbrauch im familiären Bereich“ des Bundes im Mai 2013 beteiligt. Gerade für Opfer familiären Missbrauchs wurde ein Fonds als nicht geeignet angesehen . Als notwendig wurden dagegen klare Rechtsansprüche und die Verbesserung der rechtlichen Möglichkeiten der Verursacherhaftung, des Opferschutzes, der Opferentschädigung und der Prävention angesehen. Die Landesregierung hatte diese Position bereits 2011 gemeinsam mit den anderen 13 Bundesländern vertreten. Diese Fragestellung wurde unter anderem umfangreich mit Mitgliedern des Sozialausschusses des Landtages erörtert anlässlich eines Informationsgespräches im Sozialministerium zur Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches unter der Leitung der Staatssekretärin Frau Dr. Bonde am 20.02.2012. Für die Landesregierung gibt es keinen sachlichen Grund, diese Position zu revidieren. Die Länder, so auch Schleswig-Holstein, haben sich von Beginn an zur Verantwortungsübernahme im Rahmen des befristeten EHS für Opfer aus Institutionen des Landes (z.B. Schulen, staatliche Erziehungsheime, Jugendvollzugsanstalten) bereit erklärt. Dementsprechend beteiligt sich Schleswig-Holstein am EHS für Betroffene sexuellen Missbrauchs im institutionellen Bereich. Die Leistungen sollen, wie vom Runden Tisch empfohlen, den Charakter der ergänzenden Hilfe unterstreichen. Schleswig-Holstein hat als eines der ersten Bundesländer die nach langen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern im Juni 2015 gefundene Vereinbarung mit dem Bund unterzeichnet. Betroffenen stehen auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem Bund und dem jeweiligen Bundesland Hilfeleistungen in Form von Sachleistungen zur Verfügung. Die ergänzenden Hilfen, insbesondere Therapien, können bis zu einer Höhe von 10.000 Euro gewährt werden. Bedingungen, Inhalte, Leistungsleitlinien sowie Hinweise zum Antragsverfahren finden sich auf der Webseite des Fonds Sexueller Missbrauch http://www.fonds-missbrauch.de. Der Bund stellt gemäß der mit dem Land Schleswig-Holstein geschlossenen Vereinbarung die Organisationsstrukturen des „Fonds sexueller Missbrauch“ - Geschäftsstelle und Clearingstelle - zur Verfügung, nimmt Anträge entgegen und leitet sie an die betroffenen Ressorts im Land weiter. Nach Prüfung der Plausibilität und der Empfehlung über Art und Höhe der Leistung durch die Clearingstelle ergeht von Seiten des Landes der Bescheid an die Antragstellenden. Das Land trägt allein die Verantwortung für die Finanzierung. Für die Leistungen im Rahmen des EHS im institutionellen Bereich des Landes ist jeweils Haushaltsvorsorge im Bildungs-, Justiz- und Sozialministerium getroffen worden. 2. Welchen finanziellen Beitrag soll Schleswig-Holstein für den Fonds Sexueller Missbrauch leisten? Antwort: Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4295 3 3. Wie ist das weitere Verfahren, um Fragen der Finanzierung des Fonds Sexueller Missbrauch zu erörtern und zu regeln? Antwort: Eine Beteiligung der 14 Länder am „Fonds sexueller Missbrauch im familiären Bereich “ ist nicht erfolgt. Daher gibt es auch kein laufendes Verfahren der Erörterung und Regelung der Beteiligung am „Fonds Sexueller Missbrauch im familiären Bereich “. Die Länder übernehmen Verantwortung für die Opfer sexuellen Missbrauchs in Institutionen der Länder (s. auch Antwort zu Frage 1). 4. Wie ist der Sachstand bei der Entschädigung für Menschen, die als Kinder und Jugendliche in der Zeit von 1949 bis 1975 (Bundesrepublik Deutschland) bzw. 1949 bis 1990 (DDR) in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe bzw. stationären psychiatrischen Einrichtungen Unrecht und Leid erfahren haben? In welcher Höhe trägt Schleswig-Holstein Kosten für diese Entschädigung? Antwort: Die Entschädigung für Menschen, die als Kinder und Jugendliche in der Zeit von 1949 bis 1975 (Bundesrepublik Deutschland) bzw. 1949 bis 1990 (DDR) in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe bzw. stationären psychiatrischen Einrichtungen Unrecht und Leid erfahren haben, war Gegenstand umfangreicher Beratungen des Bundes, der Länder und Kirchen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), die Arbeits-und Sozialministerkonferenz (ASMK), die Gesundheitsministerkonferenz (GMK), die Finanzministerkonferenz (FMK) und die Kirchen erarbeiteten eine Lösung, die aber auf Ebene der Länder und zwischen den beteiligten Ministerkonferenzen umstritten war. Strittig waren vor allem die Höhe der zu vereinbarenden Geldleistung sowie die Verteilung der Kosten auf dem Gebiet der alten Länder. Eine abschließende Klärung wurde im Rahmen der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder am 16.06.2016 gefunden. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder halten demnach vor dem Hintergrund einer notwendigen Gleichbehandlung mit den Betroffenen aus Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe eine pauschale Geldleistung in Höhe von 9.000 Euro für erforderlich. Darüber hinaus sollen Betroffene - für den Fall, dass sozialversicherungspflichtig gearbeitet wurde und dafür keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden - eine Rentenersatzleistung erhalten. Diese soll bei einer Arbeitsdauer bis 2 Jahre 3.000 €, bei einer Arbeitsdauer darüber hinaus weitere 2.000 € betragen. Die Kosten auf dem Gebiet der alten Länder werden von Bund, Ländern und Kirchen zu je einem Drittel getragen. Die Kosten auf dem Gebiet der neuen Länder werden von den Ländern zu einem Drittel, von den Kirchen zu 1/12 und vom Bund zu 7/12 getragen. Die am 16.06.2016 gefundene Lösung entspricht der Haltung und Forderung des Landes Schleswig-Holstein. Von daher wird der Beschluss begrüßt.