SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4433 18. Wahlperiode 16-07-25 Kleine Anfrage der Abgeordneten Anita Klahn (FDP) und Antwort der Landesregierung - Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie DB - Regionalverkehr auf der Strecke Lübeck - Hamburg Vorbemerkung der Fragestellerin: Die Bahnstrecke Lübeck-Hamburg ist eine der frequentiertesten in Schleswig- Holstein. Sie hat eine sehr hohe Bedeutung für Pendler, die insbesondere aus Lübeck und dem Kreis Stormarn nach Hamburg zur Arbeit oder zum Studium fahren. Zusätzlich ist sie für Touristen in Richtung Ostsee und auch für Flugreisende attraktiv , da der Hamburger Flughafen über den Hamburger Hauptbahnhof und der S-Bahn sehr gut angebunden ist. Daneben ist die Strecke für den Fernverkehr nach Kopenhagen und für den Güterverkehr zu den Häfen in Lübeck von großer Bedeutung. Immer häufiger klagen die Bahnreisenden über erhebliche Verspätungen und immer häufiger auch über Zugausfälle, die immer mehr Zweifel an der Zuverlässigkeit der Bahn aufkommen lassen. Alle ökologischen Aspekte sowie gute Argumente gegen den PKW-Individualverkehr verlieren an Bedeutung, wenn persönliche und vor allem wirtschaftliche Nachteile durch einen unzuverlässigen ÖPNV zu erwarten sind. 1. Wie viele Züge auf der Strecke Lübeck-Hamburg-Lübeck hatten mehr als zehn Minuten Verspätung, sind komplett ausgefallen und wie viele Streckensperrungen von welcher Dauer mit und ohne Schienenersatzverkehr gab es in den Jahren 2013, 2014, 2015 und bis zum 15.06. d.J.? Bitte nach Monaten gesondert auflisten und die wesentlichen Gründe dafür benennen. Antwort: Bei der Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein GmbH (NAH.SH) werden nur Daten gespeichert, die für den jeweiligen Verkehrsvertrag monetäre Auswirkun- Drucksache 18/4433 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 gen haben. Daher wird in der folgenden Tabelle in der Spalte „Pünktlichkeit“ der Anteil der Züge erfasst, die weniger als 6 Minuten Verspätung hatten. Außerdem werden von der NAH.SH die ausgefallenen Zugkm erfasst. Dabei wird nochmals unterschieden, ob das Verkehrsunternehmen für die Ausfälle einen Busersatzverkehr organisiert hat oder kein Ersatzverkehr stattgefunden hat. Auch diese Anteile sind in der folgenden Tabelle dargestellt. Datum Anteil der Zugkm, für die Ersatzverkehr eingerichtet wurde Zugausfälle ohne Ersatzverkehr Pünktlichkeit 2013 Jan 0,06% 0,18% 94,3% Feb 0,08% 0,13% 96,3% Mrz 0,13% 1,73% 89,8% Apr 0,13% 0,19% 92,1% Mai 0,14% 0,02% 92,1% Jun 0,12% 0,44% 87,9% Jul 0,17% 0,54% 92,8% Aug 0,11% 0,78% 91,1% Sep 0,26% 0,57% 86,3% Okt - 0,29% 89,0% Nov 0,06% 0,68% 91,7% Dez 0,33% 0,91% 93,8% 2014 Jan - 0,51% 94,7% Feb 0,02% 0,16% 95,9% Mrz - 0,37% 92,4% Apr - 0,27% 91,3% Mai 0,05% 0,05% 92,6% Jun 2,37% 0,54% 91,7% Jul 0,07% 0,32% 89,8% Aug 0,30% 0,66% 92,9% Sep - 0,85% 79,1% Okt 2,12% 3,77% 82,2% Nov 0,28% 5,26% 89,6% Dez 0,20% 0,45% 91,7% 2015 Jan - 0,68% 93,6% Feb 0,04% 1,01% 93,8% Mrz - 0,80% 91,6% Apr 1,04% 3,79% 92,9% Mai 1,04% 11,14% 84,6% Jun 0,13% 0,27% 92,3% Jul - 0,40% 91,3% Aug 0,13% 0,38% 92,2% Sep 0,23% 0,54% 93,2% Okt 0,50% 0,59% 89,8% Nov 0,62% 1,01% 87,3% Dez 0,16% 0,65% 94,3% Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4433 3 2016 Jan 0,20% 0,10% 91,1% Feb 0,09% 0,23% 96,7% Mrz 0,17% 0,79% 95,3% Apr - 0,63% 92,2% Mai 0,06% 0,76% 92,2% Jun 0,07% 0,93% 91,6% Die wesentlichen Ursachen für Zugausfälle waren Baumaßnahmen und Streiks der GdL. Die wesentlichen Ursachen für Verspätungen waren Unregelmäßigkeiten in Folge von Baumaßnahmen und Zugfolgeverspätungen aufgrund der hohen Streckenauslastung. Sowohl hinsichtlich der Verspätungen als auch hinsichtlich der Zugausfälle ist die Strecke Lübeck – Hamburg nicht auffällig. Die Werte bewegen sich im Rahmen des für vergleichbare Strecken üblichen Niveaus. 