SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 18/4479 18. Wahlperiode 2016-08-03 Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Fehlende Dokumente als Abschiebungshindernis Vorbemerkung des Fragestellers: Laut einem Bericht der Zeitschrift DER SPIEGEL (29/2016, S. 26f.) heißt es in einem unter Verschluss gehaltenen Bericht für die Innenministerkonferenz, dass in vielen Fällen "Dokumentenlosigkeit gezielt als Strategie eingesetzt" werde, um "im Falle einer Ausreisepflicht deren Durchsetzung zu erschweren oder unmöglich zu machen ". Die Beschaffung von Ersatzdokumenten scheitere nicht selten an "dreister Verweigerung von vollständigen und richtigen Angaben zur Person und Herkunft". Es stelle sich die Frage, ob "der Rechtsstaat hier nicht komplett versagt" 1. Ist der Landesregierung der o.g. Bericht für die Innenministerkonferenz bekannt ? Wenn ja, welche Erkenntnisse aus der Praxis in Schleswig-Holstein liegen der Landesregierung zu diesem Thema vor und teilt die Landesregierung die in der Vorbemerkung zitierten Aussagen aus dem Bericht? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Die angeführten Zitate stammen aus einer Anlage zum Bericht der Bund- Länder-Koordinierungsstelle „Integriertes Rückkehrmanagement“ (BLK-IRM) zur Frühjahrssitzung 2016 der Konferenz der Innenminister und –senatoren von Bund und Ländern (IMK). Inwiefern „Dokumentenlosigkeit als Strategie eingesetzt“ wird, ist nicht bekannt und auch statistisch nicht erfassbar. Die Durchsetzung der Ausreisepflicht scheitert nicht zwangsläufig an fehlenden Dokumenten, da diese grundsätzlich über die Auslandvertretungen der Herkunftsländer wiederbe- Drucksache 18/4479 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode 2 schafft werden können. Es ist allerdings in der Praxis zu beobachten, dass bei fehlender Mitwirkung der Betroffenen sich die Auslandsvertretungen einzelner Herkunftsländer bei der Pass(ersatz)ausstellung wenig kooperativ zeigen. 2. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, wie viele Asylbewerber oder Flüchtlinge in Schleswig-Holstein geduldet werden, weil keine Ausweispapiere vorliegen bzw. die Identität nicht festgestellt werden kann? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Antwort: Eine Duldung ist die Aussetzung einer Abschiebung und setzt eine vollziehbare Ausreisepflicht voraus. Asylbewerber/innen verfügen regelmäßig über eine Aufenthaltsgestattung und sind gerade nicht ausreisepflichtig. Laut AZR-Statistik wurden in Schleswig-Holstein zum Stichtag 30.06.2016 insgesamt 4.983 ausreisepflichtige Ausländer/innen geduldet. Hiervon 802 Personen wegen fehlender Reisedokumente, 111 Personen wegen fehlender Reisedokumente oder aus medizinischen Gründen und 2.899 Personen wegen sonstiger Gründe. Eine weitere Differenzierung der Zahlen ist nicht möglich . Es wird statistisch nicht erfasst, wie viele der geduldeten Ausländer/innen ein abschlägig beschiedenes Asylverfahren durchlaufen haben. 3. Wie beurteilt die Landesregierung den Vorschlag, einen eigenen Strafparagrafen für "Identitätsverschleierung" einzuführen? Bitte begründen. Antwort: Mit dem § 95 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 Nr. 2 AufenthG bestehen zwei aufenthaltsrechtliche Normen, durch die Handlungen mit dem Ziel der „Identitätsverschleierung “ strafrechtlich sanktioniert werden können. Weitere gesetzliche Grundlagen werden nicht benötigt. Vielmehr ist die Strafverfolgung bei diesen beiden Straftatbeständen zu intensivieren und bestehende Sanktionsmöglichkeiten sollten Anwendung finden. 4. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen Migranten, die mit falschen Angaben eine Abschiebung verhinderten, wurden in Schleswig-Holstein im Jahr 2015 und bislang im Jahr 2016 eingeleitet? 5. Wie viele dieser Ermittlungsverfahren wurden eingestellt? Antwort zu Fragen 4 und 5: Eine Aufschlüsselung innerhalb des § 95 Aufenthaltsgesetz nach Tatbestandsvarianten ist mangels entsprechender statistischer Erfassung in dem bei den Staatsanwaltschaften geführten Datensystem MESTA nicht möglich. Frage 4 und 5 lässt sich daher lediglich ohne Differenzierung nach Tatbestandsvarianten für Verstöße nach § 95 Aufenthaltsgesetz insgesamt beantworten . Die Anzahl der im Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2015 bei den Staatsanwaltschaften eingegangenen Verfahren betrug 11.711 Verfahren. Schleswig-Holsteinischer Landtag - 18. Wahlperiode Drucksache 18/4479 3 Diese richteten sich gegen 13.072 Beschuldigte. Bis zum 26.07.2016 wurde gegen 11.875 dieser Beschuldigten das Verfahren eingestellt. Die Anzahl der im Zeitraum vom 01.01.2016 bis 26.07.2016 bei den Staatsanwaltschaften eingegangenen Verfahren betrug 9.132. Diese richteten sich gegen 10.061 Beschuldigte. Bis zum 26.07.2016 wurde gegen 9.560 dieser Beschuldigten das Verfahren eingestellt. Erfasst sind hierbei nur diejenigen Verfahren, in denen § 95 Aufenthaltsgesetz als führendes Delikt in das Datensystem eingetragen wurde und die Einstellung eines im Jahr 2015 oder 2016 eingegangenen Verfahrens erfolgt ist