2. Aus welchem Grund wurde die Strecke am 20.06. d.J. gesperrt? Ist es richtig, dass die Streckensperrung mehr als vier Stunden betrug und der Betrieb planmäßig erst nach acht Stunden wieder lief, obwohl die Ursache bereits nach einer Stunde behoben war? Hält die Landesregierung es für verhältnismäßig, dass die Strecke für mehrere Stunden gesperrt wurde? Aus welchem Grund wurde keine andere Maßnahme, die den Bahnbetrieb aufrecht erhalten hätte, wie zum Beispiel eine Langsamfahrt (20 bis 30 km/h) oder eine Fahrt auf Sicht, durchgeführt? Antwort Nach Aussage des Eisenbahnverkehrsunternehmens (DB Regio AG) wurde am 20.6.2016 die Strecke Lübeck-Hamburg erstmalig um 7:25 Uhr zwischen Bad Oldesloe und Bargteheide gesperrt, nachdem Pferde aus einer Koppel ausgebrochen waren und sich an und auf der Bahnlinie befanden. Die Züge wurden vorerst in Bad Oldesloe und Bargteheide zurückgehalten, da das Ausmaß der Auswirkungen auf den Bahnbetrieb noch nicht einzuschätzen war. Nach fast einer Stunde erhielt das Verkehrsunternehmen um 08:18 Uhr die Meldung, dass die Pferde eingefangen seien und die Strecke wieder befahrbar sei. Die ersten Züge passierten in langsamer Fahrt den Abschnitt, da unklar war, wie viele Pferde tatsächlich ausgebrochen waren. Wenige Minuten später wurde der DB Regio AG mitgeteilt, dass wiederum Pferde an der Strecke gesichtet wurden. Die Strecke wurde erneut gesperrt. Es war nicht bekannt, wie viele Pferde noch nicht eingefangen waren und wie lange das Einfangen dauern würde. Der Halter konnte bis zu diesem Zeitpunkt von den ermittelnden Behörden (Landespolizei u. Bundespolizei) nicht befragt werden. Auf Grundlage dieser widersprüchlichen und unklaren Verhältnisse war kein verlässliches Betriebskonzept möglich. Um eine klare und beherrschbare Betriebssituation herzustellen und ein weiteres Ansammeln von Reisenden an den Bahnhöfen Bad Oldesloe und Bargteheide/ Ahrensburg zu vermeiden, setzte die DB Regio AG um 8:30 Uhr das Störfallkonzept für die Dauer von 2,5 Stunden in Kraft. Die NAH.SH hat in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass die Disponenten der Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsunternehmen bei Störungen innerhalb kürzester Zeit eine Fülle von Entscheidungen zu treffen und komplexe Aufgaben bei der Disposition von Fahrzeugen, Triebfahrzeugführern, Drucksache 18/4433 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 4 Zugbegleitern etc. zu erledigen haben. Dies führte in der Vergangenheit leider häufig dazu, dass den Disponenten nicht ausreichend Zeit blieb, um die Kommunikation gegenüber den Fahrgästen auf einem guten Niveau sicherzustellen. Die NAH.SH hatte daher die Unternehmen gebeten, Störfallkonzepte zu entwickeln und abzustimmen, die für typische Störungen eine klare Handlungsanweisung für alle Beteiligten vorsehen. Damit soll einerseits die Qualität der Dispositionsentscheidungen gesteigert werden, da diese nicht mehr unter Zeitdruck getroffen werden müssen und die Konsequenzen besser abgewogen werden können. Andererseits soll es dazu beitragen, die Disponenten zu entlasten und ihnen die Möglichkeit zu geben, die Fahrgastinformation im Störungsfall zu intensivieren. In der Vergangenheit wurde bei Störungen situativ und spontan geprüft, wann der nächste Zug wieder fahren kann. Dieses Vorgehen führte häufig zu großen Verwirrungen , weil die Züge in den Informationsmedien nicht auf „fällt aus“ gesetzt wurden und die Fahrgäste somit davon ausgingen, dass die Störung bald beendet sei. Die Wahrnehmung bei den Fahrgästen war in der Regel die einer „Salamitaktik “ von ständig neuen Zugausfällen. Zudem führte dieses Vorgehen häufig zu großen Verspätungen und unvorhergesehenen Zugausfällen, weil der spontane Umgang mit Störungen keine sorgfältige Disposition von Fahrzeugen, Triebfahrzeugführern und Zugbegleitern ermöglicht. Im Rahmen der Störfallkonzepte ist somit vorgesehen, die Fahrgäste bereits zu Beginn der Störung über das voraussichtliche Ende zu informieren. Während der Störung sollen die Disponenten die Fahrzeug- und Personalumläufe derart disponieren, dass pünktlich zum voraussichtlichen Ende der Störung der Betrieb reibungslos wieder aufgenommen werden kann. Da zu Beginn einer Störung nicht bekannt ist, wie lange die Störung andauern wird, berücksichtigt das Störfallkonzept Erfahrungswerte für vergleichbare Fälle. Auf dieser Grundlage ging die DB Regio AG davon aus, dass die Störung zwei bis drei Stunden dauern würde. Diese Information wurde in die Dispositions- und Auskunftssysteme eingepflegt und den Fahrgästen mitgeteilt. Daher wurden alle Züge zwischen 08:30 und 11:00 Uhr für den Abschnitt Ahrensburg-Bad Oldesloe in den Dispositions- und Auskunftsmedien in den Status "fällt aus" gesetzt. Ferner wurden die Fahrgäste aufgefordert, in der Zwischenzeit auf Umleitungen auszuweichen . Wider Erwarten wurde bereits 15 Minuten nach Bekanntgabe des Störfallkonzeptes die Strecke wieder freigegeben. Die DB Regio AG hat das Störfallkonzept jedoch nicht wieder zurück genommen, um nicht für zusätzliche Verwirrung und ungeordnete Betriebszustände zu sorgen. Ferner hätte die Rücknahme des Störfallkonzeptes aus ihrer Sicht die Glaubwürdigkeit der Störfallkommunikation und die Akzeptanz der Umleitungsstrecken für zukünftige Störfälle verringert. Erschwerend kommt hinzu, dass ein als Ausfall disponierter Zug in den Leit- und Dispositionssystemen nicht mehr existiert. Jeder Zug hätte unter einer neuen Zugnummer bei DB Netz neu angemeldet und eingestellt werden müssen. In den Auskunftsmedien würden diese Züge nur mit Verzögerung erscheinen bzw. mit hohem manuellen Aufwand einzeln eingepflegt werden müssen – Ressourcen, die in der Transportleitung im Störungsfall nicht ohne weiteres geleistet werden können. Zudem hätte das Personal wieder "zurück-disponiert" werden müssen. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4433 5 Die Erfahrung zeigt, dass diese Art von wechselnden Dispositionen für noch mehr Verwirrung bei Fahrgästen und Personal führt. Die DB Regio AG hat der NAH.SH zugesichert, den Vorfall vom 20.06.2016 als Anlass zu nehmen, zusammen mit den beteiligten Stellen die Umsetzung des Störfallkonzeptes aufzuarbeiten und geeignete Schlüsse zur Verbesserung festgestellter Schwachstellen zu erarbeiten. 3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Anstrengungen, um Verspätungen und Zugausfälle auf dieser Strecke zukünftig zu verhindern? Antwort: Das Eisenbahninfrastrukturunternehmen und die Eisenbahnverkehrsunternehmen können lediglich dafür sorgen, dass sich die Strecke und die Fahrzeuge in einem einwandfreien Zustand befinden. Dieses ist nach Kenntnis der Landesregierung auch der Fall. Auf äußere Einflüsse haben sie jedoch nur sehr beschränkte Möglichkeiten , diese zu verhindern. So kam es beispielsweise am 17.07.2016 wegen eines Kabeldiebstahls zwischen Bad Oldesloe und Bargteheide zu einem Kurzschluss und einem Schaden am Umspannwerk Lübeck-Genin. Dadurch konnte nur jeweils ein Zug je Stunde und Richtung verkehren. Daher wird es auch zukünftig vereinzelt zu Verspätungen und Zugausfällen kommen. 4. Wird sich die Landesregierung bzw. der Nahverkehrsbund SH dafür einsetzen, dass die Bahn ein effizienteres Notfallmanagement schafft, damit auch in besonderen Situationen der reguläre Bahnbetrieb nicht über Stunden stillgelegt wird? Antwort: Nach Einschätzung der Landesregierung tragen die neu eingeführten Störfallkonzepte grundsätzlich zur Verbesserung der Verlässlichkeit und Kommunikation im Störungsfall bei. In diesem Einzelfall führte das Störfallkonzept jedoch zu unerwünschten Konsequenzen. Die NAH.SH wird die DB Regio AG daher bei der Weiterentwicklung der Störfallkonzepte kritisch begleiten. 5. Wenn Streckensperrungen aufgrund einer polizeilichen Anordnung geschahen, wird die Landesregierung dafür Sorge tragen, dass auch bei der Polizei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit realistischer betrachtet wird? Antwort: Die Zuständigkeit für Anordnungen auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes liegt bei der Bundespolizei1. Die Landespolizei veranlasst keine Streckensperrungen auf Bahnanlagen. 1 siehe § 3 Bundespolizeigesetz vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2978, 2979), das zuletzt durch Artikel 14 Nummer 9 des Gesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722) geändert worden ist